Oberhausen. Trotz Corona ist das „Hömma“-Jazzfestival im Ebertbad über die Bühne gegangen. Jazzfans erlebten einen Abend mit ganz unterschiedlichen Facetten.
Jazz ist, wenn Saxophon dabei. Das wissen sogar die Rolling Stones, die für ihr Album „Tattoo You“ sogar eigens den „Saxophone Colossus“ Sonny Rollins anheuerten. Der vor wenigen Tagen seinen 90. Geburtstag feiern konnte und einst im Supermarktgedudel mit geübtem Ohr mal einen interessanten Bläser wahrnahm. Um dann festzustellen, dass er es selber war. Tja, so kann’s gehen.
Beim „Hömma Jazzfestival“, das diesmal in umständehalber auf einen Tag verkürzter Version über die gewohnt grandios ausgeleuchtete Bühne des Ebertbads ging, war mit Ausnahme eines nur kurz aufblitzenden Kazoo’s so gar nichts mit Saxophon. Jazz gab es aber trotzdem und wie! Völlig untypisch für die Szene, sogar mit einem Schnellstart gemäß der alten Regel „Fünf Minuten vor der Zeit ist die wahre Pünktlichkeit“.
Der Aufforderung „Hömma“ folgten relativ wenige Zuhörer
Dass dem klaren Imperativ „Hömma“ traditionsgemäß nur relativ wenige Zuhörer folgten – immerhin denn doch um die 80 –, lag diesmal wohl weniger an mangelndem Interesse der Jazzfans im Revier, sondern an der ziemlich kurzen Vorlaufzeit. Konnte der Festival-Veranstalter Uwe Muth doch erst am 21. August die Durchführung und sein dreiteiliges Programm annoncieren.
Und das war ebenso abwechslungsreich wie attraktiv, was sich verblüffend rasch beim delikaten Opener der imposanten Vokalistin Inga Lühning zeigte. Wie schnörkellos-intensiv sie den „Element of Crime“-Song „Am Ende denke ich immer nur an dich“ über den melodisch singenden Bass von André Nendza legte, war schlichtweg herzergreifend. Dann erweiterte sich das Duo um den fabelhaft diskret tupfenden Pianisten Thomas Rückert und den mit sanftem Brushwork pulsenden Marcus Möller am Schlagzeug, was nicht nur den Jimmy Cliff-Klassiker „I Can See Clearly Now“ wundersam duftig grundierte.
Lautstarker Jubel im Ebertbad
Getragen von Inga Lühnings zart schwebender Stimme, entfalteten sich heiter-filigrane Klanggespinste von betörendem Reiz. Wobei es André Nendza mit seinem anrührenden „Until“ sogar gelang, einen über den Verlust des großen, am 4. September verstorbenen Bassisten Gary Peacock hinweg zu trösten. Entsprechend lautstarker Jubel im Ebertbad nach einem starken Auftritt.
Prompt folgte ein Kontrastprogramm mit dem famosen, nun ja, Alleinunterhalter Peter Fessler. Denn lustvoll schwelgte der gebürtige Kölner, dem einst mit „New York, Rio, Tokio“ ein Super-Hit gelang, nach einigen eigenen Songs – stark seine Hommage an Al Jarreau – vor allem in Samba-Seligkeiten.
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Und machte mit seiner über vier Oktaven reichenden Stimme aus Baden Powells „Berimbau“ oder Luis Bonfas „Manha de Carnaval“ (aus dem Film „Orfeo Negro“ von 1959) etwas ganz Neues – „bossa nova“ eben. Mit lässig-fingerflinken Gitarrenlinien hinter seine aufregender Vocal-Artistik, die imposant zwischen tiefstem Knurren und strahlenden Höhen atemberaubend oszillierte. Natürlich Begeisterung im Saal, was sonst.
Packende, coole Show
Den superben Gitarristen Gregor Hilden muss man nach vielen Gastspielen bei Jan Bierther im K14 nicht mehr groß vorstellen. Nun groovte der Sunnyboy bei „Hömma“ verdammt cool mit seinem „Organ Trio“, rhythmisch knackig beflügelt von Dirk Brand am jazzig-kleinen Drumset, wozu Wolfgang Roggenkamp, der auch Bass-Lines ins Pedal steppte, seine Hammond B3 mächtig fauchen ließ. Was „Mr. Magic“ glänzend dastehen ließ, dessen „Barbarella’s Dream“ sich als spaciges Prog-Rock-Vergnügen erwies. Eine packende Show, die samt Festival passend mit einem „Farewell Blues“ endete.
Nicht ganz, denn als lautstark eingeforderte Zugabe kredenzte das „Gregor Hilden Organ Trio“ zur Freude aller Zuhörer schließlich noch einen alten Heuler: „Je T’aime … Moi Non Plus“. Man stöhnte innerlich mit und freute sich über einen abwechslungsreichen Abend, der auch ohne Saxophon astrein jazzig war.