Oberhausen. Nachhilfeinstitute haben NRW aufgefordert, Kinder aus armen Familien mehr zu helfen. Denn Oberhausener Lehrer machen schockierende Erfahrungen.

Seit fast einem Jahr lernen die Schüler in Oberhausen vollkommen anders als in Vor-Corona-Zeiten. Das spüren auch die privaten Nachhilfeinstituten in der Stadt. „Ich bin entsetzt darüber, was Schüler, Eltern und auch Lehrer leisten müssen", sagt Ingo Redeker, der den Studienkreis Oberhausen leitet.

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Ob erste oder zwölfte Klasse, ob Gymnasium oder Gesamtschule – Ingo Redeker bekommt auch in der Corona-Zeit viele Sorgen von Schülern und Eltern mit. „Das fing schon im neuen Schuljahr an. In der ersten Stunde hatte ich eine Schülerin weinend am Tisch sitzen, weil sie nichts mehr verstanden hat.“ Das Problem: Nach den Sommerferien hätten die Schulen mit dem vorgesehenen Lehrplan weitergemacht: „Als ob es den ersten Lockdown nicht gegeben hätte. Dafür kommen aber viel zu viele Schüler durch den Distanzunterricht nicht mehr so gut mit. Der Lehrstoff und das Tempo hätten angepasst werden müssen."

Offener Brief an Landesregierung

Deshalb hat sich der Studienkreis zusammen mit dem Gelsenkirchener Anbieter Schülerhilfe, drei weiteren Unternehmen und dem „VNN Bundesverband Nachhilfe- und Nachmittagsschulen e.V.“ in einem offenen Brief an die Bildungs- und Familienminister gewandt. In diesem Schreiben fordern sie nicht ganz ohne Eigennutz eine Zusammenarbeit von Politik und privaten Nachhilfe-Anbietern, um die Folgen des Lockdowns für die Schüler abzufedern. Die öffentlichen Schulen könnten das nicht allein, heißt es in dem Brief. Deshalb schlagen die Unternehmen umfassende Nachhilfe-Förderprogramme für arme Familien vor, die vom Staat derzeit ohnehin unterstützt werden. Solche Förderungen existieren in kleinerem Umfang bereits im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets (BuT).

„Wir sehen, dass Schüler, die in dieses Teilhabepaket fallen, unsere Angebote nun verstärkt anfragen", sagt Redeker. Die Schere zwischen Schülern aus ärmeren und reicheren Familien werde immer größer. „Wer die technische Infrastruktur zu Hause hat, kommt auch besser mit; wem Geräte fehlen oder wer die Sprache noch nicht gut spricht, fällt oft noch weiter ab als bisher schon.“ Die Förderung im BuT sehe vor, dass Schülern ein gewisses Kontingent an Nachhilfestunden kostenlos zur Verfügung steht. Gut die Hälfte seiner Oberhausener Nachhilfeschüler wären Teil des Pakets, schätzt Redeker.

Nachhilfe-Institute sehen mehr Interesse an Angebot

Generell sei durch den Distanzunterricht der Zulauf zu den Nachhilfeinstituten allerdings weniger geworden. Denn auch das Nachhilfeinstitut musste seinen Unterricht in die digitale Welt verlegen. „Es gibt viele Anfragen, allerdings für die Zeit, wo Präsenz-Nachhilfe wieder möglich ist.“ Der Studienkreis-Leiter erklärt sich das so: „Viele Eltern möchten nicht, dass ihr Kind nach dem normalen Schulunterricht noch weitere Stunden vor dem Monitor sitzt, das kann ich verstehen."

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Die Nachhilfeangebote des Abacus-Instituts laufen weiterhin zu großen Teilen bei den Schülern daheim ab. „Da wir eine Einzelbetreuung anbieten, können unsere Lehrer, sofern sie sich wohlfühlen, weiterhin zu den Schülern nach Hause fahren", erzählt Einrichtungsleiter Martin Fresen. Sonst kann die Eins-zu-Eins-Betreuung auch über eine Videokonferenz wahrgenommen werden. Nach den Sommerferien hätte er einen starken Zulauf bei den Anmeldungen gemerkt. „Wie noch nie in diesem Zeitraum", erinnert er sich. „Das lag sicherlich an dem Wunsch, den Stoff aufzuholen. Jetzt sind die Zahlen allerdings wieder rückläufig."

"Schüler merken nicht, wo sie gerade stehen"

Diese Entwicklung erklärt er sich durch die fehlende Rückmeldung durch Klassenarbeiten oder Klausuren. „Die Schüler merken momentan gar nicht, wo sie eigentlich stehen und die Eltern natürlich noch weniger", sagt Fresen. „Wir merken, dass das Interesse an Nachhilfe da ist, aber nur sehr vorsichtig. Einige Eltern haben durch Kurzarbeit oder ähnliches auch gerade nicht die finanziellen Mittel."

Dass es oft an Geld mangelt, ist nicht neu. Aber: „Die Lage spitzt sich zu.“ Umso wichtiger sei eine Möglichkeit für alle Schüler, Nachhilfeangebote annehmen zu können. „Wir sehen ja, dass das Interesse da ist. Daher hoffen wir, dass die Regierung auf unseren Brief reagiert."

>>> Nachhilfe in Oberhausen

Neben Studienkreis und Abacus hat auch die Schülerhilfe einen Sitz in Oberhausen. Meistens wird in Kleingruppen gearbeitet, damit mehr Zeit für individuelle Fragestellungen bleibt.

Das Digital-Angebot der Nachhilfe ist ähnlich strukturiert wie der Distanzunterricht an Schulen; per Videokonferenz und digitalen Materialien werden die Schulinhalte vertieft.

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