Oberhausen. Wie klappt das Lernen auf Distanz in der Praxis? Ein Blick in das virtuelle Klassenzimmer vom Elsa-Brändström-Gymnasium in Oberhausen.

„Sind alle da?“, fragt Melanie Dehne in ihre Videokamera. 15 Schüler der Klasse 6c nicken ihrer Lehrerin auf dem Bildschirm entgegen oder tippen eine positive Rückmeldung in den Chat. Pünktlich um neun Uhr startet die Englischstunde am Elsa-Brändström-Gymnasium – oder eher gesagt in den einzelnen Kinderzimmern.

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Per Videokonferenz wird seit Dezember unterrichtet, der Präsenzunterricht fällt aus. Für Schüler, Eltern und Lehrpersonal ist dies eine erhebliche, nicht zu unterschätzende Belastung. „Anstrengend“, fasst Melanie Dehne die Situation zusammen. „Je nach Jahrgang ist es einfacher. Aber meine achte Klasse ist schon schwieriger zu motivieren, die Kamera anzumachen. Die Pubertät macht auch vor Corona nicht Halt.“

Digitale Tafel ermöglicht Zusammenarbeit von Schüler und Lehrer

Doch bevor es ernst wird, fragt die Lehrerin erst einmal, wie es ihren Schülern geht. „Das ist mir wichtig, weil ich ja nicht mehr so viel von den Schülern mitbekomme.“ Dann geht es los: Die 45-Minuten-Stunde wird größtenteils auf Englisch gehalten.

„Nur wenn es um die Grammatik geht, sprechen wir Deutsch. Manchmal ist die Tonqualität nicht die beste“, erklärt die Lehrerin ihre Vorgehensweise. Heute stehen das Perfekt und unregelmäßige Verben auf dem Plan – zusammen mit ihrer Lehrerin gehen die Schüler die Hausaufgaben durch. In die Konferenz kann Dehne über ihr Tablet Arbeitsblätter projizieren, die sie dann gemeinsam mit den Mädchen und Jungen ausfüllt – quasi eine digitale Tafel.

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Zuhause arbeiten die Kinder mit beschreibbaren Dokumenten auf ihrem Rechner oder ganz klassisch handschriftlich mit ihrem Arbeitsbuch. Rund 60 Schüler haben ein Leihgerät der Schule zu Hause, zahlreiche iPads hatte die Stadt nach Weihnachten an die städtischen Schulen übergeben. Seit dem zweiten Lockdown im Dezember 2020 werden alle 800 Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums aus der Ferne unterrichtet Gerade einmal fünf Kinder und Jugendliche nehmen das Angebot der Notbetreuung wahr.

Konzept für das Lernen aus der Distanz wurde schon im Sommer entwickelt

Tablet und Laptop sind momentan die wichtigsten Arbeitsgeräte für Melanie Dehne. So können Schüler und Lehrer gemeinsam Aufgaben lösen.
Tablet und Laptop sind momentan die wichtigsten Arbeitsgeräte für Melanie Dehne. So können Schüler und Lehrer gemeinsam Aufgaben lösen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Das Konzept für das Lernen auf Distanz am Elsa hat Melanie Dehne entscheidend mitgestaltet. In den Sommerferien wurde es für den Fall der Fälle entwickelt. Jetzt ist das Kollegium dankbar, dass es schon in der Schublade lag, als der zweite Lockdown verkündet wurde. „Im Frühjahr 2020 haben wir mit den unterschiedlichsten Plattformen gearbeitet, das war Chaos für Eltern, Schüler und Lehrer“, erläutert Dehne.

Jetzt sitzt alles Schulwissen und -leben auf der Online-Plattform „iServ“. Hier finden die Schüler sämtliche Materialien, Videokonferenzen, einen personalisierten Kalender und sogar Chat-Möglichkeiten, um mit Lehrern und Mitschülern in Kontakt zu bleiben.

Chatten statt Zettelchen schreiben

Digitale Arbeitsblätter sind auch im Unterricht der Klasse 6c zum Standardprogramm geworden. Die Schüler können sich während der Videokonferenz sogar gegenseitig drannehmen, um die nächste Aufgabe zu lösen. Wer Schwierigkeiten mit dem Mikro hat, nutzt die Chat-Möglichkeit – auch um sich gegenseitig Nachfragen zu stellen oder Hilfe anzubieten. Zettelchen schreiben war gestern.

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Das Distanzlernen am Elsa soll weiter verbessert werden, dafür wurden 600 Schüler, Eltern und Lehrer im Januar befragt. „Die Belastung bei Eltern und Lehrern geht aus den Ergebnissen ganz klar hervor“, sagt Schulleiterin Alice Bienk. „Die Anstrengung, den Schulalltag des Kindes zu strukturieren, Zeiten für Hausaufgaben einzuhalten und parallel selbst noch zu arbeiten, geht an die Substanz. Die Schüler finden das Modell allerdings super und freuen sich, Lehrer und Mitschüler zumindest über die Kamera mal ohne Maske zu sehen.“

Quiz-App rundet die Unterrichtseinheit ab

Das virtuelle Klassenzimmer bringt neue Möglichkeiten. Am Ende der Stunde gibt es für Dehnes 15 Schüler eine Quizrunde: Mit der kostenlosen App „Quizizz“ werden die behandelten Inhalte noch einmal spielerisch vertieft. Jeder, der die App auf dem Handy hat, kann gegen seine Lehrerin antreten. „Aber ihr müsst mir doch helfen“, ruft Melanie Dehne verschmitzt in die Kamera – Lachen der Schüler dringt aus den Lautsprechern. Gewonnen hat die Lehrerin nicht, dafür freut sie sich mit den Schülern. „Keine Hausaufgaben, genießt das Wetter“, teilt sie den Kindern mit. Strahlendes Lächeln beendet die Schulstunde.