Oberhausen. In der Burg Vondern rockte schon Davin Herbrüggen – doch auch die Sonntags-Matineen bedienen ein breites Spektrum jenseits strenger Kammermusik.

„Einen Treffpunkt für Freunde und Fremde“ nennt Walter Paßgang das aufblühende Leben in der Burg Vondern. Er muss es wissen als „Burgherr“ – oder vielmehr als Vorsitzender des Förderkreises. Dass im Sommer der heimische „Superstar“ Davin Herbrüggen die Burg rockte, sieht der 74-Jährige als „einen tollen Versuch, die Mauern einzureißen“. Aber nichts gegen die längst bestens eingeführten Sonntagsmatineen unter der Regie von Dr. Jo Jansen und seiner Agentur Musika Serena: „Über die klassische Musikszene wurde die Burg auch zum Ort der Entspannung.“ Das Fazit des Impresarios für den guten Ton in der Burg-Remise hebt ab auf die überzeugende Resonanz beim Publikum: „Ohne Zugabe durfte kein Ensemble 2019 die Bühne verlassen.“

An der Seite der Ska-Punks von „Sondaschule“

Das sollte auch 2020 so sein, zumal die sechs Matinee-Konzerte ein breites stilistisches Spektrum bedienen – und der klassischen Kammermusik so ihre vermeintliche Strenge nehmen. Das gilt ganz besonders fürs „Joker Quartett“, das am 12. Januar mit einem standesgemäßen Heimspiel im herrschaftlichen Ambiente für den Jahresauftakt sorgt. Die Violinistinnen Melissa Tendick und Sofia Krebs, Bratschistin Sophie Dannöhl und Cellistin Chea Mertins gründeten ihr Ensemble im Mai 2013 in Oberhausen.

Mit französischem Esprit kreieren Marion & Sobo ihre Melange aus Gypsy-Jazz und Chansons.
Mit französischem Esprit kreieren Marion & Sobo ihre Melange aus Gypsy-Jazz und Chansons. © Manfred Pollert

In klassischer Besetzung interpretieren die vier jungen Musikerinnen Hits der letzten Jahrzehnte in eigenen Arrangements. Das klassisch ausgebildete Quartett scheute auch nicht das Spiel an der Seite der heftig in die Saiten langenden Ska-Punks von „Sondaschule“ aus Mülheim, mit denen es in Hamburg, Berlin und Düsseldorf, aber auch auf Festivals wie dem Ruhrpott Rodeo oder Olgas Rock in Osterfeld zu hören war. Auf der Burg führt es durch vertrautere Erlebniswelten von den Beatles über Green Day und den Chordettes bis zu Hildegard Knef: mal romantisch, mal rockig, immer schwungvoll.

Zwei Jubilare des Jahres 1770

Noch klassikferner agieren Marion & Sobo, die Gäste am 15. März. Das französisch-polnisch-deutsche Quintett erschafft seinen eigenen modernen Stil von vokalem Gypsy-Jazz und verbindet ihn mit Weltmusik und Chansons. Die franko-amerikanische Sängerin Marion Lenfant-Preus, der polnische Gitarrist „Sobo“ (Alexander Sobocinski) und ihre Band musizieren sich aus allen Schubladen hinaus. „Absolut unwiderstehlich“, schrieb das „Folker“-Magazin. Und das NRW Kultursekretariat fördert dieses charmant generationenübergreifende Gastspiel.

Mon dieu, Beethoven lächelt! Jedenfalls lächeln diese Statuetten des Bildhauers Ottmar Hörl auf dem Bonner Münsterplatz.
Mon dieu, Beethoven lächelt! Jedenfalls lächeln diese Statuetten des Bildhauers Ottmar Hörl auf dem Bonner Münsterplatz. © dpa | Rolf Vennenbernd

Am 250. Geburtstag des Klassik-Titanen kommt natürlich auch Jo Jansen 2020 nicht vorbei. Zu Ludwig van Beethovens Jubiläumsjahr kommt am 17. Mai das exzellente Boèm Streichquartett / Klarinettenquintett mit einer Besonderheit auf die Burg. Neben zwei Quartetten dieses großen Komponisten wird das melodiöse Klarinettenquintett von Anton Reicha erklingen. Reicha und Beethoven sind beide 1770 geboren, waren befreundet und zeitweise Kollegen in der kurfürstlichen Hofkapelle Bonn. Seine wesentlichen künstlerischen Erfolge feierte der in Prag geborene Reicha später in Paris – und überlebte Beethoven um neun Jahre. Die Matinee bietet eine sicher einmalige Gegenüberstellung von zwei Jubilaren, „die sich von den zahlreichen Programmvorschlägen zum Jubiläumsjahr abheben dürfte“, wie Dr. Jansen meint.

Die Gedichte des Tango-Tänzers Günter Grass

Nobelpreis-würdige Literatur und gekonnten Saitenschlag verbindet am hellen Matinee-Sonntag des 23. August das Programm „Tango Nocturno“. Im literarisch-musikalischen Porträt von Günter Grass geben Heribert Knapp als Sprecher und Gitarrist Thomas Hanz Einblicke in das vielgestaltige Werk des Danzigers. Doch vor allem gilt es die teils unbekannte Lyrik des Nobelpreisträgers von 1999 zu entdecken. Grass liebte aber auch den Tango – den er mit seiner zweiten Ehefrau Ute Grunert gekonnt tanzte. Hier setzt der kompetente Tango-Gitarrist Thomas Hanz an, der den literarischen Vortrag mit Melodien von Astor Piazolla, aber auch mit eigenen Kompositionen und Werken von Isaac Albeniz bis John Williams begleitet.

Matinee-Karten am besten vorbestellen

Große Kunst für kleines Geld: Konzertgäste in der Burg-Remise erhalten eine Karte zu 12 Euro an der Tageskasse oder als Vorbestellung, welche sich die ehrenamtlichen Veranstalter ausdrücklich wünschen. Reservierte Karten sind bis zu 30 Minuten vor dem Konzertbeginn um 11 Uhr abzuholen.

Vorbestellungen bitte unter Angabe des Namens und der zu reservierenden Kartenanzahl an Walter Paßgang unter 0208 - 60 25 41 (Anrufbeantworter) oder online burg-vondern.de

Für fingerflinke Virtuosität bürgt auch das Essener Gitarrenduo, am 20. September im Quartett zu erleben. Bernd Steinmann und Stefan Loos lassen seit über 25 Jahren die hinreißenden Klänge der iberischen Halbinsel als Kleinode funkeln. Ergänzt um den Kontrabassisten Martin Breuer und den Percussionisten Peter Eisold, präsentiert das Essener Gitarrenduo seine neue CD mit einer Mischung aus Klassik und Flamenco, elegant gespielt und humorvoll moderiert.

Renaissance-Klänge und brasilianisches Flair: „Viola da Samba“ mit (v.li.) Jean Kleeb, Nadine Balbeisi und Fernando Marín.
Renaissance-Klänge und brasilianisches Flair: „Viola da Samba“ mit (v.li.) Jean Kleeb, Nadine Balbeisi und Fernando Marín. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Die aus Renaissance- und Barock-Musik bekannte „Viola da gamba“ mit ihren fünf bis sieben Saiten klingt an – doch die letzte der sechs Matineen am 8. November meint mit dem Titel „Viola da Samba“ viel mehr: Das Trio „Viola da Samba“ wagt nämlich den Brückenschlag von alten Meistern zu brasilianischer Samba. Die Reinheit der frühen Instrumente mischt sich mit den federleichten Rhythmen und Harmonien der Bossa Nova. Die kultivierte Stimme der Sopranistin Nadine Balbeisi geleitet nahtlos von der Alten Musik zur „Neuen Welle“ aus Rio de Janeiro. Die Leichtigkeit und Wendigkeit des Spieles von Clavichordist Jean Kleeb und die Virtuosität von Gambist Fernando Marín bilden eine einmalige musikalische Symbiose. Und wer möchte nicht am Beginn der dunklen Jahreszeit diese sonnige Musik genießen?