Oberhausen. Einige der 170 Fotos aus dem Album eines unbekannten Chronisten der Kriegsschäden ergänzen nun die Dauerausstellung im Oberhausener Bunkermuseum.
Anfang des Jahres hatte Clemens Heinrichs seine Entdeckung aus dem noblen Londoner Antiquariat „Peter Harrington Rare Books“ vorgestellt – und der Leiter der Gedenkhalle erkannte: „Da steckt noch eine Menge Arbeit drin.“ 170 Aufnahmen von Bombenschäden des Zweiten Weltkriegs in Oberhausen versammelt das für 2000 Euro erworbene Fotoalbum mit der Aufschrift „Schadensstellen im LS-Ort Oberhausen/Rhld.“ – jedes Bild präzise beschriftet mit Datum, Straßennamen und meist auch einer Schadensbilanz. Das kostbare Album lässt sich nun von Besuchern des Bunkermuseums Alte Heid „aufblättern“.
Scans lassen Aufnahmen von erstaunlicher Qualität erkennen
Das teure Unikat liegt natürlich nicht im Original im klammen Kellergeschoss des heutigen Bürgerzentrums Alte Heid 13 im Knappenviertel. Doch einige der in vielerlei Hinsicht sprechendsten Aufnahmen hat der Leiter von Gedenkhalle und Bunkermuseum vergrößern lassen, um mit ihnen die Dauerausstellung im einstigen Knappenbunker zu ergänzen. Schließlich hatte der Bericht unserer Redaktion über den „Sensationsfund“, wie Clemens Heinrichs selber sagt, großes Interesse an jenen Aufnahmen geweckt, die das Ausmaß der Kriegszerstörungen in bisher nicht gekannter Nähe und Detailfülle dokumentieren. „Ich freue mich, dass dieser Fund soviel auslöst.“
Die neuen Scans aus den kleinformatigen Album-Abzügen lassen Aufnahmen von erstaunlicher Qualität erkennen: Ein Trümmer-Panorama von der Marktstraße lässt durch ein Fenster bis auf den Schutt blicken, der ins Innere der Wohnung gestürzt ist. Und auch die Menschen, die auf den Trümmerhaufen gestiegen sind, macht erst die Vergrößerung auf circa DIN A 3 deutlich. Inzwischen weiß Clemens Heinrichs aus Besuchen im Stadtarchiv, dass dort auch in einem Belegbuch zum Bestand der Glasnegative identische Aufnahmen vorliegen: Gut möglich, dass der gesamte Bilderbestand des Albums dort auch in Negativen vorliegt.
Aufgeschlagene Albumseiten am Waschbeckenrand
Den Besuchern des Bunkermuseums gibt der einstige Waschraum einen Eindruck von der Aufmachung des Fotoalbums: Am Waschbeckenrand entlang dreier Wände sind ganze Albumseiten in Originalgröße reproduziert, inklusive der Kommentare des unbekannten Fotografen. „Mit den Fakten geht der Fotograf ganz sachlich um“, erkannte der Leiter der Gedenkhalle. „Die Bilder sind für sich überzeugend.“ Das Album endet im Oktober 1944. Bis auf zwei Seiten war es gefüllt. „Es ist nicht auszuschließen“, meint Clemens Heinrichs, „dass es ein Fortsetzungsalbum gibt“. Doch ob es 1945 in die Hände jenes Briten geriet, der auf das Vorsatzblatt des ersten Albums schrieb „Wir haben ganz schön reingehauen“ – das wäre Spekulation.
Dem kleinen Team von Gedenkhalle und Bunkermuseum geht es ohnehin um die europäische Perspektive. Darum spricht Clemens Heinrichs von „Heimatfronten“ – und darum fasst er die ausgewählten Vergrößerungen seines Sensationsfundes in eine Chronologie des Bombenkrieges: Und die beginnt mit Warschau, Rotterdam und Coventry – Zielen deutscher Angriffe.
Der letzte Raum zeigt getroffene Bunker
In 13 der 15 bislang leeren Kammern des alten Knappenbunkers hängen nun, knapp beschriftet, jeweils zwei Großformate vis a vis: Aufnahmen aus den Beständen von Bundesarchiv und Imperial War Museum – sowie aus den „Schadensstellen im LS-Ort Oberhausen/Rhld.“ Die Perspektive von Wand zu Wand wechselt jeweils zwischen einer Totalen – oft Luftaufnahmen – und einem Foto, das näher heranrückt an die Zerstörungen.
Der letzte Raum, einst bestückt mit jeweils zwei dreistöckigen Bettgestellen, zeigt getroffene Bunker: Diese „Durchschüsse“ machen deutlich, warum die unteren Bunker-Etagen die begehrten waren. Und warum sie meist von den „Goldfasanen“ belegt wurden – den Kadern und Profiteuren des NS-Regimes, das vor 80 Jahren, am 1. September 1939, den Bombenkrieg losgetreten hatte.