Oberhausen. Statt auf bundesweite PR-Kampagnen zu warten, tat sich Petra Rockenfeller mit wenigen weiteren Kinos zusammen. So entstand ein anrührender Spot.
Wenn Leinwände ablästern . . . Im Englischen heißen sie ja ungleich poetischer und wohl in Erinnerung an das silbrige Flimmern der Schwarz-Weiß-Ära „Silver Screens“. Doch auch die leeren Kinosäle des jetzt in vielen NRW-Kinos laufenden Spots zeigen sich zauberisch verwandelt: Geisterhaft bleiche Gesichter scheinen sich aus den Leinwänden zu wölben – und rätseln: Wo sind die Menschen hin, die sich hier sonst komische oder dramatische Geschichten zeigen lassen?
Der Trailer „Zurück ins Kino“ läuft natürlich nicht nur in Kinos, das hieße ja Eulen nach Athen tragen, sondern wirbt auch in den sozialen Medien. „Der Witz kommt an“, weiß Petra Rockenfeller von ihrem Publikum. Und zumal bei den Jüngeren findet die Tricktechnik – gekonnt, ohne groß aufzutrumpfen – ihre Bewunderer. Den gewitzten Spot um Verschwörungstheorien und Sehnsucht – „Dein Kino vermisst dich“ – gab nicht etwa eine Großkinokette oder Zentralinstitution der Branche in Auftrag. Man hätte es ahnen können: Die Theaterleiterin der Oberhausener Lichtburg tat sich mit einigen wenigen Kollegen zusammen und fand in Köln eine junge Filmemachertruppe: „Wir haben kein Geld – Ihr habt die Ideen.“
Dennoch sagt Rockenfeller: „Für den Herbst hoffen wir auf eine Kino-Großkampagne.“ Denn noch ist die Zurückhaltung des Publikums für das „mainstreamige Arthouse-Kino“ an der Elsässer Straße 26 schmerzlich spürbar. „Wir betonen am Telefon immer wieder: Es ist gar nicht so kompliziert.“ Und wenn die Filmfans erstmal in den reservierten Sitzen Platz genommen haben und ihre Masken ablegen dürfen, versichert die Lichtburg-Chefin, „haben sie gleich das Gefühl, dass alle Sorgen draußen bleiben“.
Als Erste kamen die Familien zurück
Rockenfeller verweist auf die Luft-Umwälzanlage des Traditionshauses und auf den Hygiene-Standard „eines gut geführten Restaurants“. Und wer kam als Erstes zurück zu den so lange ins Leere blickenden Leinwänden? Nicht nur entschlossene Cineasten, sondern vor allem Familien waren das Gros des Publikums zum Neustart seit dem 18. Juni. „Wir zeigen gerade ein tolles Arthouse-Programm“, sagt die Theaterleiterin. Doch das dafür passende Publikum von 40 bis Mitte 50 vermisst sie besonders. Über die Gründe kann sie nur mutmaßen: Vielleicht weil diese Generation sich um ihre hochbetagten Eltern sorgt und sie keinesfalls gefährden will?
Sie spüre allerdings, „wie sehr Menschen die Kultur vermissen“, sagt Petra Rockenfeller. Weltweit waren die Kinos für drei Monate geschlossen. „Das kann an uns nicht spurlos vorübergehen.“ Die großen internationalen Filmkonzerne – kurz „Hollywood“ genannt – reagierten aus ihrer Sicht zu mutlos: „Sie müssen sich komplett neu aufstellen und halten jetzt große Filme zurück. Dabei könnten sie in Europa starten.“ Die größeren nationalen Verleihfirmen (Zwerge verglichen mit Hollywood) handelten sehr unterschiedlich. So schiebt Constantin fertige Produktionen. „Kreativ“ sind aus Sicht der auch gremienerfahrenen Kinofachfrau die Kleinen am Markt: „Sie sehen die Lücke für ihre Filme.“
In Sorge um das kostbare pädagogische Programm
Trotz dieser Unwägbarkeiten wirkt Petra Rockenfeller, seit 23 Jahren die Programmmacherin der Lichtburg, sehr gelassen – beglückt, dass überhaupt wieder Betrieb ist: „2019 hatten wir trotz des heißen Sommers ein gutes Jahr hinter uns.“ Ihr Team sei hochmotiviert, alle festen Mitarbeiter wieder am Start. Und selbst die studentischen Mini-Jobber, die sie noch vertrösten musste, „wollen alle sofort wieder anfangen“.
Am meisten sorgt sich die Theaterleiterin um den Bestand jenes Vermittlungsprogramms, mit dem die Lichtburg so ein treues junges Publikum gewinnen konnte: „Mit Barney Hanenberg vom Jugendamt haben wir etwas Einzigartiges aufgebaut.“ Jugendkinotage wie in Oberhausen hat längst nicht jede Großstadt. Die kommenden Kinderfilmtage sind bereits auf vier Wochen gestreckt, um Getümmel im Foyer vermeiden zu können. Und es gibt tolle Anlässe für die jüngsten Filmfans, weiß Petra Rockenfeller: „Pippi Langstrumpf wird 75! Und die Ludwiggalerie zeigt eine große Ausstellung zu Otfried Preußler.“ Gerade für das kostbare pädagogische Programm will die Kinochefin noch Gespräche mit der Stadt führen.
Andere Kino-Lobbyisten sorgen sich eher wegen der „langen Bank“, auf der sich derzeit die Blockbuster drängeln. Sie sei „ein grundsätzlich positiver Mensch“, entgegnet Petra Rockenfeller: Sie sieht in diesem Rückstau „die Chance für den deutschen und europäischen Film“.