Oberhausen. Aufgrund des Astrazeneca-Stopps liegen Impfungen in Oberhausen auf Eis. Was das für den Betrieb des Impfzentrums heißt und was Betroffene denken.

Lehrkräfte, Erzieher, Polizisten: Sie alle hatten diese Woche einen kleinen Befreiungsschlag durch die Astrazeneca-Impfungen in Oberhausen herbeigesehnt. Oberhausenerin Tanja Leve zum Beispiel wäre eigentlich am Mittwoch dran gewesen. Mit einem „mulmigen Gefühl und gleichzeitiger Freude“ hätte die Erzieherin die Impfung angetreten. „Wahrscheinlich“, sagt sie, „hätte ich den Termin auch wahrgenommen, wenn die Thrombose-Gefahr bekannt gewesen und Astrazeneca trotzdem weiter verimpft worden wäre.“ Die Bundesregierung hat bekanntlich anders entschieden.

Wegen sieben Hirnvenen-Thrombosen, die direkt nach Vergabe des Impfstoffes aufgetreten waren, wurden alle Astrazeneca-Termine bis zur weiteren Prüfung der Europäischen Arzneimittel-Agentur ausgesetzt - auch in Oberhausen, wo nun 2500 Termine erst einmal auf Eis gelegt sind.

Caritas-Leiter zum Astrazeneca-Stopp: „Ein schwarzer Tag“

Caritas-Direktor Michael Kreuzfelder spricht von einem „schwarzen Tag“, insbesondere für die Menschen in sozialen Berufen. Die zahlreichen Caritas-Mitarbeiter in den Kitas und ambulanten Diensten seien nun schwer enttäuscht. „Und auch die Eltern hängen ja mit dran“, sagt Kreuzfelder. In der Elternschaft habe man eigentlich auf Ostern hingefiebert, um die Kinder dann wieder bei vollem Umfang von einem vollständig geimpften Erzieherteam lassen zu können.

Auch Dr. Heinrich Vogelsang, Leiter des Oberhausener Impfzentrums, kritisiert die Entscheidung des Bundes: „Es ist eine zu heftige Reaktion gewesen. Man hätte erst ausreichend Daten sammeln und dann reagieren können, statt die gesamte Impfaktion zu verteufeln.“ Durchgelassen werden in der Willy-Jürissen-Halle nun ausschließlich die Oberhausener, die das Vakzin von Biontech/Pfilzer verabreicht bekommen. „Am Donnerstag bleibt das Impfzentrum deswegen direkt ganz geschlossen“, sagt Vogelsang. „Denn donnerstags haben wir aktuell nur Astrazeneca verimpft.“

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In anderen Städten, wie beispielsweise Köln, musste zumindest am Tag des Impfstopps erst einmal kein Bürger nach Hause geschickt werden - 481 potenzielle Astrazeneca-Impflinge erhielten in der Domstadt kurzfristig das Angebot, Biontech gespritzt zu bekommen. In Oberhausen konnte Biontech nicht als Alternative für Astrazeneca angeboten werden, heißt es auf Nachfrage aus dem Rathaus. Dort sei Biontech „konsequent“ in den Pflegeheimen und unter den Oberhausenern über 80 Jahren verwendet worden.

Zweite Dosis: Ambulante Pfleger würden gerne Zugriff auf Biontech bekommen

Ob Astrazeneca nun nach der Prüfung weiter verabreicht werden kann oder nicht: Vogelsang rechnet zum einen damit, dass viele Bürger diesen Impfstoff nicht mehr wollen. Auch glaubt er, dass sich der Beratungsbedarf vor einer Impfung weiter erhöhen wird. „Wenn Astrazeneca dann im April auch in den Praxen geimpft werden soll, wird der Zeitaufwand für die Beratung enorm sein“, meint er. Dies werde die Impfstrategie zusätzlich durcheinanderbringen.

„Ich dachte, ich spinne!“

Auf Facebook berichtet uns eine Nutzerin, wie sie den Astrazeneca-Stopp erlebt hat: „Ich saß gestern mit desinfiziertem Arm in der Impfkabine in Mülheim“, schreibt sie. „Der Arzt hatte die Spritze schon in der Hand, als es hieß: Impfstopp! Ich dachte, ich spinne!“

Über den Impfstoff Astrazeneca wurde schon vor dem Impfstopp aufgrund von Krankmeldungen durch Nebenwirkungen wie Fieber, Übelkeit und Gliederschmerzen diskutiert. Ein anderer Nutzer gibt auf unserer Facebook-Seite an, dass die Betreuung seines Kindes in einer Kita aufgrund von Nebenwirkungen des geimpften Personals derzeit ausfallen müsse.

Die Belegschaften der ambulanten Pflegedienste in Oberhausen wurden in der Regel bereits einmalig mit Astrazeneca geimpft. „Auch bei uns gibt es jetzt viele fragende Gesichter und Unsicherheit“, sagt Stefan Lübbert-Heil, Leiter des Christopherus Pflegedienstes, der eigentlich froh über die hohe Impfbereitschaft und die geringen Nebenwirkungen in seinem Team war. „Während sich manche fragen, ob sie durch die Impfung möglicherweise einen Schaden erlitten haben, fragen andere: Wie komme ich jetzt an die zweite Dosis?“ Allgemein groß wäre die Freude laut Lübbert-Heil allerdings darüber, nun auch als ambulante Pflegekraft zumindest in der zweiten Impfrunde Zugriff auf Biontech zu bekommen.

Studien zu der Frage, ob die Impfstoffe auch kombiniert werden können, laufen derzeit etwa an der Uni Oxford. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hält es für denkbar, dass eine Astrazeneca-Impfung durch eine Nachimpfung mit einem anderen Vakzin aufgebessert werden könnte. Lübbert-Heils Devise heißt deswegen nun erst einmal: „Abwarten!“

Schnelltests an Schulen: Nun der Hoffnungsmacher?

Das Kollegium der Steinbrinkschule in Oberhausen wäre an diesem Mittwoch und Donnerstag mit der Impfung an der Reihe gewesen, wie Schulleiterin Susanne Amrehn berichtet. „Die große Veränderung wird es in der Schule durch die Impfung erst einmal nicht geben, außer die Erleichterung, dass man wohl keinen so schweren Verlauf durchleben muss, falls man erkranken sollte.“ Dennoch habe sie den Impftermin sehnlichst erwartet. „Es hätte uns einfach ein wohligeres, sicheres Gefühl gegeben.“

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Während nun nicht klar ist, wie es mit den Impfungen weitergehen soll, kann Susanne Amrehn zumindest auf die Schnelltests blicken, die nach den Osterferien in ihrer Schule zum Einsatz kommen sollen. Dass diese Tests ein kleiner Ausgleich für die nun ausgesetzten Impfungen sein könnten, glaubt die Schulleiterin nicht. „Eine einmalige Testung in der Woche wird wenig zu einem positiven Sicherheitsgefühl beitragen“, meint sie. Zudem sei überhaupt noch nicht klar, wie die Tests in ihrer Grundschule genau organisiert werden sollen. Dies sei aber ein ganz anderes Kapitel.