Oberhausen. Corona bedeutet einen Einschnitt für Schulen. Welche Lehren das Bildungssystem aus der Krise ziehen sollte, sagen Oberhausener Schulpolitiker.
Während sich die Schulen aktuell mit hohem organisatorischen Aufwand unter Corona-Bedingungen bis zum Ferienstart am 26. Juni 2020 durchkämpfen, ziehen die Schulpolitiker der Oberhausener Ratsfraktionen eine Zwischenbilanz. Wird und sollte die Pandemie die Schulen künftig verändern?
Corona habe wie unter einem Brennglas überdeutlich gezeigt, was im Schulsystem auch vorher schon nicht gut ist, meint Regina Boos, für die Freien Demokraten im Schulausschuss. „Die Klassen sind zu groß, die Räume zu klein und es gibt zu wenige Lehrer.“ Als Liberale springt sie allerdings Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) bei: All die Probleme ließen sich nicht von heute auf morgen lösen, „aber es tut sich ja was“.
Zufrieden ist Oberhausens Schulausschuss-Vorsitzender Wolfgang Große Brömer (SPD) damit nicht. „Wir müssen viel mehr in Bildung investieren als wir es bisher getan haben“, sagt der langjährige SPD-Ratsfraktionschef und frühere SPD-Landtagsabgeordnete Richtung Bund und Land – trotz drohender Haushaltsdefizite. Aber auch mit Blick auf die Oberhausener Schulverwaltung, als Schulträger zuständig für die Schulgebäude und deren Ausstattung, fordert Große Brömer: Es müsse mehr Geld in die Schulen gesteckt werden. Und er mahnt bei den Budgets für die Schulen Transparenz an, die es bisher nicht gebe. Die Schulen wüssten nicht, was ihnen für die Ausstattung zustehe. Und: Wenn Geld verteilt werde, „bekommt es häufig die Schule, die am lautesten schreit“.
Zeit für eine Defizitanalyse
Investitionen in die schulische Infrastruktur hingen in Oberhausen aber völlig davon ab, „wie Bund und Land künftig die Kommunalfinanzen regeln“, meint Große Brömer – ob es etwa einen zweiten Stärkungspakt gebe oder ob die hochverschuldeten Städte von ihren finanziellen Altlasten befreit würden. Im Bildungssystem dürfe nach Corona nicht alles so weiterlaufen wie bisher. „Die Schulen und auch die Stadtverwaltung sollten genau analysieren, welche Defizite deutlich geworden sind.“
Dabei würde es nicht nur auf die digitale Kompetenz aller Beteiligten ankommen, sondern auch auf die Fähigkeit der Schüler zum selbstständigen Lernen. Nach wie vor würden Schüler vielfach im Unterricht nicht darauf vorbereitet, aber Große Brömer ist sicher: „Kinder, die das nicht gelernt haben, werden die großen Verlierer sein.“
Zudem hätten Bund und Land den Digitalpakt für die Schulen „versaubeutelt“: Zuerst sei zu langwierig verhandelt worden, nun hake die Umsetzung, „das hat uns jetzt schmerzlich eingeholt“.
Grüne: Schulen sind nicht zukunftsfähig
Abgehängt beim Punkt Digitalisierung sieht auch Ratsherr Andreas Blanke die Schüler – nicht nur in Oberhausen, sondern insgesamt in Deutschland. „Unsere Schulen sind nicht zukunftsfähig, die Digitalisierung kommt zu spät, das ist durch Corona klar geworden“, sagt der Grünen-Fraktionschef. Er warnt vor „Insellösungen“ und „Flickschusterei“ und fordert eine einheitliche Infrastruktur: Geräte, Glasfaserausbau, Betriebssysteme, Anschlüsse. Die Lösung könne auch nicht lauten, „wir geben jetzt jedem Kind ein Tablet und damit ist alles geheilt“, das sei zu kurz gesprungen. „Die Stadt muss eine nachhaltige Planung zu digitalen Medien auf den Tisch legen.“
Blanke vermisst den politischen Willen in Oberhausen, das Nötige zu tun: „Digitalisierung ist keine Kür mehr, sondern Pflicht für alle“, dafür müssten die Kommunen als Schulträger aber finanziell ausreichend ausgestattet werden. „Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“. Die beinhalte auch die digitale Fortbildung von Lehrern: „Viele Schüler sind ja technisch fitter als so mancher Lehrer.“
CDU: Lernen auf Distanz anstrengend
Was Andreas Blanke „improvisierte Zwangsdigitalisierung über Nacht“ durch Corona nennt, wertet Simone Tatjana Stehr als Schub für die Digitalisierung. Die CDU-Ratsfraktionschefin und Leiterin des Seminars für Lehrerausbildung in Oberhausen findet es positiv, dass so in recht kurzer Zeit vieles angestoßen wurde, „was wir nicht mit Hunderten von Fortbildungen erreicht hätten“.
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Gleichzeitig betont die Bildungsfachfrau, wie anstrengend ein solches Lehren und Lernen auf Distanz ist: Die ganze Didaktik, also die Art der Wissensvermittlung, müsse umgestellt werden – was da geht, sei vom Schülerklientel und der Schule abhängig. Corona habe zwar deutlich gemacht, dass es „handhabbare Alternativen gibt, die gut funktionieren“, sagt Stehr, aber das ersetze nicht den Unterricht in der Schule, die Begegnung mit Schülern. „Auf Dauer gehen dabei Bildungsinhalte verloren – und auch das Soziale.“
Linke fordern neue Schulen
Die Oberhausener Linken finden, dass bei den Schulen schon vor Corona „vieles lange schlecht lief in Oberhausen“. Weshalb ein „Weiter so“ völlig falsch sei. Die Partei fordert mehr Raumkapazitäten zu schaffen, indem neue Schulen gegründet werden. Um das Betreuungsverhältnis zu verbessern (Zahl der Schüler pro Lehrkraft) sollten mehr Lehrer eingestellt werden (wofür das Land zuständig ist).
Der offene Ganztag an Grundschulen soll nach dem Willen der Linken qualitativ und quantitativ ausgebaut werden. Technische Geräte, die für den Unterricht erforderlich sind, sind nach Auffassung der Linken Lernmittel und sollten im Rahmen der Lernmittelfreiheit allen Schülern kostenlos übergeben werden, „damit jede und jeder die gleichen Lernmöglichkeiten hat – unabhängig vom Geldbeutel der Eltern“. Land und Kommunen seien deshalb aufgefordert, zügig Lösungen zur Umsetzung zu entwickeln, damit individuelle Notlösungen bald ein Ende fänden.
Dennoch fordert auch Stehr Kinder mit digitalem Know-how auszustatten, nicht nur mit digitaler Technik, damit effizientes Lernen überhaupt möglich ist. Das sei aber nicht die Aufgabe des Schulträgers. Oberhausen habe viel zu spät mit dem klugen Gestalten von modernen Schulgebäuden begonnen: „Das lag lange brach.“ Es fehlten Konzepte zur schulischen Infrastruktur für den Fall, das Geld zur Verfügung steht. Dies zu ändern, „ist ein Prozess“.