Oberhausen. Fast nirgendwo in NRW gibt es im Verhältnis zur Einwohnerzahl so wenige Arztpraxen wie in Oberhausen. Was heißt das für Versorgung und Impftempo?

Fast nirgendwo in Nordrhein-Westfalen gibt es im Verhältnis zur Einwohnerzahl weniger Arztpraxen als in Oberhausen. Das zeigt ein Vergleich des statistischen Landesamts IT NRW zwischen 53 Kommunen und Landkreisen. Demnach kamen im Jahr 2019 in Oberhausen rund 1210 Einwohner auf eine Arztpraxis. Die Stadt liegt damit bei der Zahl der Hausarzt- und Facharztpraxen lediglich auf Rang 50 der Statistik. Was bedeutet das für die ärztliche Versorgung und das Impftempo?

Nur drei Kreise liegen im Ranking noch hinter Oberhausen: Die Kreise Olpe (1381 Einwohner je Praxis), Gütersloh (1280) und Kleve (1240) - also Räume, die weitaus ländlicher sind als das Ruhrgebiet. Nach Angaben der IT-NRW-Statistiker ist die Konzentration von Arztpraxen in städtischen Ballungsräumen in der Regel höher als auf dem Land, weil Praxen in urbanen Gebieten auch einen Teil der Versorgung des Umlandes übernehmen. Oberhausen scheint jedoch eine Ausnahme dieser Regel zu sein.

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Insgesamt gibt es hier 174 Arztpraxen bei rund 210.800 Einwohnern. Landesweit gab es 2019 rund 18.620 Praxen. Damit entfallen im NRW-Schnitt rein rechnerisch 964 Menschen auf jede Arztpraxis - und damit fast 250 Einwohner weniger als in Oberhausen.

Was die geringe Zahl der Arztpraxen für die Gesundheitsversorgung bedeutet

Klar ist: Für die Versorgung ist die Zahl der Praxen nicht entscheidend, vielmehr ist es die Zahl der Ärzte, die ja nicht zwingend immer eine eigene Praxis leiten müssen. „Der Trend geht zu Gemeinschaftspraxen, gerade jüngere Ärzte arbeiten vermehrt in Ärztehäusern oder medizinischen Versorgungszentren“, sagt Christopher Schneider, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KV). Für immer mehr Ärztinnen und Ärzte sei es attraktiver, im Angestelltenverhältnis zu arbeiten. „Es gibt also immer weniger Einzelkämpfer mit eigenen Praxen.“ Eine Oberhausener Besonderheit ist das allerdings nicht.

Mit 118 Hausärzten erreicht Oberhausen einen Versorgungsgrad von rund 103 Prozent. Ein Versorgungsgrad von 100 Prozent gilt als adäquat. Es könnten nach Angaben der KV noch 8,5 weitere Stellen besetzt werden, bevor die Stadt wegen Überversorgung für weitere Zulassungen „gesperrt“ wird. Bei einem Versorgungsgrad von 75 Prozent oder niedriger ist die KV verpflichtet, Maßnahmen gegen Unterversorgung zu ergreifen. Die niedrigste Quote gibt es in Oberhausen bei den Nervenärzten (zirka 95 Prozent), die höchsten Quoten bei den HNO-Ärzten sowie bei den Chirurgen und Orthopäden (zirka 142 Prozent).

Was die Zahl der Arztpraxen für den Impffortschritt in Oberhausen bedeutet

Von einer Unterversorgung lässt sich in Oberhausen also - trotz der vergleichsweise geringen Konzentration von Praxen - nicht sprechen. Ein Blick auf die Zahlen zum Impffortschritt in den Nordrhein-Kommunen legt allerdings nahe, dass die Zahl der Arztpraxen durchaus negative Folgen für den Impffortschritt hat.

In Oberhausener Arztpraxen wurden bislang (Stand 11. Mai) rund 18.300 Menschen erstmalig gegen Corona geimpft. In Krefeld - wo die Zahl der Praxen wesentlich höher ist, aber in etwa so viele Menschen leben wie in Oberhausen - wurden dagegen bereits rund 24.500 Menschen erstgeimpft.

Sonderregion Ruhrgebiet

Das Ruhrgebiet wurde bei der Bedarfsplanung lange als Sonderregion gesehen. Weil die Städte hier so miteinander vernetzt sind und beispielsweise viele Oberhausener auch in Mülheim oder Essen zum Arzt gehen, wurden hier für jede Stadt im Verhältnis zur Bevölkerungszahl weniger Arztstellen geplant als außerhalb des Reviers. Seit 2018 wird die Sonderregelung schrittweise abgebaut.

Die Folgen dieser Sonderregel ist nun möglicherweise auch an der geringen Zahl der Praxen in Oberhausen erkennbar. Dieser Deutung nach hat Oberhausen allerdings mehr unter den Folgen gelitten als seine Nachbarstädte: Essen und Mülheim schneiden in der IT-NRW-Statistik zur Zahl der Praxen nämlich wesentlich besser ab, nur Duisburg liegt auch im unteren Fünftel des Rankings (Platz 47 von 53).

Auch im Vergleich mit Mülheim, wo es im Verhältnis zur Einwohnerzahl ebenfalls wesentlich mehr Arztpraxen gibt, zeigt sich ein Missverhältnis: Dort leben zwar rund 40.000 weniger Menschen als in Oberhausen, dafür wurden in Mülheimer Praxen wesentlich mehr Menschen (23.300) erstgeimpft als in Oberhausen. Aufgrund der unterschiedlichen Einwohnerzahl müsste dies eigentlich andersherum sein - so wie es beim reinen Blick auf den Fortschritt im Impfzentrum auch der Fall ist. In der Willy-Jürissen-Halle wurden nämlich fast 10.000 Menschen mehr erstgeimpft als im Mülheimer Impfzentrum.

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Hinzu kommt: In Oberhausen beteiligen sich noch nicht alle Ärzte, die es könnten, an den Impfungen. Aktuell nehmen 63 von 67 Hausarztpraxen sowie 20 Facharztpraxen (HNO-Ärzte, Lungenärzte, Gastroenterologen) an der Impfkampagne teil. Die KV geht zwar davon aus, dass die Beteiligung der Praxen mit wachsender Impfstoff-Verfügbarkeit noch stark wachsen wird, so wie sie es bereits seit Start der Impfungen in der Praxen kontinuierlich erfolgte. Naheliegend ist allerdings auch: Selbst wenn die Beteiligungsquote in Oberhausen genauso hoch ist wie in anderen Städten, ergibt sich durch die geringere Zahl an Praxen durchaus ein geringeres Impfpotenzial.