Oberhausen. Immer mehr private Hausbesitzer entdecken, dass sich Solaranlagen finanziell lohnen. Doch der Formularkram verzögert vieles – auch in Oberhausen.
Bei allen mündlichen Bekenntnissen zum Klimaschutz aus der Politik ist das Genehmigungs-und Zulassungsverfahren für private Solaranlagen in Deutschland immer noch eine bürokratische Tortur. Streiter für Lockerungen, Strom leichter umweltfreundlich zu erzeugen, vergleichen den Papier-Aufwand für Privatbürger zugespitzt mit dem Betrieb von Mega-Kraftwerken: „Zählerausstattung, Meldewust, Bürokratie – die werden alle so behandelt, als ob sie ein Kraftwerk anwerfen wollen, dabei wollen sie doch nur ein wenig Strom für sich selbst produzieren.“
Die ärgerliche Erfahrung, wie langwierig sich die Prozesse hinziehen können, hat auch der Oberhausener Hauseigentümer Manfred Funken gemacht. „Ich möchte etwas für die Umwelt tun und versuche seit circa zwei Monaten, eine kleine Photovoltaik-Anlage bei der Oberhausener Netzgesellschaft anzumelden. Das ist wegen deren Arbeitsüberlastung bis heute nicht möglich. So wird Energiesparen blockiert“, ärgert sich Funken, dass er nicht vorankommt.
Private Photovoltaik-Anlage auf dem Dach: Prüfung zieht sich hin
Bei der Energieversorgung Oberhausen (EVO) erfährt man dann auf Nachfrage, dass es tatsächlich nicht genügt, mal eben auf den Knopf zu drücken – und schon fließt der von der Sonne erzeugte Strom ins Netz. Einen ganzen Monat lang zieht es sich in der Regel hin, wenn die Fachleute prüfen, ob alle Papiere vorliegen, die Verordnungen eingehalten werden – und ob die private Solaranlage technisch betrachtet einfach ihren Strom ins Netz einspeisen kann, ohne dass es zu Netzstörungen kommt.
- Verfolgen Sie die aktuelle Entwicklung zum Coronavirus in Oberhausenin unserem Newsblog
- Lesen Sie mehr Geschichten aus Oberhausen
- Oder folgen Sie der WAZ Oberhausen auf Facebook
Selbst wenn der Privatmann oder die Privatfrau es also schafft, alle Unterlagen vollständig und rechtzeitig an die Oberhausener Netzgesellschaft zu liefern, dauert das Verfahren bis zu vier Wochen. Aber nach Erfahrung der Fachabteilung überspringen sehr viele Hauseigentümer diese Hürde nicht auf Anhieb: Bei fast jeder zweiten Anfrage fehlen relevante Unterlagen (Anlagenstammdaten, technische Dokumentationen, Zertifikate). „Da wir die Prüfung auf der Basis der geltenden Verordnungen durchführen müssen, wird hier dann eine Schleife notwendig“, schreibt die Netzgesellschaft auf Anfrage der Redaktion. Und das kostet Zeit.
Solaranlage muss im Register eingetragen werden
Die Verbraucherzentrale NRW hat aufgeschrieben, welche Formalitäten private Solaranlagenbetreiber vor Betrieb des Stromerzeugers erledigen müssen: Erstens muss man die Anlage beim Stromnetzbetreiber zur Prüfung anmelden – das übernimmt oft der Installateur. Der Stromnetzbetreiber ist Ansprechpartner für den Anschluss der Anlage ans Stromnetz. Er nimmt außerdem den Überschussstrom ab und vergütet jede eingespeiste Kilowattstunde nach den Vergütungssätzen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). An den Netzbetreiber muss man bestimmte Daten einmalig und jährlich melden.
Zweitens muss man die Anlage im Marktstammdatenregister anmelden. Die Photovoltaikanlage und – falls vorhanden – der Batteriespeicher trägt die Bundesnetzagentur in ein Register ein. Seit dem 31. Januar 2019 heißt dies Marktstammdatenregister. Meldepflichtig sind die Inbetriebnahme, die Stilllegung, technische Änderungen und ein Betreiberwechsel. Diese Pflicht besteht auch für ältere Anlagen.
In den vergangenen Jahren sind die Anforderungen für private Solarstrombetreiber auch noch viel komplexer geworden – statt dass diese Prozesse entschlackt wurden. „Wir prüfen anhand der eingereichten Unterlagen, ob die Angaben, Datenblätter, Zertifikate, etc. den aktuell geltenden Vorgaben entsprechen, ob die Angaben plausibel sind und ob die Anlage an der gewünschten Örtlichkeit in das öffentliche Versorgungsnetz ohne Beeinträchtigungen einspeisen kann.“
Oberhausener Netzgesellschaft erheblich überlastet
Dass sind aber nicht die einzigen Gründe, warum private Solaranlagenbetreiber wie Manfred Funken in diesen Monaten länger warten müssen – denn vor Ort ist die Oberhausener Netzgesellschaft erheblich überlastet. Die Ursache ist eigentlich erfreulich – immer mehr Bürger entdecken, dass es nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch wirtschaftlicher sein kann, eine eigene Solaranlage zu betreiben, als Strom vom Energiekonzern zu beziehen. Die Stadt unterstützt diesen Trend seit dem vergangenen Jahr auch noch mit einem kleinen Förderbetrag.
Auch interessant
„Wir erleben derzeit eine Flut von Anträgen. In diesem Jahr haben wir bereits rund 40 Anlagen in Betrieb genommen, rund 40 Einspeisezusagen erstellt (Inbetriebnahme steht noch aus) und rund 15 erfolgreiche Prüfungen (Einspeisezusagen noch nicht erstellt) vorgenommen. In dem Status ,In Prüfung’ befinden sich zudem über 80 Anlagen“, geben die Experten der Netzgesellschaft an. Blickt man in die jüngere Vergangenheit, dann entdeckt man einen echten Trendwechsel: Noch vor ein paar Jahren hat die Oberhausener Netzgesellschaft einen jährlichen Zuwachs von nur 50 Stück an neuen Solaranlagen verzeichnet.