Oberhausen. Weder im Rückblick aufs Kinojahr 2020 noch im Ausblick auf ‘21 sieht Lichtburg-Chefin Petra Rockenfeller gute Filme knapp werden – im Gegenteil.

Petra Rockenfeller nennt es „dieses verrückte Kinojahr“; die Theaterleiterin der Lichtburg könnte es aber auch „das halbierte Kinojahr“ nennen: Während sieben von zwölf Monaten durfte der Filmpalast an der Elsässer Straße 2020 öffnen – die Besucherzahl allerdings hat sich weit mehr als halbiert.

Februar 2020: Besucher campieren vor den Ticketschaltern der Berlinale. Als Jurorin für die AG Kino-Gilde sah Petra Rockenfeller in Berlin auch „die ersten Masken“.
Februar 2020: Besucher campieren vor den Ticketschaltern der Berlinale. Als Jurorin für die AG Kino-Gilde sah Petra Rockenfeller in Berlin auch „die ersten Masken“. © AFP | Odd Andersen

„Der Einbruch ist noch viel heftiger“, bestätigt die passionierte Programmmacherin mit der 30-jährigen Kinoerfahrung. Denn die beiden Lockdowns trafen ausgerechnet jene Top-Monate, in denen sich die Filmpaläste traditionell „einen Speckgürtel für den Sommer erarbeiten“, wie Rockenfeller sagt. Und im langen, überaus sonnigen Sommer waren dann die Kinos geöffnet. Das Umsatz-Minus bisher beziffert die Theaterleiterin mit rund 1,2 Millionen Euro. In guten Jahren dagegen erreichte die Lichtburg 160.000 Eintritte.

„Dieses Kino ging schon durch alle Krisenzeiten“, und das gibt Rockenfeller die nötige Zuversicht. Denn die Eigentümerfamilie Pesch werde, dazu passt der trutzige Namen „Lichtburg“, zu ihrem Filmpalast halten: „Wir wären wahrscheinlich das letzte Kino, das in Deutschland geschlossen würde.“ Doch soweit soll es natürlich nicht kommen.

Mindestens so sehr Filmfan wie Geschäftsfrau

Als die Oberhausener Lichtburg-Chefin im Februar die ehrenvolle Aufgabe übernahm, als Jury-Vorsitzende im Internationalen Wettbewerb der 70. Berlinale für die AG Kino-Gilde zu amtieren, war das neue Virus bereits Gesprächsthema. „Man sah die ersten Masken – aber wir fühlten uns noch sicher. Die Berlinale-Organisation hatte das gut im Blick.“ Rückblickend hätte sie niemals damit gerechnet, dass der erste Lockdown „so schnell kommt“. Er kam am 16. März.

Petra Rockenfeller ist ja mindestens so sehr Filmfan wie Geschäftsfrau. Doch am allermeisten vermisst sie in diesen Wochen nicht die seit Monaten hinausgezögerten großen Neustarts: „Ich vermisse den Kontakt zum Publikum, vermisse zu sehen, wie glücklich die Menschen aus den Sälen kommen.“ Und die Theaterleiterin vermisst ihr Team, wenn sie alleine im Lichtburg-Büro dieses Jahr abschließt. Als „Balsam für die Kino-Seele“ empfindet sie die Grüße, mit denen viele Besteller von Gutscheinen „ihr“ Kino zum Durchhalten ermuntern. Tatsächlich allerdings ist der online erzielte Gutschein-Umsatz in diesem Jahr geringer als sonst direkt an der Kasse.

Vermisst die Theaterleiterin auch die groß angekündigten, dann immer wieder verschobenen Filme? Ein entschiedenes „Jein“. Sie vermisse es, „Filme nicht auf der Leinwand zu sehen“. Kein PC-Bildschirm könne das ersetzen. „Und ich vermisse die Festivals“, sagt Petra Rockenfeller, wo sie mit vielen anderen, ganz auf die Filmkunst eingestimmten Menschen besondere Werke sehen und diskutieren konnte.

Filme müssen auf die Kino-Leinwand

Gelassen kommentiert sie dagegen die jüngste Entwicklung, angestoßen vom traditionsreichen Hollywood-Studio Warner Bros., große Produktionen im Streaming-Kanal zu starten. Ein (nun für Oktober 2021 angekündigtes) Werk wie die neue „Dune“-Verfilmung des kanadischen Regisseurs Denis Villeneuve „muss auf die Kino-Leinwand“ (die im Englischen so viel poetischer „Silver Screen“ genannt wird). Doch das Wohl oder Wehe ihres Filmpalastes hänge nicht an diesen Blockbustern.

„Wir hatten in den sieben Monaten über 40 Neustarts.“ Betont korrigiert Petra Rockenfeller den durch etliche Terminverschiebungen der großen Studios entstandenen Eindruck, es gäbe nichts zu sehen. „2021 werden wir einen riesigen Filmstau haben.“ An den Verleih-Konditionen der großen Studios habe sich übrigens in diesem Krisenjahr nichts geändert: „Das wäre fällig.“

Positiv überrascht zeigt sich die Lichtburg-Chefin, dass in der Zeit des kulturellen Lockdowns intensiv über die Bedeutung von Film und Kino diskutiert werde: „Ich habe in 30 Jahren noch nie so viele Berichte über Kino gelesen“ – Analysen und Kommentare, die über die Kritik einzelner Filme weit hinausgehen.

Große Rückkehr-Kampagne wie in Frankreich

„Wir schauen jetzt nach vorne“, sagt Petra Rockenfeller, „und wollen gemeinsam öffnen“. Als im Juni der erste Lockdown ausklang, hatten manche Besucher erst nach 14 Tagen registriert: Die Kinos öffnen ja wieder. Jetzt wollen die drei deutschen Kinoverbände auf ein gemeinsames Datum der Kino-Rückkehr setzen – und der großen Filmnation Frankreich nacheifern: Die hatte das Ende des ersten Lockdowns mit einer großen medialen Kampagne angekündigt. „Das können wir uns ruhig abgucken.“