Oberhausen. Im Interview blickt „Fridays for Future Oberhausen“ auf das vergangene Jahr zurück und erklärt, warum es auch 2020 laute Klimaproteste gibt.

Seit nunmehr einem Jahr protestieren Schülerinnen und Schüler auch in Oberhausen für eine bessere Klimaschutzpolitik – und finden tausende Unterstützer. Am heutigen Freitag, 7. Februar, feiert die Ortsgruppe von Fridays for Future ihr Jubiläum mit einer Demonstration am Hauptbahnhof. Jason Michalek (15), Julien Krasniqi (15) und Lion Rudi (18) blicken im Interview mit Redakteur Sebastian Hetheier auf die Klima-Proteste 2019 zurück und erklären, warum sie 2020 lautstark weitermachen.

Sie haben es in Oberhausen geschafft, dass Tausende Menschen auf die Straßen gehen und sich für den Klimaschutz einsetzen. Was war für Sie der größte Erfolg im vergangenen Jahr?

Lion Rudi: Einer der größten Erfolge war Ende September die Demonstration mit 2000 Menschen. Das war für alle Beteiligten ein ganzes Stück Arbeit. Außerdem haben wir mit der Elterninitiative Parents for Future zwei Bürgeranträge bei der Stadt eingereicht. Zwar wurde der eine zum Klimanotstand abgelehnt. Der andere bezog sich auf die Entwicklung eines klimafreundlichen Beschaffungsplans und wurde angenommen.

Jason Michalek: Für mich war die allererste Demo im Februar ein absoluter Höhepunkt. Wir haben die von heute auf morgen aus dem Boden gestampft. Zum Start der Bewegung in Oberhausen war das eine wichtige Bestätigung, dass wir hier einen Nerv treffen.

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Nun feiern Sie das einjährige Bestehen Ihrer Ortsgruppe. Hätten Sie damals gedacht, dass Fridays for Future so lange durchhält?

Lion Rudi: Ich bin ehrlicherweise davon ausgegangen, dass sich das nach sechs Monaten legt. Dies hat sich zum Glück nicht bewahrheitet.

Jason Michalek: Dass sich die Bewegung so entwickeln würde und wir das Thema Klimaschutz so lange besetzen können, hätte ich auch nicht gedacht. Die Teilnehmerzahl unserer Bewegung hat sich im März bereits vervierfacht, das war erstaunlich. Es gab es aber ein großes Sommerloch. Nach der Sommerpause haben wir es dann aber wieder geschafft – gerade durch den Klimastreiktag im September. Da die Medien viel berichteten und wir Unterstützung von Parents und Scientists for Future sowie von den Gewerkschaften erhalten haben, hatten wir noch einmal richtig Zulauf. Das war überhaupt nicht abzusehen.

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Es gibt nach wie vor Menschen, die den Klimawandel leugnen. Was entgegnen Sie solchen Leuten?

Lion Rudi: Ich versuche es erst immer mit Fakten. Und wenn dann Kritik an Fridays for Future kommt, wir Schüler hätten keine Ahnung und sollten lieber mal die Profis ranlassen, dann verweise ich auf Parents und Scientists for Future. Die Wissenschaft und auch die meisten Erwachsenen stehen hinter uns. Aber viele Menschen sind einfach unbelehrbar.

Fridays for Future wird ja vorgeworfen, dass das Thema Klimawandel zu sehr dramatisiert wird. Wie gehen Sie damit um?

Lion Rudi: Die Wissenschaft bestätigt ja, dass die Folgen des Klimawandels so drastisch sein können, wie wir sie darstellen. Von daher verstehe ich den Vorwurf nicht.

Jason Michalek: Ich habe durch viele Gespräche und Vorträge in der letzten Zeit gelernt, dass eine Argumentation mit Fakten nicht automatisch die beste ist. Zwar müssten die meisten Klimafakten an sich schon erdrückend und gewichtig genug sein, doch das Thema zu emotionalisieren und auf das alltägliche Leben der Menschen zu beziehen, entfaltet nochmal eine ganz andere Wirkung.

Viele Menschen wollen etwas gegen den Klimawandel tun, die Mehrheit fürchtet aber Verbote oder kann sich zu einem persönlichen Verzicht nicht durchringen. Sie selbst haben mal gesagt, dass Klimawandel nicht gleich Verzicht bedeutet. Sehen Sie das jetzt noch genauso?

Jason Michalek: Ich persönlich sehe das so. Darauf zu kommen, dass man nichts mehr machen darf, das halte ich nicht für die Lösung des Problems. Das Fliegen wird total verteufelt. Sobald du mit dem Flugzeug irgendwo hinfliegst, wirst du als Klimasünder schlechthin bezeichnet. Das halte ich für falsch.

Lion Rudi: Ich sehe das etwas anders. Keiner kann leugnen, dass es hier und da Dinge geben wird, auf die wir verzichten müssen. Es wird darum gehen, Alternativen zu schaffen. Wenn wir jetzt etwa Dieselmotoren durch Elektromotoren oder Wasserstoffantrieb ersetzen, ist es dann wirklich ein Verzicht, wenn dadurch die Luft besser wird? Das ist ja gerade ein Zugewinn an Lebensqualität.

Sie haben von Anfang an konkrete Forderungen an die Oberhausener Lokalpolitik gestellt. Hat das etwas gebracht?

Lion Rudi: Es gibt einige Politiker im Stadtrat, die uns zugewandt sind. Allerdings gibt es auch sehr viele, die versucht haben, unsere Forderungen totzuschweigen.

Jason Michalek: Eine erste Reaktion auf unsere Forderungen war eben, dass gesagt wurde, dass sich vieles davon schon in der Umsetzung befände, etwa: die Einführung von umweltfreundlichem Papier. Es gab auch Äußerungen vonseiten der SPD, dass wir nerven würden. Das ist dann als Erfolg zu verbuchen. Sonst waren wir viel mit dieser Art von Feigenblatt-Politik konfrontiert, nach dem Motto: Ist ja toll was ihr macht, macht mal weiter.

Der symbolträchtige Klimanotstand wurde in Oberhausen nicht ausgerufen und die Lokalpolitik hat auch einen sehr konkreten Vorschlag abgelehnt. Die Idee war, dass der Stadtrat künftig alle Beschlüsse auf ihre Auswirkungen auf das Klima hin überprüfen sollte.

Lion Rudi: Ich fand das sehr enttäuschend. Hier wurde eine klassische Umarmungsstrategie geführt. Man begrüßt eine neue Bewegung mit offenen Armen und das Schlimmste, was dann passiert ist, dass wir ein paar Anträge stellen und die dann abgelehnt werden. Fridays for Future hat zum Glück eine unfassbare Öffentlichkeitswirksamkeit erreicht, und verläuft auch hier in Oberhausen nicht im Sande. Die Gespräche mit der Politik und der Stadtverwaltung sind das eine, wir kommen aber nur weiter, wenn wir öffentlichen Druck durch Demonstrationen aufbauen.

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Im vergangenen Jahr haben Sie mit Formen des Protests experimentiert: Mahnwachen, Kundgebungen, Protestmärsche. Was sind Ihre Lehren daraus, wie geht es weiter?

Jason Michalek: Wir werden uns auf die großen globalen Streiktermine während der Schulzeit konzentrieren. Der Grund dafür ist, dass viele Organisatoren nun weniger Zeit haben – durch Abiturphase oder Praktikum. Und andere wollen sich wieder um ihr eigenes Privatleben kümmern. Wir hören aber nicht auf. Unsere Jubiläumsdemonstration steht unter dem Motto „Ein Jahr, kein Grund zu Feiern“. Das beschreibt sehr gut, dass das Jahr 2019 für uns zwar erfolgreich war, aber es eigentlich keinen Grund zur Freude gibt, weil es uns immer noch geben muss. Wir werden in den wärmeren Monaten aber auch mit kleineren Aktionsformen wie Mahnwachen und Infoständen an prominenter Stelle präsent sein.

Wie steht es denn um die Schulschwänzer-Debatte nach einem Jahr Schülerproteste? Bekommen Sie noch Ärger mit Ihren Schulleitern?

Jason Michalek: In den Medien hat die Debatte nachgelassen und so ist es auch hier an den Oberhausener Schulen. Die meisten Lehrer auf meiner Schule (Bertha-von-Suttner-Gymnasium – Anm. d. Red) sowie auch unser Direktor (Sascha Reuen – Anm. d. Red.) stehen hinter uns. Er stellt uns regelmäßig frei für die globalen Streiks und Großdemos. Wir führen ja damit quasi die Tradition des „Berthas“ als einer politisch aktiven Schule weiter. Bei den anderen Schulen ist es ähnlich. Insgesamt haben wir recht wenig Widerstand gespürt.

Inwieweit wurden Sie durch die Erfahrungen mit Fridays for Future politisiert? Engagieren Sie sich nun auch parteipolitisch?

Julien Krasniqi: Nach Gesprächen mit Politikern habe ich gemerkt, dass es sich lohnt, selbst politisch aktiv zu werden, aber auch bei den Demonstrationen dabei zu sein. Das ist für mich gelebte Demokratie. Selbst politische Arbeit zu betreiben, ist aber noch einmal etwas anderes. Letztlich bin ich zu der Partei Die Linke gekommen.

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Das überrascht: Sie bedienen ja klassische Themen der Grünen. Warum haben Sie sich für Die Linke entschieden?

Julien Krasniqi: Ich habe mich vorher auch ausführlich über die Grünen und die SPD informiert. Die SPD nennt sich zwar sozialdemokratische Partei, da ist aber nicht viel von übrig geblieben. Deswegen kam sie für mich nicht infrage. Die Grünen sind eigentlich die Klimaschutzpartei, aber in meinen Augen braucht es auch eine Klimagerechtigkeit. Sie wollen radikalen Klimaschutz, wir müssen ihn jedoch auch sozial verträglich gestalten.

Jason Michalek: Ich bin keiner Partei beigetreten, weil man im Alter von 15 Jahren noch nicht Mitglied werden kann und weil ich mich bislang noch gar nicht entscheiden konnte. Ich finde mich inhaltlich aber auch eher im Spektrum zwischen Grünen und Linken wieder. Die Grünen haben den Ansatz eines radikalen Klimaschutzes allerdings eher verloren, deren Forderungen sind mir viel zu schwach. Es gibt auch einige Punkte, die ich bei den Linken strittig finde. Im Grunde kann man mit dieser Partei in Deutschland keine große Politik machen.

Haben Sie denn noch Hoffnung, dass man parteipolitisch in Sachen Klimaschutz tatsächlich noch etwas erreichen kann?

Jason Michalek: Es ist wichtig, dass wir uns in der Klimaschutzfrage nicht von parteipolitischen Ideologien vereinnahmen lassen. Es ist an der Zeit, dass über Parteigrenzen hinweg eine gemeinsame Umweltpolitik gemacht wird, die uns voran bringt, und dabei hilft das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. Wir sind jetzt auch hier in Oberhausen an einem Punkt, wo es sinnvoll ist, sich mit allen Parteien an einen gemeinsamen Tisch zu setzen.