Essen. Experten hoffen, dass die Impfungen mit Atsrazeneca in wenigen Tagen wieder beginnen können. Nicht genug Ersatzmittel vorhanden
Mediziner sind besorgt über die Entscheidung der Bundesregierung, die Impfungen mit dem Mittel des britisch-schwedischen Herstellers Astrazeneca vorerst zu stoppen. „Das ist ein herber Rückschlag für das Impfprogramm“, sagte Prof. Ulf Dittmer, Leiter des Virologischen Instituts am Uniklinikum Essen, dieser Redaktion. „Wir haben sofort alle Impftermine am Klinikum absagen müssen.“
Es müsse jetzt sehr schnell geprüft werden, ob die Todesfälle in einem direkten Zusammenhang mit der Impfung stehen, so Dittmer. Ähnlich sieht es Prof. Jörg Timm, Leiter des Instituts für Virologie am Uni-Klinikum Düsseldorf: „Der Impfstoff von Astrazeneca spielt für die Impfstrategie gerade jetzt bei der geplanten Erweiterung der Impfungen durch Hausärzte eine wichtige Rolle. Daher ist die Aussetzung eine schlechte Nachricht. Wichtig ist es, jetzt schnell zu klären, ob die Sicherheitsbedenken tatsächlich begründet sind.“
Sieben Fälle bei 1,6 Millionen Geimpften
In Deutschland wurde bisher 1,6 Millionen Menschen mit dem Mittel geimpft, in sieben Fällen traten seltene Blutgerinnsel (Thrombosen) in Hirnviren auf, drei Personen starben. Dittmer: „Es gibt noch sehr viele offene Fragen, die nun schnellstens untersucht werden müssen. Lag es an einzelnen Chargen des Impfstoffes? Sind bestimmte Personengruppen besonders gefährdet? Gibt es einen kausalen Zusammenhang mit dem Mittel?“
Kaum Ersatz für Astrazeneca
Der Essener Virologe hofft, dass die Impfungen nur für einige wenige Tage ausgesetzt werden müssen und nach einer Prüfung der europäischen Arzneimittelbehörde Ema rasch wieder aufgenommen werden können. Denn es fehle derzeit ausreichend Ersatz für Astrazeneca. Timm betont, dass es einige Zeit dauern werde, bis andere Mittel in größeren Mengen verfügbar seien. Der kurzfristige Ausfall von Astrazeneca würde daher „eine erhebliche Lücke“ hinterlassen.
Richtig, Impfungen vorerst zu stoppen
Dennoch sei es richtig, so Dittmer, die Impfungen so lange zu stoppen, bis Ergebnisse vorliegen. „Das Risiko weiterer Todesfälle darf man nicht eingehen.“ Auch Timm hält das Aussetzen der Impfungen mit diesem Mittel für notwendig: „Sobald ein Verdacht für eine schwere Impfkomplikation im Raum steht, muss natürlich eine Prüfung und Bewertung erfolgen. Daher ist der Schritt für mich nachvollziehbar.“
Auf typische Symptome achten
Der Impfstopp erfolgte vorsorglich, denn bislang ist nicht geklärt, ob die Thrombosen durch die Impfung verursacht wurden oder auch ohne sie aufgetreten wären. Geimpfte sollten daher verstärkt auf mögliche Symptome achten, rät Dittmer. „Typisch sind starke und mehrere Tage anhaltende Kopfschmerzen oder rote Flecken auf der Haut, die von kleinen Einblutungen stammen“, erklärt der Mediziner. Wer solche Symptome bemerkt, sollte umgehend einen Arzt aufsuchen.
Frage der zweiten Dosis
Bei den meisten Menschen, die mit Astrazeneca geimpft wurden, steht die zweite Dosis, die für den vollen Impfschutz sorgt, noch aus. Einige Tage Verzögerung dürften unproblematisch sein, so Dittmer. Zudem laufen britische Studien, die untersuchen, ob eine zweite Impfung notfalls auch mit einem anderen Impfstoff erfolgen könnte.