Oberhausen. In Oberhausen ist das Projekt „Anonyme Spurensicherung“ gestartet: Vergewaltigungsopfer können Verletzungen dokumentieren lassen – ohne Anzeige.
Das Schreckliche ist passiert: Der beste Freund, ein Sportkollege, die Party-Bekanntschaft oder der Unbekannte hat eine Frau vergewaltigt . Menschen, die Opfer einer Sexualstraftat werden, sind danach zumeist in einem Schockzustand, tief verunsichert und nicht nur körperlich verletzt.
In diesem seelischen Ausnahmezustand direkt nach dem Geschehen zur Polizei zu gehen, fällt vielen betroffenen Frauen schwer, wissen die Mitarbeiterinnen der Oberhausener Frauenberatungsstelle . Doch wer erst später Anzeige erstattet, hat meist vor Gericht einen schweren Stand – Aussage steht gegen Aussage, wenn es keine Beweise gibt. Doch diese können Frauen in Oberhausen nun anonym und kostenlos sichern lassen – so dass Polizei und Gerichte später diese Spuren bei einer Ermittlung und in einem etwaigen Verfahren nutzen können, wenn die Frau doch noch ihren Vergewaltiger anzeigt.
Anlaufstelle für die Frauen ist das Evangelische Krankenhaus Oberhausen
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Seit rund zehn Jahren gibt es in Nordrhein-Westfalen das Projekt „Anonyme Spurensicherung“ (ASS) – aber erst jetzt in Oberhausen. Die Frauenberatungsstelle, die Oberhausener Gleichstellungsstelle sowie die Staatsanwaltschaft Duisburg haben das neue Angebot hier aufgebaut. Und, ganz wichtiger Partner: Das Evangelische Krankenhaus Oberhausen (EKO) ist mit im Boot. Hierhin können die Frauen gehen, die Verletzungen und Spuren einer Gewalttat dokumentieren lassen wollen und die medizinische Hilfe brauchen.
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„Einfach zum EKO fahren und an der Pforte nach der anonymen Spurensicherung fragen“, sagt Katharina Runkler von der Frauenberatungsstelle. Die Mitarbeiter des Krankenhauses an der Virchowstraße seien geschult und informiert, was in einem solchen Fall zu tun ist. Auch die Pflegekräfte und Ärzte der gynäkologischen Ambulanz sind wegen des Projekts noch einmal besonders vorbereitet worden, denn die rechtswirksame Sicherstellung von Spuren einer Straftat gehört auch dort nicht zum Tagesgeschäft. Für diese Schulungen sind unter anderem die Fördermittel in Höhe von rund 6970 Euro verwendet worden, die das Land zur Verfügung stellt. Die Leistung selbst kann das EKO abrechnen, dafür gibt es seit kurzer Zeit eine gesetzliche Finanzierung. Was bedeutet, dass das Angebot für Gewaltopfer kostenlos ist.
Nicht duschen, nicht die Kleidung wechseln
Für diese ist es ganz wichtig, wenn die Tat passiert ist: „Schnellstmöglich zum EKO fahren, nicht vorher duschen, nicht die Kleidung wechseln“, erklärt Cornelia Weimer, wie ihre Kollegin Katharina Runkler bei der Frauenberatungsstelle für den Themenbereich sexuelle Gewalt zuständig . Innerhalb eines Zeitraums von 72 Stunden können die Spuren und Verletzungen dokumentiert werden (Sperma, Hautpartikel, Speichel, Hämatome, Würgemale und mehr) und die Frau wird medizinisch versorgt. Bei der Untersuchung können auch mögliche Folgen des Übergriffs (Schwangerschaft, sexuell übertragbare Krankheit) besprochen werden. „Die Untersuchung ist anonym, vertraulich, freiwillig und kostenlos“, betonen die beiden Beraterinnen. Dass sie mögliche Ansprechpartnerinnen für eine nachfolgende Unterstützung sind – auch darüber sollen die Betroffenen im EKO informiert werden.
Spuren werden zehn Jahre im Rechtsmedizinischen Institut aufbewahrt
Wenn die Spuren erst gesichert sind, werden sie zehn Jahre im Institut für Rechtsmedizin in Düsseldorf aufbewahrt und danach vernichtet. Die Aufbewahrung erfolgt ebenfalls anonym mittels eines Codes, bei einer späteren Strafanzeige können die Dokumentationen dann abgerufen werden. Dieses Prozedere ermöglicht es den durch die Tat stark belasteten Frauen, in Ruhe zu überlegen, wie sie sich entscheiden.
Hier finden Betroffene Hilfe
Die Kriminal itätsstatistik der Polizei weist für Oberhausen für 2019 einen leichten Anstieg bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung aus. Demnach hat es 2019 elf Anzeigen mehr gegeben als 2018 (2018: 146; 2019: 157). Im Jahr 2019 wurden insgesamt 15 Vergewaltigungen zur Anzeige gebracht, das sind zwei weniger als im Jahr davor. Die Aufklärungsquote betrug 86,67 Prozent.
Die Mitarbeiterinnen der Frauenberatungsstelle gehen bezüglich dieser Straftaten von einer großen Dunkelziffer aus. Betroffene finden bei der Einrichtung an der Helmholtzstraße 48 Unterstützung (Kontakt: 0208-209707 ; info@fbst-ob.de).
Dabei ist Katharina Runkler und Cornelia Weimer auch dies wichtig: Das neue Angebot sei nicht dazu da, Anzeigen oder den Gang zur Polizei zu verhindern. „Aber die Frauen sollten wissen, worauf sie sich einlassen, abwägen dürfen, sich beraten lassen können und vor allem eine medizinische Sofort-Versorgung erhalten“, sagt Runkler. Diese Zeit verschaffe die anonyme Spurensicherung den Frauen, so dass sie einen passenden Entschluss fassen können. Denn auch, wenn die Erstattung einer Anzeige freiwillig ist: Wenn die Polizei erst von der möglichen Straftat weiß, gibt es kein Zurück mehr. Für die Mitarbeiterinnen der Frauenberatungsstelle steht die gute Versorgung der Frauen im Vordergrund. „Ob sich ein Trauma nach einem solchen Erlebnis ausbildet, hängt von vielen Faktoren ab, aber auch davon, wie der Umgang mit den Frauen nach der Tat ist, wie das Umfeld reagiert, wie die Situation bei der Polizei erlebt wird“, sagt Katharina Runkler.