Oberhausen. Die Priorisierung für die Corona-Impfungen soll ab Juni fallen. Für Hausärzte ist das ein leeres Versprechen. Sie fordern endlich mehr Impfstoff.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat es vor kurzem verkündet: Ab Montag, 7. Juni 2021, soll die Priorisierung bei den Corona-Impfungen fallen. Nicht nur den Hausärzten in Oberhausen platzt inzwischen der Kragen. Auch vom Hausärzteverband Nordrhein heißt es: „Jetzt muss endlich Schluss sein mit der Politik der unrealistischen Ankündigungen.“ Schon jetzt sei klar: „Das können wir nicht einhalten“, sagt Dr. Peter Kaup, Vorsitzender der Ärztekammer-Kreisstelle Oberhausen.

Natürlich habe jeder ein Recht auf eine Corona-Impfung. „Aber die Priorisierung ist vom Bund vorgegeben worden, weil der Impfstoff so knapp war – und genau das ist er immer noch“, erläutert Kaup. Nur ein Beispiel: „Wir hatten für diese Woche 200 Dosen Astrazeneca bestellt, die am Montag geliefert werden sollten. Tatsächlich aber kamen wieder einmal nur 20 Dosen bei uns an.“

Viele Absagen an Impfwillige erteilt

Vier Mitarbeiter des Praxisteams verbrachten dann den ganzen Tag damit, 180 Patienten eine Absage zu erteilen. „Sie konnten den Menschen noch nicht einmal sagen, wann wir ihre Impfung nachholen können.“ Eben weil Bund und Land sich selten an ihre Zusagen halten. Kaup ist ehrenamtlich in Katastrophengebieten im Einsatz. „Da sind die Folgen einer Naturkatastrophe kalkulierbarer, als das, was Ärzten hier gerade zugemutet wird.“

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In seiner Presseerklärung kritisiert auch der Hausärzteverband Nordrhein: „Bisher ähnelt die Impfkampagne von Bund und Ländern eher einer Irrfahrt als einer strukturierten Aktion zur Bekämpfung der Pandemie.“ Das erzeuge einen enormen Frust – bei Patienten und Medizinern. Denn weder der für alle freigegebene Impfstoff von Astrazeneca werde ausreichend geliefert noch Biontech oder Moderna.

„Faktisch heißt das, wir Ärzte werden zu Verteilern von knappen Lebenschancen“, ärgert sich Kaup. Natürlich kenne er den Großteil seiner Patienten, wisse, wer welche Vorerkrankungen habe. „Aber was bedeutet das schon?“ Ein 47-jähriger Patient sei schwer an Corona erkrankt. „Der Mann war Spitzensportler, kerngesund, hätte ich den jetzt auf meine Liste gesetzt?“ Covid-19 sei unberechenbar. Die Impfung bleibe der einzige sichere Schutz. „Damit wir alle endlich so schnell wie möglich impfen können, brauchen wir aber verflixt noch mal endlich auch Impfstoff für alle.“

Dr. Peter Kaup ist Vorsitzender der Kreisstelle Oberhausen der Ärztekammer Nordrhein und als Allgemeinmediziner in der Sterkrader Gemeinschaftspraxis tätig.
Dr. Peter Kaup ist Vorsitzender der Kreisstelle Oberhausen der Ärztekammer Nordrhein und als Allgemeinmediziner in der Sterkrader Gemeinschaftspraxis tätig. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Unkalkulierbare Fortschritte auch im Oberhausener Impfzentrum

Völlig unkalkulierbar dank schwankender Impfstofflieferungen bleibt auch die Lage im Oberhausener Impfzentrum. Anfang Mai erhielt Leser Björn Gerhold in der Willy-Jürissen-Halle seine erste Impfung. „Ich musste erschreckt feststellen, dass dort nichts los war. Es könnten viel mehr Leute geimpft sein bis zum heutigen Tag.“ Eine gegenteilige Erfahrung machte Leser Dieter Karsjens. Seine Frau hatte am 13. Mai (Christi Himmelfahrt) in der Willy-Jürissen-Halle ihren Termin zur Erstimpfung. „Dort angekommen trafen wir auf eine Menschenschlange vom Eingang der Halle im weiten Bogen über den Parkplatz bis auf die Goebenstraße.“

Dr. Heinrich Vogelsang, Ärztlicher Leiter des Impfzentrums, erklärt: „Wir verimpfen den Impfstoff, den wir erhalten.“ Die Lieferungen seien aber tatsächlich meist unkalkulierbar. „Wir verstehen beim besten Willen nicht, weshalb das nicht klappt.“ Immerhin laufe die Terminvergabe über die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein inzwischen reibungslos. „Aber natürlich orientiert sich die Anzahl der dort buchbaren Termine genau an der Anzahl der vom NRW-Gesundheitsministerium zur Verfügung gestellten Impfdosen.“

NRW steht beim Impfen bundesweit an zweiter Stelle

Nordrhein-Westfalen hat ordentlich auf die Tube gedrückt: Nach Angaben des Impfmonitorings des Robert-Koch-Institutes wurden prozentual die meisten Corona-Impfungen zwar im Saarland durchgeführt.

42,4 Prozent der Einwohner sind dort bereits mindestens einmal geimpft. Mit 40,2 Prozent und insgesamt 9.201.406 Impfungen dicht dahinter folgt aber bereits NRW (Stand 19. Mai 2021).

Das Impfzentrum in Oberhausen ist für rund 1250 Impfungen pro Tag ausgelegt. Am 13. Mai, dem Tag der langen Warteschlangen vor Ort, seien dort aber 1.369 Impfungen erledigt worden, 573 Erstimpfungen und 796 Zweitimpfungen. „Im Durchschnitt wurde alle 32 Sekunden eine Impfung vollzogen“, teilt Stadtsprecher Frank Helling auf Nachfrage dieser Redaktion mit. Deshalb sei es an diesem Tag vorübergehend auch zu einer Schlangenbildung gekommen. „Da viele Menschen sehnlichst auf ihren Impftermin warten, ist die Alternative der kurzfristigen Verschiebung von Erstterminen, um Wartezeiten zu vermeiden, von uns ausgeschlossen worden.“

Am 16. Mai dagegen hat nach Angaben der Stadt bedauerlicherweise das NRW-Gesundheitsministerium dem Impfzentrum dann nur noch insgesamt 510 Dosen zur Verfügung gestellt, am 19. Mai seien es immerhin schon wieder 952 gewesen.

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