Oberhausen. Seit 20 Jahren ist der Knappenbunker mit dem Bürgerzentrum Alte Heid das einzige Museum seiner Art in NRW – und zeigt sich neu ausgestattet.
Geschichtsbewusstes Oberhausen. Clemens Heinrichs wundert sich über ein bleibendes Alleinstellungsmerkmal: Seit 20 Jahren ist das Bunkermuseum im Bürgerzentrum Alte Heid konkurrenzlos in Nordrhein-Westfalen. Der Leiter dieses Unikats – und zugleich der Gedenkhalle – nennt’s „interessant und etwas seltsam“: Schließlich gebe es Bunker in jeder Stadt, habe der Luftkrieg im Industrieland an Rhein und Ruhr die größten Verheerungen angerichtet.
Aber es braucht eben auch engagierte Menschen wie in jenem Stadtteilprojekt des Knappenviertels, die vor 20 Jahren mit dem Bürgerzentrum auch das Bunkermuseum zwischen den Mietshäusern ihres Quartiers etablierten. Clemens Heinrichs war von Anfang an dabei – und hat schließlich „das Bunkermuseum in die Gedenkhalle mitgenommen“. Die ist zwar kein Solitär mehr, aber als im kommenden Jahr 60-jährige Institution die älteste in Deutschland.
Das entschiedene Auftreten gegen Geschichtsklitterung und Revanchismus, wie Clemens Heinrichs sagt, bestimmt die Arbeit und Führungen im unterirdischen Teil des Knappenbunkers. Und man darf ein bisschen staunen, wie sich moderne Museumsdidaktik selbst so eines in jedem Sinne massiven und unverrückbaren Groß-Exponats annehmen kann.
Stadtplan zeigt 17 Großbunker in Oberhausen
So blieb im Entree nur das blaue Neon-Dämmerlicht unverändert. „Gut beraten von Schnug Media“, so der Museumschef, informiert nun eine neuzeitliche Medien-Station, eingekleidet in rostfarbenen Stahl, über die Geschichte des Luftkriegs.
Schließlich bleibt der Anspruch der Dauerausstellung „Heimatfront“ unverändert: „Vom Blitzkrieg in Europa zum Luftkrieg an der Ruhr“, so der Untertitel, soll deutlich machen, dass die NS-Angriffskriege die Zerstörungen und Elend über die Europäer brachten. An der neuen Station lassen sich dreiminütige Filme anklicken, zudem eine Europakarte der Weltkriegs-Bombardements – und ein Oberhausener Stadtplan der einst 17 Großbunker.
In den vielen Zwei-mal-drei-Meter-Kammern des Knappenbunkers sind jetzt zwei Räume für Audio-Stationen eingerichtet. Eine erste Idee, erzählt Claudia Stein, die Pädagogin im Team der Gedenkhalle, war gewesen, die Zeitzeugenberichte der damals sehr jungen Menschen von Kindern sprechen zu lassen. Die Corona-Pandemie hat’s leider verhindert. Stattdessen übernahmen Schauspieler die Aufgabe. Sie erzählen nicht nur von angstvollen Bombennächten in Oberhausen, sondern auch aus den von Deutschen verheerten Ländern. „Das menschliche Leid war übernational“, sagt Clemens Heinrichs.
Noch nicht verwirklichen ließ sich das Anliegen, auch Geflüchteten vor Luftangriffen der jüngsten Zeit eine Stimme zu geben. „Wir haben uns das nicht so schwierig vorgestellt“, sagt Claudia Stein. Aber gerade Menschen, die dem Assad-Terror entkommen sind, „haben große Angst, dass Rückschlüsse möglich wären auf Angehörige, die noch in Syrien leben“. Wenn wieder direktere Gespräche als während der Lockdowns möglich sind, will sich Claudia Stein erneut um diese Zeitzeugen der Gegenwart bemühen.
Aufnahmen aus den großen zeithistorischen Archiven
Als die Gedenkhalle 2019 in London ein Fotoalbum mit der Aufschrift „Schadensstellen im LS-Ort Oberhausen/Rhld.“ erwarb – eine Bilderquelle von höchstem dokumentarischem Wert – waren Reproduktionen auch im Bunkermuseum zu sehen. Das Design-Konzept dieser Schau prägt nun die neuen Tafeln im vorderen Gang des Bunkers: Mit streng gestrafften Texten und eindrücklichen Aufnahmen aus den großen zeithistorischen Archiven machen sie die Chronologie des Luftkriegs augenfällig.
Mit Galgenhumor und Goethes „Erlkönig“
„Diese Präzisierung“, sagt Clemens Heinrichs, „leistet das, was wir sonst bei Führungen getan haben“ – allerdings bislang ohne das dramatische Bildmaterial. Unverändert blieb dagegen das zeitlose Design der transparenten Tafeln im langen Gang zwischen dem Waschraum und dem Technikarsenal für die Belüftung: Sie informieren über die Situation im Bunker, lassen auch auf diesen Tafeln Zeitzeugen sprechen.
An ein trendiges Museums-„Tool“ allerdings lässt sich hinter 1,1 Meter dicken Stahlbetonwänden nicht denken: Um mit QR-Codes weitere Informationen, Bilder oder Filme zu präsentieren, fehlt im Knappenbunker schlicht der Smartphone-Empfang. Dabei finden sich immer noch sprechende Dokumente über die jahrzehntelang vernachlässigte Erinnerung an den Luftkrieg. „Wir haben zwei Gedichte gefunden“, erzählt Claudia Stein: Die von Galgenhumor geprägte Parodie auf Goethes „Erlkönig“ wird natürlich ein weiteres Klang-Exponat dieses 20-jährigen Museums-Unikats.