Oberhausen. Oberhausen: Die Ideen der Menschen im betreuten Wohnheim Sterkrade sind keine Luftschlösser: Sie wollen mehr Empathie im Verkehr und Mitsprache.

Fein säuberlich hat er alles notiert, alles handschriftlich, alles akkurat. Sascha Schubert hat sich gründlich Gedanken um seine neue Heimat Oberhausen gemacht; dabei wohnt der Thüringer erst seit November im betreuten Wohnheim für behinderte Menschen an der Lübecker Straße in Sterkrade. Doch diese kurze Zeit reicht ihm aus, um auf mehreren linierten Seiten seine Ideen für ein besseres Oberhausen aufzuschreiben. Das Wichtigste formuliert er spontan mündlich: „Politiker sollten sinnvolle Vorschläge so schnell wie es geht anfangen – und zu Ende bringen.“

Antje Schröder, Alexandra Niehls und Ina Schulz hören Sascha Schuberts Ideen gebannt zu.
Antje Schröder, Alexandra Niehls und Ina Schulz hören Sascha Schuberts Ideen gebannt zu. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Auf Menschen wie Sascha Schubert hat die Essener Brost-Stiftung sicherlich gesetzt, als sie alle Oberhausener Bürger aufrief, ihre Ideen für eine bessere Heimatstadt loszuwerden. Elf Kneipengespräche sind seit Januar in elf Stadtteilen gelaufen und 280 Ideen so übers Netz auf der Seite ruhrgebietbessermachen.de eingegangen. Weil allerdings nicht jeder an den Kneipengesprächen teilnehmen kann/darf/will, besuchen die Moderatoren Schulen und nun auch das Wohnheim für behinderte Menschen.

Im Erdgeschoss des Hauses knobeln die Bewohner sonst oder spielen Karten. An diesem Nachmittag aber sitzen sie gespannt zusammen am orangefarben Tisch. „Wir wollen eure Ideen“, sagt Projektreferentin Jasmin Sandhaus und blickt in die Runde. Es dauert nur Augenblicke, dann beginnt Bewohnerin Ina Schulz zu erzählen.

Die Stoag kommt bei den Bewohnern nicht gut weg

Sie beschreibt den Alltag behinderter Menschen in den Bussen der Stoag, spricht von unfreundlichen Busfahrern, unpünktlichen Bussen, dem kaputten Aufzug am Sterkrader Bahnhof und Autos in der Sterkrader Innenstadt. „Ich wünsche mir mehr Kontrollen durch die Polizei. Viele Autofahrer ignorieren das Fahrverbot und kaum einer fährt dort Schritttempo.“

Sauberer könne ihre Stadt insgesamt sein, das finden alle Bewohner. Die Bushaltestelle an der Sterkrader Mitte, an der Ina Schulz ständig umsteigt, sei stark verdreckt. „Die Leute schmeißen ihre Zigaretten immer auf den Boden.“ Manche entsorgten sogar ihren Hausmüll über die öffentlichen Mülleimer, berichtet Sascha Schubert. Das soll strenger durch Geldstrafen geahndet werden, findet er. Der Alltag für behinderte Menschen ist ein anderer als für nichtbehinderte Menschen und Antje Schröder hat als Leiterin des Hauses auch Verbesserungsvorschläge für das Leben ihrer Mieter.

Bessere Fußwege und automatische Türen erleichtern das Leben

„Die Fußwege müssten dringend verbessert werden, denn oft kommt man die Bordsteinkante mit dem Rollstuhl nicht rauf. Bei Apotheken und Ärzten sollten Automatiktüren gebaut werden, damit behinderte Menschen allein hineinkommen.“ Die Verbesserungen klingen logisch und nachvollziehbar, wenn man sich kurz in die Lage eines behinderten Menschen versetzt.

Diskussionsfreudig und ideenreich: Die Bewohner Horst Ehm, Christian Luck, Antje Schröder (Leiterin), Alexandra Niehls (Ideenbotschafterin) Ina Schulz und Sascha Schubert.
Diskussionsfreudig und ideenreich: Die Bewohner Horst Ehm, Christian Luck, Antje Schröder (Leiterin), Alexandra Niehls (Ideenbotschafterin) Ina Schulz und Sascha Schubert. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Etwa die längeren Grünphasen für Fußgänger, die Ina Schulz gerne in Oberhausen hätte. Oder die automatischen Rampen an allen Bussen für den Nahverkehr. Die genervten Blicke der Busfahrer beim manuellen Betrieb seien sogar nur das kleinste Problem von Rollstuhlfahrern.

Bewohner Horst Ehm kenne behinderte Menschen im Rollstuhl, die gar nicht erst mitgenommen werden. „Dann fährt der Bus einfach vorbei oder der Busfahrer sagt, dass er keinen Platz mehr hat.“ Eine elektrische Anzeige an jeder Bushaltestelle würde zudem Menschen helfen, die kaum lesen können, ergänzt Ina Schulz.

Eine Einladung für den Oberbürgermeister

Die Probleme sind nahezu dieselben, wie sie in den Kneipengesprächen geäußert wurden“, sagt Jasmin Sandhaus von der Brost-Stiftung. Verkehr, Sauberkeit, Sicherheit: Das alles sei stets Thema gewesen, wenn sie Bürger befragt. Die Perspektive behinderter Mensch sei aber trotzdem eine andere.

Fleißig Klicken für ein besseres Oberhausen

Alle Ideen stehen auf der Internetseite von ruhrgebietbessermachen.de zur Auswahl. Jeder kann mit einem Klick zwischen zwei Ideen aus einer Kategorie entscheiden, welche er besser, sinnvoller oder realistischer findet. Klicken kann man so lang, wie man möchte – mehrere Runden sind möglich. Alle Ideen werden in unterschiedlicher Abfolge den Teilnehmern gleich häufig gezeigt. Das finale Ranking ergibt sich bis Mittwoch, 25. März. Dann endet die Abstimmung.

Jeder Oberhausener kann sich zur Ideenwerkstatt am Mittwoch, 1. April, im Zentrum Altenberg anmelden – die Debatte läuft von 18.45 Uhr bis 21.15 an der Hansastraße 20. Die Anmeldung ist wiederum direkt auf der Homepage des Brost-Projektes unter dem Button „An einer Ideenwerkstatt teilnehmen“ möglich: https://ruhrgebietbessermachen.de/.

„Was würdet ihr denn den Oberbürgermeister fragen, wenn er hier wäre“, versucht Leiterin Antje Schröder die Gruppe zu animieren. „Der Daniel Schranz kann gerne mal vorbeikommen“, antwortet Ina Schulz salopp für die gesamte Gruppe. Eine andere Einladung sollte jedoch jeder Politiker ausprobieren, betont Mitbewohner Sascha Schubert. „Sie müssten einfach mal selbst mit dem Rollator über die Straße gehen.“