Oberhausen. Doris Beckmann will als Verwaltungsdirektorin nicht nur verwalten: Die 50-Jährige, einst SBB-Strategin, weiß, worin sich Bahn und Bühne gleichen.

Doris Beckmann kann sehr überzeugend die Schweizerischen Bundesbahnen mit einem Bühnenbetrieb vergleichen – und nicht nur weil „Fahrplan“ und „Spielplan“ sich klanglich so nahe sind. Beide benötigen eine ausgefeilte Infrastruktur, „die auf den Punkt funktioniert“. Beide brauchen ein zeitgemäßes Ticketing – und das Beschwerde-Management muss auch stimmen.

Es sind halt nicht nur die Finanzen, die den neuen Beruf der Verwaltungsdirektorin des Theaters Oberhausen ausmachen. Im August hat Doris Beckmann die Nachfolge von Jürgen Hennemann angetreten, nach fünf Jahren als Leiterin der Verkaufsabteilung am Württembergischen Staatstheater. Aber die 50-jährige Betriebswirtin mit dem ganz leichten schwäbischen Akzent war eben auch schon Konzernstrategin bei der SBB, deren Fahrpläne bis heute wie das sprichwörtliche Schweizer Uhrwerk im Takt bleiben – anders als in der ÖPNV-Notstandszone Ruhrgebiet. Taktvoll spricht Beckmann von den „geografischen Vorteilen“ der SBB. Aber sie habe auch gelernt, „wie gute Strukturen ineinander greifen“.

Glanzvoll, aber sanierungsbedürftig: Das hell erleuchtete Opernhaus in Stuttgart. Am Württembergischen Staatstheater leitete Doris Beckmann seit 2015 die Verkaufsabteilung.
Glanzvoll, aber sanierungsbedürftig: Das hell erleuchtete Opernhaus in Stuttgart. Am Württembergischen Staatstheater leitete Doris Beckmann seit 2015 die Verkaufsabteilung. © dpa | Bernd Weissbrod

Das Kulturleben war zunächst eine Passion in ihrer Freizeit. „Ich habe aus dem Hobby einen Beruf gemacht.“ Das Ehrenamt als Vorsitzende der John-Cranko-Gesellschaft, benannt nach dem Choreographen und Vater des „Stuttgarter Ballettwunders“, gestaltete Doris Beckmann während einer zweijährigen Elternzeit „wie einen Teilzeitjob“. Kultur lässt sich nicht bloß „verwalten“ – auch wenn ihr aktueller Direktorinnenjob so heißt. Dass sie ambitioniert gestalten will, macht Beckmann im Gespräch mit Elan deutlich.

„Kann es ein Theater-Netflix geben?“

Da ist eben nicht nur die wortwörtliche Baustelle auf der Bühne des Großen Hauses. Das Theater Oberhausen sollte sich auch dem demografischen Wandel stellen, ebenso wie den Anforderungen an die Digitalisierung. „Kann es ein Theater-Netflix geben?“, fragt Doris Beckmann. Und was bliebe dann von „diesen ganz kostbaren Momenten“ des Live-Erlebnisses? Während der Wochen des Lockdowns hatte sie selbst sich durch viele Homepages geklickt und etliche Podcasts gehört – und spricht voller Hochachtung vom neuen Live-Format, das die Oberhausener so flott mit den „Prinzessinnendramen“ in ihre Stadt brachten: Der „große Apparat“ des Staatstheaters in Stuttgart war längst nicht so schnell.

Schauspiel im Schaufenster mit Lise Wolle als „Schneewittchen“: Doris Beckmann war beeindruckt von den Hörspaziergängen, die ein Live-Erlebnis in die Lockdown-verstummte Stadt brachten.
Schauspiel im Schaufenster mit Lise Wolle als „Schneewittchen“: Doris Beckmann war beeindruckt von den Hörspaziergängen, die ein Live-Erlebnis in die Lockdown-verstummte Stadt brachten. © Theater Oberhausen | Isabel Machado Rios

„Abstand ist die neue Höflichkeit.“ Das mag am Flair eines Theaterabends nagen, doch künstlerisch, weiß die neue Verwaltungsdirektorin, „lässt es sich mit Bravour lösen“. Was die Abläufe für die Zuschauer – und deren Anzahl – betrifft, werde man „sehr vorsichtig auf Sicht fahren“: Das Theater soll keineswegs zu einem Infektions-Hotspot werden.

Die „Pioniere“ bereiten den Erfolg vor

In Stuttgart kosten gute Premieren-Karten fürs Schauspiel 42 Euro, in Oberhausen maximal 32 Euro. „Der Preis ist ein Signal“, sagt Doris Beckmann, dass dieses Theater für alle Oberhausener da sein will. Die Politik akzeptiere „durch alle Fraktionen“, dass dies einen hohen Zuschussbedarf bedeutet. „Wir machen ein umfassendes Angebot für Kindergärten und Schulen“ – auch so sichere sich das Theater Zukunftschancen. Die im Kulturausschuss vorgestellte Jugendstudie will sich die Verwaltungsdirektorin noch genauer vornehmen. Immerhin kennen 90 Prozent der befragten 15-Jährigen das Theater.

Erfahrung mit sieben Intendanten in Stuttgart

„Bei vielen Theatern geht es an die Substanz“, weiß Doris Beckmann – und meint den Sanierungsstau, den sie auch vom Württembergischen Staatstheater aus eigener Anschauung kennt. In Stuttgart erlebte sie in fünf Jahren als Leiterin der Verkaufsabteilung sieben Intendanten – einen für jede der drei Sparten plus Verwaltungschef.

Auch in Oberhausen bleibt „die Wunschliste“ lang, selbst nach der überfälligen Sanierung der Obermaschinerie. Als dringlich bewertet die neue Verwaltungsdirektorin die „digitale Ertüchtigung“. Die Bestandsaufnahme läuft, die Suche nach Fördermitteln soll schnell folgen, damit das Theater auch für „neue Streaming-Formate“ gerüstet ist.

Rechtzeitig zum Start der Spielzeit 2020/21 verfügt das Große Haus nun über eine Klimaanlage, die mit Frischluft arbeitet: eine weitere Beruhigung für Corona-besorgte Theaterfans.

„Es hat in hundert Jahren viele Wendungen genommen.“ Mit der neuen Finanzchefin soll es „wandlungsfähig bleiben“ – auch über die Intendanz von Florian Fiedler hinaus. „Die Pioniere“, wie Doris Beckmann sagt, haben nicht selbst den Erfolg – aber bereiten ihn vor. So freue sie sich auf „Konstanz und Aufbauarbeit“. Und sie ist überzeugt, dass Errungenschaften der Fiedler-Jahre schon bald als „Assets“ geschätzt werden: Sei es die Theaterfaktorei oder das Bemühen um Diversität. „Den Übergang werden wir gut gestalten.“