Oberhausen. Das Theater Oberhausen bringt Irmgard Keuns „Das Mädchen, mit dem die Kinder nicht verkehren durften“ auf die Bühne. Shooting-Star führt Regie.

Die nächste „Heldin der Liebe“ zieht gemäß dem Motto der aktuellen Spielzeit ins Theater Oberhausen ein. Sie ist eine namenlose Heranwachsende, widerspenstig zumal, dass sie gleich von vier Schauspielern (drei Frauen, ein Mann) verkörpert wird. Am kommenden Samstag, 5. Oktober, 16 Uhr, feiert „Das Mädchen, mit dem die Kinder nicht verkehren durften“ nach dem Roman von Irmgard Keun im Saal 2 Premiere und ist, wie es der Untertitel klar macht, „ein Stück für Kinder und Erwachsene ab acht Jahren“.

Keuns literarische Vorlage (1936 veröffentlicht und von den Nazis indiziert) erzählt episodisch von einem jungen Mädchen, das zur Zeit des Ersten Weltkriegs aufwächst und die Welt um sich herum kritisch hinterfragt. Die Welt der Erwachsenen, der Regeln und der strengen Erziehung – das alles kann sie nicht verstehen. Warum verlangen die Erwachsenen von einem etwas, was sie selbst nicht tun? Eine Frage, die ihr Denken und Handeln bestimmt, was letztlich dazu führt, dass sie immer wieder aus dem Korsett der gesellschaftlichen Verhältnisse ausbricht.

Shooting-Star des Jugendtheaters führt Regie

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Hannah Biedermann (Jahrgang 1982), die als eine der gefragtesten Regisseurinnen des Kinder- und Jugendtheaters in Deutschland gilt, hat den Stoff für sich entdeckt und holt die Geschichte nun auf ihre eigene Art, spielerisch und mit viel Witz, wie sie sagt, auf die Oberhausener Theaterbühne.

„Das übergeordnete Thema das Stückes ist das Verhältnis von Kindern und Erwachsenen. Es beschäftigt sich mit der Frage, was wirkt auf Kinder ein, damit sie zu funktionierenden Erwachsenen werden und erforscht Kinder als Objekt von Erziehung“, sagt Hannah Biedermann über ihre Inszenierung.

Assoziativ und „wie in einem Bewusstseinsstrom“, so Dramaturgin Hannah Saar, folgen die Zuschauer dem Bühnengeschehen der namenlosen Protagonistin, die von vier erwachsenen Schauspielern verkörpert wird, begleiten sie in Alltagssituationen in der Schule, beim Kaffeekränzchen, beim Rübenklauen auf dem Bahnhof. Und immer wieder tauchen Fragen auf: Wieso muss man artig sein? Warum darf man eigentlich nicht lügen? Und wieso um Himmels Willen darf man Schnecken nicht zertreten, aber in feinen Restaurants mit Kräuterbutter essen?

Modernes Jugendtheater, humorvolle Stoffvorlage

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Biedermann will sich mit der Inszenierung bewusst von klassischen Erzählmustern des Kinder- und Jugendtheaters lösen, nicht einfach eine lineare Handlung erzählen, sondern Zustände beschreiben, auch deren Ambivalenzen aufzeigen. Auch die Sprache Keuns, die für Biedermann „sehr dicht und lyrisch“ daherkommt, widersetze sich der sonst vorherrschenden Alltagssprache in vielen Stücken für ein junges Publikum. „Es ist eine alte Sprache, aber eine, die eben auch extrem humorvoll ist“, sagt die Regisseurin. Das Test-Publikum sei permanent in Gelächter ausgebrochen.

Premiere am Samstag, 5. Oktober

Die Premiere von „Das Mädchen, mit dem die Kinder nicht verkehren durften“ findet am Samstag, 5. Oktober, 16 Uhr, im Saal 2 im Theater Oberhausen, Will-Quadflieg-Platz 1, statt. Und es gibt noch ein paar Tickets.

Karten kosten 8 Euro, ermäßigt 5 Euro. Weitere Vorstellungen: 7.10., 18.10., 29.10., 13.11. Infos und Kartenbestellung unter theater-oberhausen.de

Untermalt wird das Ganze von einem „durchgehenden Soundtrack“. Das gut 70-minütige Stück lebt laut Dramaturgin und Regisseurin von der Live-Musik von Marie-Christin Sommer.
Und, kleiner Hinweis, für erwachsene Begleitpersonen: Der Saal 2 wird fast jeglicher Bestuhlung beraubt, was nicht jedem (älteren) Körper schmeichelt, aber so werden die Zuschauer dem interaktiven Theaterverständnis von Hannah Biedermann nach zu Zu- und Mitspielern. Zumal es Bälle gibt, viele Bälle – pechschwarz statt bunt, wie man sie aus manchem Bällebecken aus Kindertagen in Erinnerung hat. „Still dasitzen und zuhören wie in der Schule muss hier niemand“, meint Biedermann.

Ein Plädoyer zum Ungehorsam

Am Ende ist das Stück mit seiner knapp 100 Jahre alten Vorlage – berücksichtigt man die Entstehungszeit von Keuns Exil-Roman – für Dramaturgin Hannah Saar brandaktuell und ein „Plädoyer zum Ungehorsam und eine Anleitung zur Revolution“; mit einer mitschwingenden Botschaft, die Greta Thunberg auch nicht besser hätte formulieren können: „Wenn Welt veränderbar ist, kannst du sie auch ändern“.