Oberhausen. Nach Ansicht des Oberhausener Nahverkehrsbetriebs Stoag werden die Klimaziele verfehlt, wenn man nicht konsequent ist – und Autofahren verteuert.

Die ehrgeizigen Verkehrs-Klimaschutzziele der Bundesregierung sind nach Meinung der Oberhausener Nahverkehrs-Verantwortlichen nur mit einem Doppelschlag erreichbar: Das Autofahren muss demnach unattraktiver werden, also kostenträchtiger und unbequemer, der öffentliche Nahverkehr muss zugleich attraktiver werden, also preiswerter und komfortabler als heute.

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Innerhalb der nächsten acht Jahre soll der Ausstoß des Treibhaus-Gases Kohlendioxid im Verkehrsbereich um die Hälfte (im Vergleich zu 1990) sinken. „Gelingen kann das nur, wenn wir unsere Mobilität entscheidend verändern – weg vom motorisierten Individualverkehr hin zu Fahrrädern, Bussen und Bahnen“, sagte Stoag-Geschäftsführer Werner Overkamp bei der Vorstellung der Jahresbilanz 2020 der Stadtwerke Oberhausen (Stoag), die den Bus- und Bahnverkehr vor Ort betreiben. „In der gesamten Region muss der Linienverkehr ausgebaut werden. In Oberhausen benötigen wir einen dichteren Taktverkehr auf unseren Linien und mehr Angebote nach Wunsch, wie unseren Revierflitzer. Auch städteübergreifende Verbindungen im Ruhrgebiet müssen ausgebaut werden. Aber dies wird nicht ausreichen, um die notwendige Zahl an Autofahrern zum Umstieg zu bewegen.“

Bisher noch keine Einfahrverbote für Autos in Oberhausen

Overkamp hält zeitgleich Einschränkungen für Autofahrer für erforderlich. „Wenn man weiterhin mit dem Auto sehr günstig überall hinkommt, schaffen wir die Klimawerte nicht. Wir benötigen Restriktionen für den motorisierten Individualverkehr, also eine Verteuerung des Autofahrens.“ Dies entspricht auch dem Trend der letzten Jahre: Die steigende CO2-Abgabe verteuert den Spritpreis auch in Zukunft, Oberhausen selbst hat Parkraum durch höhere Gebühren teurer gemacht und 30-Kilometer-Zonen ausgebaut. Einfahrverbote in die Zentren für Autos wie in anderen Großstädten Europas gibt es bisher noch nicht.

Stoag-Geschäftsführer Werner Overkamp
Stoag-Geschäftsführer Werner Overkamp © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Nach Berechnung des Verbandes der Verkehrsunternehmen muss die Bus- und Bahn-Betriebsleistung um 60 Prozent gesteigert werden, um die Klimaziele zu erreichen. Das ist ziemlich teuer, doch diese Kosten können nach Analyse der Nahverkehrsexperten auf keinen Fall mehr auf die Fahrgäste umgelegt werden: Die Ticketpreise empfinden schon heute viele Bürger als zu teuer. Die Kosten müssten also durch Zuschüsse des Bundes und des Landes beglichen werden – jährlicher Bedarf bundesweit: elf Milliarden Euro. „Die meisten Kommunen jedenfalls können dies finanziell nicht stemmen“, ist Overkamp überzeugt.

Die Pandemie hat allerdings dafür gesorgt, dass weniger Fahrgäste den öffentlichen Nahverkehr im Ruhrgebiet nutzen statt mehr. Die Stoag-Busse und -Bahnen beförderten im vergangenen Jahr nur noch 23,7 Millionen Fahrgäste – ein Minus von 31 Prozent. Zeitweise brach die Zahl der Fahrgäste um 60 Prozent ein. Selbst bei entspannter Pandemielage nutzen in diesem Monat 30 Prozent weniger Bürger die Stoag-Dienste als im Vor-Pandemiejahr 2019. Mit zunehmendem Verlauf der Corona-Krise kündigten mehr Stoag-Stammkunden ihr Abo: Die Stoag verzeichnete im Mai dieses Jahres 13 Prozent weniger Ticket-2000- und Ticket-1000-Abonnenten als im Mai 2019.

Schwierige Kunden-Rückgewinnung

Diese Kunden zurückzugewinnen bezeichnet Overkamp als nicht einfach – und langwierig. Erst 2024 hofft der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) wieder das Vor-Pandemie-Niveau erreichen zu können. „Die Schwierigkeit ist, dass sich das Fahrverhalten der Bürger durch Corona deutlich verändert hat“, beobachtet der Stoag-Chef. Home-Office, Teilzeitarbeit, Drei-Tage-Woche – die Entwicklung flexibler Arbeitszeiten hat durch die Pandemie einen enormen Schwung erfahren. Der Verkehrsverbund reagiert mit Belohnungen für treue Kunden wie der kostenlosen Fahrt in ganz NRW für alle Abo-Inhaber in den Sommerferien, aber auch mit neuen Ticketvarianten. Ähnlich wie bei der Bahncard 25 der Bahn kann man sich ab 2022 mit einem Flexticket für knapp fünf Euro im Monat einen deutlichen Rabatt auf Einzeltickets im VRR erkaufen.

Verlust an Ticket-Einnahmen der Stoag gleicht der Staat aus

Den Verlust an Ticket-Einnahmen der Stoag von immerhin 25 Prozent im vergangenen Jahr (von 30,8 Millionen auf 26,1 Millionen Euro) gleicht der Rettungsschirm von Bund und Land in den Jahren 2020 und 2021 aus: 4,7 Millionen Euro erhält die Stoag aus diesem Topf.

Busse und Bahnen: Jährlich ein Verlust von 16 Millionen Euro

Der öffentliche Nahverkehr ist trotz stetig steigender Ticketpreise nicht gewinnbringend zu betreiben. Im Gegenteil: Das Stoag-Angebot an Bussen und Bahnen in Oberhausen erwirtschaftet Jahr für Jahr Verluste – etwa 16 Millionen Euro. Dieser Fehlbetrag muss durch die Stadt direkt und durch Gewinne von städtischen Tochterunternehmen ausgeglichen werden.

Das operative Betriebsergebnis der Stoag lag 2020 bei 16,7 Millionen Euro Minus, 2019 bei 15,8 Millionen Euro Minus. Für den Oberhausener Nahverkehr musste Kämmerer Apostolos Tsalastras im vergangenen Jahr direkt aus der Stadtkasse zehn Millionen Euro nehmen – statt wie noch im Vorjahr „nur“ 7,2 Millionen Euro.

Das liegt vor allem daran, dass die Unternehmen, an denen die Stadt über die Stoag Anteile hält, weniger Gewinne ablieferten als früher – wie beispielsweise die Energieversorgung Oberhausen (EVO), die Wirtschaftsbetriebe Oberhausen (WBO), der RWE-Konzern und die Müllöfen GMVA. Statt neun Millionen Euro Ertragsausschüttung wie im Jahre 2019 waren es im vorigen Jahr nur noch 6,5 Millionen Euro. 2010 waren es sogar noch gut 15 Millionen Euro.

Insgesamt beziffern sich die Stoag-Kosten für den Nahverkehrsbetrieb in Oberhausen auf rund 50 Millionen Euro im Jahr. Gut 30 Millionen Euro zahlen die Fahrgäste über die Ticketpreise, den Rest bringt zum größten Teil die Stadt Oberhausen auf (siehe Infokasten).