Oberhausen. Die Marktstraße in der Oberhausener Innenstadt ist seit Jahren ein großes Sorgenkind. Besonders schwer haben es Händler auf dem oberen Teil.

Es ist fast ein wenig bedrückend, wenn man die Marktstraße in Alt-Oberhausen entlang spaziert. Mit jedem Meter in Richtung der Mülheimer Straße werden die entgegenkommenden Passanten weniger, die leeren Schaufenster größer. „Hier kämpft jeder für sich allein“, urteilt Emile Moawad.

Er führt seit acht Jahren die Wein-Lounge „Le Baron“ auf dem oberen Teil der Marktstraße zwischen Mülheimer Straße und Gewerkschaftsstraße und beklagt die Situation in der Innenstadt. „Viele Male habe ich darüber nachgedacht, den Standort aufzugeben. Oft wurde mir gesagt, mit meinem Niveau würde ich hier nicht hinpassen. Aber ich bleibe für meine Stammkunden.“ Zu groß sei der Aufwand, jetzt an einem anderen Punkt wieder bei Null anzufangen, auch durch die Corona-Pandemie habe er viel Umsatz einbüßen müssen.

Klientel der oberen Marktstraße ist für viele Bürger unattraktiv

Auf die Stammkunden, die teils auch aus anderen Städten kommen, könne er nicht verzichten. „Ein Geschäft auf der Marktstraße ist kein Selbstläufer. Laufkundschaft habe ich fast keine.“ Gründe dafür gebe es viele. Da wäre zum einen das fehlende Einkaufsangebot – wer ein Hemd oder Socken kaufen wolle, komme schnell an seine Grenzen. [Lesen Sie hier: Polizisten im Bezirksdienst: „Dorfsheriff“ ist ihr Traumjob]

Emile Moawad und seine Ehefrau Gabi führen die Wein-Lounge „Le Baron“ an der Marktstraße mittlerweile seit acht Jahren.
Emile Moawad und seine Ehefrau Gabi führen die Wein-Lounge „Le Baron“ an der Marktstraße mittlerweile seit acht Jahren. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Die Leerstände würden es den letzten vorhandenen Kaufleuten nicht einfacher machen. „Es ist ruhig hier oben. Selbst Menschen, die nur zwei Straßen weiter wohnen, wissen gar nicht, dass es uns gibt.“ Moawad, selbst Araber, weiß um die Klientel der Straße. „Hier gibt es zwei große arabische Lebensmittelläden, wo die Anwohner einkaufen. Für uns Deutsche gibt es aber sonst nicht mehr viel.“

Immobilien auf der Marktstraße sind in schlechtem Zustand

Seine Wein-Lounge habe schon schwere Zeiten durchgemacht. „Ich erinnere mich an Zeiten, da kam wochenlang kein Gast. Will man hier Kundschaft herlocken, muss man selbst viel machen.“ Er kümmert sich um Events, bietet Veranstaltungen an, hält Kontakt zu seinen Gästen via Facebook und E-Mail. „Wenn mal eine große Veranstaltung in der Innenstadt ist, dann findet sie auf dem unteren Teil der Marktstraße statt. Zu uns verirrt sich kaum jemand.“ Er wünscht sich, dass die Stadt mehr für die Kaufleute macht.

Wird sein Traditionsgeschäft ebenfalls schließen: CityO.-Vorsitzender Axel Schmiemann verlässt die Marktstraße zum 31. Dezember.
Wird sein Traditionsgeschäft ebenfalls schließen: CityO.-Vorsitzender Axel Schmiemann verlässt die Marktstraße zum 31. Dezember. © FUNKE Foto Services | Franz Naskrent

Allein ist er damit nicht. Ein Wochenmarkt fehlt – oder ein Weihnachtsmarkt, der über die gesamte Marktstraße gezogen wird, glauben Friedhelm und Astrid Kahl. Ihnen gehört die gleichnamige Schuhmacherei an der Gewerkschaftsstraße in der dritten Generation, nur wenige Meter von der Marktstraße entfernt. „Die Probleme setzen aber schon früher ein,“ erklärt Friedhelm Kahl. „Die Häuser hier sind teils in sehr schlechtem Zustand. Die Eigentümer kümmern sich nicht, manche Fassaden sind heruntergekommen.“ Dazu komme, dass ein großer Anteil der Anwohner auf Sozialleistungen angewiesen seien. „Wo soll denn dann die Kaufkraft herkommen? Es ist klar, dass sich kaum Geschäfte hier halten können.“

Das Centro markierte den Untergang für die Innenstadt, glauben die Kaufleute

Unattraktiv sei die Marktstraße in den vergangenen Jahren geworden, Bettler würden das Außenbild prägen, viele Traditionshändler seien schon lange abgewandert. „Die Läden hier oben werden oft von türkischstämmigen Kaufleuten übernommen und die machen auch richtig was her. Da diese Geschäfte dann aber ein eigenes Klientel anziehen und kaum noch Deutsch auf der Straße gesprochen wird, fühlen sich viele nicht mehr wohl“, beobachtet Astrid Kahl. Die Schuhmacher beobachten den Wandel der Straße, seit sie das Geschäft Mitte der Neunziger übernommen haben. Bergab sei es gegangen, seit das Centro 1996 eröffnet und die ersten großen Geschäfte wie C&A die Einkaufsmeile verlassen hatten.

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Kein neues Thema, weiß auch Axel Schmiemann. Der Vorsitzende des CityO.-Managements kennt die Situation auf der Marktstraße gut – auch er wird zum Jahresende sein Schmuckgeschäft „Schmiemann Design“ auf dem unteren Teil der Straße schließen. „Es war schon immer schwierig, die gesamte Straße zu bespielen und den Besucherstrom bis nach oben zu ziehen.“ Seit Jahren sei man im Austausch mit der Stadt und suche nach Lösungen. Kinderflohmarkt, Winzerfeste und Musiksommernächte habe der Verein früher ausgerichtet, nun würden Aktionen in der Innenstadt wie verkaufsoffene Sonntage von externen Firmen organisiert. Das Resultat: Viel Ballung zwischen Elsässer Straße und Eduard-Berg-Platz, kaum Frequenz Richtung Mülheimer Straße. [Lesen Sie hier:CityO.-Vorstand schließt Schmuckgeschäft auf der Marktstraße]

Zielgerichtete Kunden, die nicht in Oberhausen bummeln wollen

Auch bei der Schuhmacherei ist von Laufkundschaft weniger zu spüren. „Es ist viel zielgerichteter geworden.“ Aus Unna, Dortmund, Österreich und sogar Kanada kommen die Kunden, wenn sie Qualität haben möchten. „Danach noch groß auf der Marktstraße bummeln zu gehen, kommt für die meisten allerdings nicht in Frage.“ Die gewünschte Dienstleistung in Anspruch nehmen und schnellstmöglich die Heimreise antreten – so laute für viele die Devise.

Leerstände wie dieses ungenutzte Ladenlokal an der Ecke Gewerkschaftsstraße prägen das Bild der oberen Markstraße in Oberhausen.
Leerstände wie dieses ungenutzte Ladenlokal an der Ecke Gewerkschaftsstraße prägen das Bild der oberen Markstraße in Oberhausen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Auf Stammklientel setzt auch der seit 1970 angesiedelte Blumenhändler „Der Holländer“, nur wenige Meter entfernt. „Viele Kunden kommen aus den umliegenden Städten zu uns, weil sie uns kennen und schätzen“, berichtet Alexandra Stanko, deren Mann das Geschäft seit acht Jahren führt. „Wir haben weniger deutsche Kunden. Wir finden das aber nicht schlimm, denn die türkischstämmigen Kunden kaufen viele Blumen, feiern oft Verlobung oder andere Feste.“ [Lesen Sie mehr:Das sind die fünf neuen „Brückenschlag-Projekte Oberhausen]

Verdichtung der unteren Marktstraße als Lösung?

Auch die Diskussion, wieder den gesamten oberen Teil für Autos befahrbar zu machen, wird schon seit Jahren geführt. „Der Einzelhandel oben hat es schwer“, betont Axel Schmiemann. „Eine Möglichkeit wäre es, dass die Einzelhändler nach unten ziehen und sich oben verschiedene Dienstleister ansiedeln können. Wenn das realistisch wäre, könnte der untere Teil der Marktstraße verdichtet werden.“ Problem: Einigen Kaufleuten gehören die Immobilien, in denen ihr Geschäft sitzt – und ein Umzug ist nicht kurzfristig zu bewerkstelligen. „Wir stehen in konstantem Austausch mit der Stadt, sitzen an allen Tischen“, betont der CityO.-Vorsitzende. „Wir versuchen, etwas zu erreichen.“ [Lesen Sie mehr:Syrer verkauft in Oberhausen süßes Gebäck gleich kiloweise]

Ein Problem bedingt das andere, sagen die Einzelhändler Kahl, wenn sie nach Lösungsvorschlägen gefragt werden. „Die Stadt ist sehr bemüht und will für uns sicher nur das Beste“, glaubt Friedhelm Kahl trotz allem. „Aber wenn der Wurm erst einmal drinsteckt, ist es schwer, ihn wieder herauszubekommen.“

Neues Format zur Kundenbindung: „Erlesenes Speisen“ im Le Baron

Um mehr Kunden für die Wein-Lounge zu gewinnen, arbeitete Emile Moawad vier Jahre lang mit dem Literaturhaus zusammen. Die Frequenz sei gut gewesen, habe aber nicht den Kundenstamm gebracht, die der Inhaber sich gewünscht hatte. Nun nutzt er den Salon direkt neben seinem Restaurant für ein neues literarisches Format. Die Veranstaltung „Erlesenes Speisen“ bringt Schauspieler der Theater Essen und Oberhausen zusammen mit literarischen Werken. Dadurch entstehen Lesungen und musikalische Darbietungen, immer begleitet von einem mehrgängigen Menü mit passenden Weinen des Gastronoms.

Für 2022 sind bereits folgende Veranstaltungen geplant: Am Mittwoch, 19. Januar, steht die Veranstaltung unter dem Namen „Wein, Weib.. & Cello“ mit Florian Hoheisel am Cello und Katja Heinrich mit Texten, Gesang und Moderation. Am Mittwoch, 2. Februar, sprechen Autor Jürgen Wilberg und Fotograf Rainald Hüwe bei „Denkbar knapp oder Mitdenken hilft“. Einen Monat später, am 2. März, ist Schauspieler Peter Waros zu Gast in der Wein-Lounge. Außerdem kann der Salon für kleine Feiern wie Geburtstage oder Hochzeiten für bis zu 40 Personen angemietet werden. Weitere Informationen gibt es auf weinlounge-lebaron.de.