Oberhausen. Oberhausens Jazzfestival geht mit sieben Auftritten an drei Abenden in die fünfte Runde – und verneigt sich vor einem ganz Großen des Jazzrock.

Das Akkordeon soll kein Jazz-Instrument sein? „Hömma“ tritt an, das Gegenteil zu beweisen. Zudem ist das Oberhausener Jazzfestival mit seiner nun kommenden fünften Auflage selbst wie ein „Schifferklavier“: Mal dehnt es sich über eine ganze Woche, mal quetschen sich die Attraktionen in drei prallvolle Tage.

Großer Sound mit kleinem Besteck: das Jazz-Duo „RoMi“ mit Pianist Roman Babik und Schlagzeuger Mickey Neher.
Großer Sound mit kleinem Besteck: das Jazz-Duo „RoMi“ mit Pianist Roman Babik und Schlagzeuger Mickey Neher. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Von Freitag, 8. Oktober, bis Sonntag, 10.10., dürfen sich Musikfans auf groovende Rhythmen und mitreißende Improvisationen freuen. Zu den akustischen Leckerbissen zählen zweifellos der Auftritt von Nighthawks und das Konzert der WDR Big Band. „Wir freuen uns sehr, dass wir unserem Publikum ein vielfältiges Programm auf Top-Niveau bieten können“, betont Uwe Muth, der das Festival gemeinsam mit dem Jazz-Schlagzeuger Peter Baumgärtner organisiert. „Das war so im vergangenen Jahr wegen der Pandemie leider nicht möglich.“

Mit einem Doppelkonzert startet Hömma am Freitag ins Jazz-Wochenende. Um 19.30 Uhr stehen „RoMi“ im Ebertbad auf der Bühne – zwei Top-Musiker, die wie eine Big Band auf drei Quadratmetern klingen. Der Sound von Keyboarder Roman Babik und Schlagzeuger Mickey Neher aus R’n’B, Soul und Funk ist dermaßen fett und präsent, dass nichts mehr dazwischen passt: Ein Kracher zum zündenden Auftakt.

Soundtrack zu imaginären Filmen

Nighthawks liefern Breitwand-Klänge für imaginäre Filme – dank der Trompetenmelodien von Reiner Winterschladen.
Nighthawks liefern Breitwand-Klänge für imaginäre Filme – dank der Trompetenmelodien von Reiner Winterschladen. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Anschließend reisen die Zuhörer auf einem abenteuerlichen Trip durch den Klangkosmos der Nighthawks: Mit kräftigen Melodien, groovigen Rhodes-Sounds und satten Bässen liefert die Band den Soundtrack zu imaginären Filmen, die unbedingt noch gedreht werden sollten. Unweigerlich drängen sich Bilder auf von regennassen Straßen im nächtlichen New York oder mexikanischen Wüstendörfern in flirrender Hitze – getragen von Reiner Winterschladens Trompetenmelodien. Dreifach ausgezeichnet mit dem German Jazz Award in Gold gehört das „Nachtfalken“-Quintett zum Besten, das Deutschland in Sachen Nu Jazz zu bieten hat.

Mit dem ersten von vier Samstags-Gigs verpassen Sängerin Inga Lühning und Bassist André Nendza altgedienten Klassikern der Pop-Geschichte einen komplett neuen Look. Im AKA 103 der Ruhrwerkstatt, Akazienstraße 103, interpretiert das Duo um 18 Uhr Songs von Marianne Faithfull und BAP, Michael Jackson und Element of Crime – mal ganz pur mit Stimme und Kontrabass, mal komplex mit Loops, E-Bass, Effekten und Schlitztrommel. Auch die Eigenkompositionen beweisen, wie kreativ dieses kongeniale Duo agiert.

Trommelfeuer eines Ausnahmedrummers

Zur Begegnung mit der „Blue Note“-fähigen Quetschkommode von Jörg Siebenhaar kommt es um 19.30 Uhr in der Christuskirche an der Nohlstraße: Dort trifft das Trio Accordion Affairs auf ein Kammermusik-Trio um den Flötisten Jörg Fiedler. Der Experte für Alte Musik und begnadete Virtuose hat sich mit seinem Ensemble auf Musik des Barock spezialisiert – als überzeugter Modernist.

Das vierte Samstags-Konzert gibt’s gratis

Die Eintrittspreise haben die „Hömma“-Macher in diesem Jahr mit einer Prise Raffinesse gestaffelt.So kostet der Auftakt-Freitag 15 Euro. Komplizierter wird’s am Samstag: Pro Konzert kostet der Eintritt 10 Euro. Wer am Samstag mehrere Konzerte besucht, bezahlt fürs zweite Konzert nur 5 Euro, wenn er das Ticket für das erste Konzert vorlegt. Fürs dritte Konzert zahlt er 2,50 Euro, muss aber Ticket 1 und Ticket 2 vorlegen. Besucht man alle vier Konzerte, ist das vierte Konzert frei. Also: Karten gut aufbewahren! Am Sonntag schließlich kostet der Eintritt 20 Euro.Den Vorverkauf übernehmen das Ebertbad, 0208 - 81 06 570, und nebenan das Theater Oberhausen, 0208 - 85 78 184; online informiert hoemma-jazz.de.

Sängerin Inga Lühning hatte mit ihrem Können bereits beim Vorjahres-„Hömma“ im Ebertbad beeindruckt.
Sängerin Inga Lühning hatte mit ihrem Können bereits beim Vorjahres-„Hömma“ im Ebertbad beeindruckt. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Denn Jörg Fiedler weiß: „Wenn man die gepuderten Perücken der Menschen vor drei Jahrhunderten hochhebt, dann kommen darunter bestürzend moderne Köpfe zum Vorschein.“ Zusammen mit Jazz ergibt sich eine inspirierende Kombination, verspricht Festival-Macher Peter Baumgärtner, der bei Accordion Affairs am Schlagzeug sitzt. Also raus aus dem Konservatorium, rein ins bunte Leben.

Trommelfeuer: Das Walzenlagerkino im Zentrum Altenberg an der Hansastraße 20 wird um 21 Uhr zum Schauplatz expressiver Schlagzeug-Kunst. Mit Christoph Haberer erleben die staunenden Zuhörer einen Ausnahmedrummer, dem es scheinbar mühelos gegeben ist, unterschiedlichste Rhythmen gleichzeitig zu trommeln. Komposition, Spielfreude und maschinenhafte Präzision – die Verbindung von Gegensätzlichem ist sein Konzept.

Das Cello klingt wie eine E-Gitarre

Hier verneigt sich ein ganz Großer vor den Tasten – und die WDR Big Band verneigt sich vor Chick Corea (1941 bis 2021).
Hier verneigt sich ein ganz Großer vor den Tasten – und die WDR Big Band verneigt sich vor Chick Corea (1941 bis 2021). © picture alliance/dpa | Luna Afredo

Noch so ein vermeintlich puderbezopfter Klassiker: Gunther Tiedemann, Komponist, Arrangeur, Dozent und Autor, spielt Cello. Mit unfassbarer Leichtigkeit entlockt er den vier Saiten derart ungewohnte Klänge, dass man glauben möchte, eine E-Gitarre zu hören, dann wieder einen Kontrabass oder eine afrikanische Trommel. Im Zusammenwirken mit Thomas Rückert am Piano, dem Gitarristen David Plate sowie Sebastian Netta am Schlagzeug entwickelt sich um 22.30 Uhr in der Fabrik K14 an der Lothringer Straße 64 ein faszinierender Musik-Talk.

Das spektakuläre Abschluss-Sonntagskonzert von „Hömma“ beginnt um 19.30 Uhr in der Luise-Albertz-Halle an der Düppelstraße 1. Mit ihrem Programm „Tribute to a Master – the Music of Chick Corea“ verneigt sich die WDR Big Band vor dem Anfang des Jahres verstorbenen Keyboarder aus Chelsea, Massachusetts.

Brücken vom Jazz zum Mainstream

Coreas Karriere begann 1969, nachdem er am wegweisenden Fusion-Album „Bitches Brew“ von Miles Davis mitgewirkt hatte. Mit seiner Band Return to Forever baute er Brücken vom Jazz zum Mainstream und avancierte zu einem Weltstar des Jazzrock. Auch Corea erkannte die Modernität der Klassik, spielte Mozart-Recitals und komponierte zwei Klavierkonzerte. Die WDR Big Band ehrt mit dem 25-fach Grammy-Prämierten einen ganz Großen.