Oberhausen. Die Corona-Krise hat die Großhandelspreise für Erdgas und Strom an den Börsen stark verbilligt – doch viele Bürger spüren davon nichts.
Obwohl die Corona-Pandemie die Wirtschaftsleistung so sehr ins Tief gezogen hat, dass die Rohöl-, Gas- und Strompreise an den Börsen zumindest zeitweise extrem gefallen sind, profitieren viele Bürger von dieser Verbilligung nicht: Sie müssen für ihre verbrauchte Energie in diesem und im nächsten Jahr wieder mehr zahlen als in früheren Jahren.
Wenn in diesen Tagen Mieter mit Heizöl-Heizung auf Erdgas-Freunde treffen, dann können sich die einen freuen, die anderen dürften sich mächtig ärgern: Die Corona-Krise hat zwar die Heizölpreise in diesem Herbst auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren (Quelle: Check24, RND ) einbrechen lassen, doch dagegen steigen die Erdgas-Kosten bei den meisten unbeirrt weiter. Während der Hauseigentümer 2000 Liter Heizöl für 770 Euro einkauft, also satte 900 Euro weniger als beim letzten Höchststand vor zwei Jahren, so ziehen die Gaspreise für Privatkunden bundesweit nach Ermittlungen des Preisvergleichsportals Verivox ab 1. Januar 2021 sogar um über sieben Prozent an.
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So hat auch der Vorstand der halb städtischen, halb dem RWE-Konzern gehörenden Energieversorgung Oberhausen AG (EVO) entschieden, seinen Gaskunden über sechs Prozent mehr Geld abzuknöpfen. Die EVO begründet dies mit der ab 2021 geltenden neuen bundesweiten Klimaschutz-Abgabe auf fossile Energieträger von einem halben Cent pro Kilowattstunde Erdgas. Diese neue Steuer werde von der EVO wie andere staatlich angeordnete Abgaben weitergegeben.
Großhandelspreise für Erdgas um 40 Prozent gesunken
Und der Einkauf? Die Großhandelspreise für Erdgas an den Börsen sind von ihrem kurzzeitigen Spitzenwert vor zwei Jahren bis Mitte November um über 40 Prozent gefallen. Allerdings: Von ihrem Tiefststand im Sommer 2020 legten sie wieder um die Hälfte zu. Gleichwohl dauert die Phase relativ günstiger Großhandelspreise bereits anderthalb Jahre an – ohne dass dieses Preistief beim Privatmann ankommt .
Dies liegt nach Angaben der EVO daran, dass die Einkäufer zum einen längerfristig laufende Verträge mit den Gaslieferanten abschließen, um die Versorgungslage stetig sicherzustellen. Zum anderen daran, dass sie den Einkauf an der Börse nicht auf einen Schlag tätigen, sondern immer kleine Mengen erwerben, um so Preisschwankungen auszugleichen. „Von diesem vorsichtigen Beschaffungsverfahren haben die Kunden der EVO in der Vergangenheit profitiert. Die aktuelle Phase der niedrigen Preise ist noch nicht lang genug auf einem niedrigen Niveau, um einen wesentlichen Einfluss auf die Endkundenpreise zu nehmen“, versichert EVO-Pressesprecherin Sabine Benter.
Die Verbraucherzentrale NRW hat dagegen in diesem Herbst bei einer Untersuchung der Erdgasanbieter in 20 NRW-Großstädten, darunter auch Oberhausen, festgestellt: Die meisten Unternehmen haben ihre Einnahmen-Spanne in den vergangenen Jahren erhöht – dank billiger Einkaufspreise. Und: Angesichts der schon länger anhaltenden Gas-Billigphase müssten sich nach Meinung der Verbraucherschützer schon längst Effekte für die Endkunden eingestellt haben.
Günstiger Stromeinkauf an der Börse möglich
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Auch Strom konnte von den Energieunternehmen an der Strombörse in diesem Jahr – zumindest sieben Monate lang – erstaunlich günstig eingekauft werden (Quelle: Statista.de). Doch auch bei Elektrizität argumentiert die EVO mit ihrer langfristig angelegten Einkaufspolitik, die kurzfristige Preisausschläge nach oben wie nach unten ausgleicht – zur Planungssicherheit.
So reduziert die EVO ab 1. Januar 2021 zwar geringfügig ihren Strom-Arbeitspreis pro Kilowattstunde um 0,21 Cent – das liegt aber allein daran, dass die Umlage für Öko-Energien (Wind, Solar - EEG) von der Bundesregierung abgesenkt wurde. So zahlt eine dreiköpfige Familie mit einem Jahresverbrauch von 3500 Kilowattstunden mit 1172 Euro im nächsten Jahr nur sieben Euro weniger als 2020.
Zuvor kannten die Strompreise allerdings nur eine Richtung – nach oben: Der Oberhausener Musterhaushalt war vor acht Jahren noch mit 921 Euro dabei und zahlt in diesem Jahr 1179 Euro für seinen EVO-Strom. Das ist ein Anstieg um 258 Euro im Jahr oder 28 Prozent. Bundesweit mussten die Stromkunden innerhalb der vergangenen 20 Jahre 125 Prozent mehr für ihren Strom zahlen – der durchschnittliche Strompreis stieg von 14 Cent/Kilowattstunde auf 31,3 Cent (Quelle: stromvergleich-kwh.de ). Schuld daran hat aber maßgeblich der Gesetzgeber, wie immer wieder EVO-Vorstand Hartmut Gieske beklagte: 70 Prozent des Strompreises besteht aus Gebühren, Abgaben und Steuern .
Darüber regen sich Oberhausener Stromkunden besonders auf
Besonders aufgeregt haben sich EVO-Kunden über die Preispolitik ihres Energieunternehmen s in zwei Jahren: Als die EVO den Strompreis 2013 um fast elf Prozent anhob und als Anfang dieses Jahres zum zweiten Mal hintereinander der Grundpreis je Zähler noch oben geschraubt wurde : 2018 lag diese „Zählergebühr“ für die meisten TOB-Tarif-Stromkunden der EVO noch bei 61 Euro, 2019 wurde er dann auf 85 Euro angehoben und 2020 auf 147 Euro.
Sowohl die Verbraucherzentrale in Oberhausen als auch der Eigentümerverband Haus und Grund bemerkten eine Vielzahl an Beschwerden.
„Wir möchten Sie darüber informieren, dass eine derartig gewaltige Erhöhung seitens der Mitglieder unseres Vereins nicht goutiert wird“, schrieb Geschäftsführer Jochen Schütz betont höflich an den EVO-Vorstand. Durch die Anhebung des Grundpreises werde „die Preissteigerung auf jeden Haushalt mit der Gießkanne verteilt und damit keinerlei Anreize geschaffen, Strom einzusparen“.
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Den Anstieg des Grundpreises je Zähler um das zweieinhalbfache (plus 141 Prozent) begründet die EVO so: „Nach Jahren der Preisanpassungen immer nur beim Arbeitspreis haben wir festgestellt, dass die Preisstruktur sich von der Kostenstruktur entfernt hat. Fixkosten (Grundpreis Netzentgelte, Löhne und Gehälter, IT-Infrastruktur), die sich in den letzten Jahren auch kontinuierlich erhöht haben, sollten nicht mehr über den Arbeitspreis gedeckt werden.“
EVO-Eigentümer wollen Millionen Euro an Ausschüttungen sehen
Es ist allerdings auch kein Geheimnis, dass die Gewinnausschüttungswünsche der EVO-Anteilseigner (RWE-Konzern und Stadt Oberhausen) eine große Rolle bei der Preiskalkulation spielen: Elf Millionen Euro Gewinn soll jährlich die EVO an die Eigentümer ausschütten – und viele Vereine vor Ort warten zudem auf Sponsorengelder.
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Keine leichte Aufgabe bei einem hohen Wettbewerbsdruck, den der Vorstand immer wieder in seinem Geschäftsbericht beklagt: Auf dem Strommarkt konkurriert die EVO mit 274 Anbietern, im Gasbereich sind es 189. Und die Bereitschaft, den Anbieter zu wechseln, ist bei Kunden in den vergangenen Jahren stetig gewachsen.