Oberhausen. Pop-Artist Heiner Meyer schenkte der Ludwiggalerie den Entwurf für die Skulptur „Red Heels“ am Schloss. Die Bildhauerei lässt Funken sprühen.
Die Bildhauer der Pop-Art und Gegenwartskunst sind fein raus – ob sie nun Jeff Koons heißen oder Heiner Meyer. Ein Michelangelo Buonarroti musste noch selbst zu Hammer und Meißel greifen, um vor über 500 Jahren seinen David aus einem Marmorblock zu holen, an dessen fast sechs Tonnen ein Vorgänger verzweifelt war. Heute genügen gewinnende Entwürfe aus dem Atelier. Von der Statik über den Stahlbau bis zur Aufstellung vor dem Schloss Oberhausen übernehmen dann Fachfirmen die Bildhauerei.
Für das rührige Team der Ludwiggalerie ergibt das eine ganze Serie von Geschichten, die es auf seinen Sozialen Medien erzählt, um so auch während des kulturellen Lockdowns im Gespräch zu bleiben. Mag die große Ausstellung „Art about Shoes – von Schnabelschuh bis Sneaker“ perfekt eingerichtet sein, aber noch immer nicht eröffnen können: Den Enthüllungstermin 20. März für Heiner Meyers sechs Meter hoch aufragende „Red Heels“ könnten wohl allenfalls technische Probleme verrücken. Doch danach sieht es nicht aus, so geschmeidig greifen die Gewerke ineinander.
Die Entwürfe hatte Heiner Meyer, der 67-jährige Pop-Artist aus Bielefeld, im Gegenzug für eine Prachtschau seiner virtuosen (Schuh-)Werke der Ludwiggalerie geschenkt. Und Jutta Kruft-Lohrengel, bestens vernetzt als IHK-Präsidentin und zugleich Vorsitzende des Galerie-Freundeskreises, nutzte ihre zahlreichen Kontakte für die handwerkliche bis industrielle Seite dieses strahlend roten Stapels aus Stöckelschuhen.
Die Funken sprühen bei Franken Apparatebau
Denn inzwischen sprühten bereits die Funken bei Franken Apparatebau an der Dorstener Straße: Aus einer drei Zentimeter starken Stahlplatte galt es, rechnergesteuert die Silhouetten von sieben schicken Pumps millimetergenau herauszuschneiden. Diese sind wie überdimensionierte Puzzleteile materialsparend auf der Platte angeordnet – und entsprechen exakt den Vorgaben des Künstlers. Und dass himmelhohe Absätze sich mit Anforderungen der Statik nicht selbstverständlich vertragen, wissen die Trägerinnen rasanter Pumps so gut wie Orthopäden.
Also braucht auch die Kunst mit dem verruchten Hauch von Fetischismus einen promovierten Statiker – in Gestalt von Christoph Diekmann, Chef des gleichnamigen Ingenieurbüros. Denn an der Basis der Skulptur sind, so seine Berechnungen, etwa 2,2 Tonnen Eigengewicht aufzunehmen. Und die sieben topmodischen Bauteile dürfen sich weder durch das Schweißen noch während des Transports verziehen. Jeder der sieben Schuhe hat seine eigene Geometrie – und Dr. Diekmann erkannte: „Dies macht die Ermittlung der Schwerpunkte aufwendig.“ Zum Glück hilft heute leistungsstarke 3D-Modellierungs-Software bei den Berechnungen „für die gesamte Bearbeitungskette“.
Der Ingenieur erkannte: Dieses Projekt stellt echte Ansprüche an sein Metier. Denn bei dem wie eine Stele aufragenden Stiletto-Stapel an Oberhausens Haupteinfahrtsschneise Konrad-Adenauer-Allee sind auch hohe Windlasten einzukalkulieren. „Damit sich eine stabile Gesamtkonstruktion ergibt“, so Christoph Diekmann, „muss die jeweilige Kontaktfläche zwischen zwei Stücken hohen Druck- und Biege-Beanspruchungen standhalten“. Dabei sollen die roten Schuhe sich ja (wie im klassischen Ballettfilm „The Red Shoes“) quasi tänzelnd nur auf kleinster Fläche an Spitze und Absatz berühren – „zum Teil nur punktweise“, so der Statiker.
Drinnen im Schloss 55 mal feinstes Schuh-Werk
Höchste Anforderungen also an die Apparatebauer aus dem Sterkrader Zentrum. Deshalb verbietet sich auch eine Montage am Schloss-Standort, muss das vollendete Werk komplett quer durch Oberhausen transportiert werden. „Die dabei entstehenden Kräfte“, eine weitere anregend-anspruchsvolle Aufgabe für Dr. Diekmann, „müssen ebenfalls durch die Schweißnähte an den Kontaktpunkten sicher übertragen werden“.
Und der Künstler? Heiner Meyer freut sich, dass sein Entwurf der Prüfung durch das Statikbüro standhielt: „Herr Diekmann konnte ihn unverändert belassen.“ Und der Künstler staunt über sich selbst: „Welch starke Präsenz der Schuh in meinen Werken hat“, sagte er dem Galerie-Team, „habe ich tatsächlich erst durch die Ausstellung gemerkt“. 55 mal zeigt die Ludwiggalerie feinstes Schuh-Werk, gemalt vom Künstler.
Seidenglanz-Lackierung für den strahlenden Auftritt
Während zu einem strahlenden Auftritt auf hohen Hacken sonst feinstes Leder gehört, ist dem Pop-Art-Perfektionisten das Stahl-Finish seiner „Red Heels“ wichtig: „Vorgesehen ist eine Lackierung in Seidenglanz“, erklärt Heiner Meyer. „Die bringt eine hohe Brillanz, ist aber nicht direkt spiegelnd.“ Allen Kunst- und Schuh-Verrückten empfiehlt er mehrere Besuche, um die turmhohen Pumps vom 20. März an auch im abendlichen Kunstlicht zu bewundern.
Vor acht Jahren verschwand Keith Harings Achttonner
Verglichen mit dem rund acht Tonnen schweren Vorgänger sind die eleganten „Red Heels“ vor dem Schloss Oberhausen fast ein Leichtgewicht. Elf Jahre freuten sich die Oberhausener an Keith Harings „Head through Belly“ vor dem Schloss.
Umso größer war die Enttäuschung, als die auf einen Wert von drei Millionen Euro geschätzte Skulptur im März 2013 zunächst für eine Ausstellung in Paris abtransportiert wurde. Denn diese Skulptur gehörte nicht der Stadt, sondern einem privaten anonymen Sammler. Nach Oberhausen kam das Haring-Werk 2002 für die Ausstellung „Made in USA“.