Stage: Steht der Musical-Standort Ruhrgebiet auf der Kippe?
•
Lesezeit: 5 Minuten
Oberhausen. Die Premiere des Blutsauger-Musicals „Tanz der Vampire“ war für die 1400 Gäste in Oberhausen ein Spektakel wie immer. Doch der Glanz täuscht.
Die traditionelle After-Show-Party der „Tanz der Vampire“-Premiere verlief mit 1400 Gästen im Oberhausener Metronom-Theater vor zwei Wochen so glanzvoll wie in all den Musical-Premieren zuvor üblich: Musical-Stars auf der Showtreppe, B-Promis im Foyer (Harry Wijnvoord, Heinz Hoenig, Birgit Lechtermann), eine Parade unzähliger Sekt-, Wein- und Cocktailgläser, originelle Happen satt (Blutwurst süß-sauer, knackige Rote-Beete-Chips, Beef Tartar).
Nur Insider wunderten sich ein wenig, dass die zum zweiten Mal in Oberhausen präsentierte fast dreistündige Aufführung mit zurecht guten Kritiken in den einschlägigen Medien kaum beworben worden ist – Radio-Spots und Anzeigen fehlten. Das war schon weniger üblich. Will der Metronom-Theater-Eigentümer und Musical-Branchenriese Stage Entertainment Germany (Hamburg) etwa sparen?
Noch ungewöhnlicher: Am Montagnachmittag flatterte eine Einladung an ausgewählte Journalisten in die Redaktionen – für ein Hintergrundgespräch am heutigen Dienstagnachmittag in Oberhausen mit „Stage Entertainment Deutschland“-Geschäftsführerin Uschi Neuss, die sich auf den ersten Blick ganz harmlos anhört: „Frau Neuss möchte Ihnen gern persönlich strategische News unseres Hauses schildern.“ Eine schöne Sache, die bisher allerdings noch nie vorgekommen ist.
Gerüchte und Spekulationen
In Oberhausen machten sofort Gerüchte und Spekulationen die Runde: Ist irgendetwas mit dem Metronom-Theater am Musikweg 1 direkt am Centro? Oder steht das Colosseum-Theater in Essen am Berliner Platz auf der Kippe? Beide Häuser sind im Eigentum von Stage Entertainment. Oder handelt es sich nur um eine Marketing-Verbesserungstour des in Hamburg sitzenden Unterhaltungskonzerns?
Doch so optimistisch denken die wenigsten – Stage Entertainment hat bereits in den vergangenen Jahren durch verblüffend zügig verkündete Spar-Überraschungen Negativpunkte in der Öffentlichkeit gesammelt. Als Musical-Liebhaber und Stage-Gründer Joop van den Ende seine Stage-Mehrheit an den Finanzinvestor CVC Capital Partners verkaufte, rappelte es im Karton: Das „Theater am Potsdamer Platz“ in Berlin und die eigene Musical-Schule in Hamburg wurden geschlossen. Seit 2018 kämpft Stage Entertainment mit insgesamt 1700 Mitarbeitern an 13 Theater-Standorten in sechs Städten wieder mit einem gänzlich neuen Eigentümer, dem New Yorker Medienunternehmen Advance Publication, der Zeitungen und Magazine herausgibt und die weltbekannte Internetseite „Reddit“ besitzt. Musical-Erfahrung: Nicht erkennbar.
Seit Jahren steckt die Branche in einem beinharten Wettbewerb um Musical-Fans – doch das Angebot im deutschsprachigen Raum ist für diese Mega-Produktionen mit Blitz, Donner, Nebel und dem einen oder anderen Pophit riesig. Nicht nur Stage-Entertainment, sondern auch viele kleine Theater, darunter auch kommunal geführte, entdecken die leichte Muse rund um Operette und Musicals wieder – und das zu günstigeren Eintrittspreisen.
Keine Subventionen für Musicals
Private Musical-Shows erhalten aber im Unterschied zu Stadttheatern keine direkten Subventionen, Wirtschaftsvorteile erreichen sie nur durch fast industriell gefertigte, fast täglich aufgeführte Produktionen mit populärsten Themen, die Massen anziehen, die sich die teuren Eintrittskarten leisten wollen. „Tanz der Vampire“ etwa kostet im November selbst auf den billigsten Plätzen mitten in der Woche 50 Euro.
Viel Geld für die Stadt
Das Metronom-Theater wurde in der Neuen Mitte für 30 Millionen Euro als festes Musicaltheater mit 1800 Plätzen für das Peter-Maffey-Musical „Tabaluga & Lilli“ 1998 und 1999 gebaut. Doch das Musical wurde nur zwei Jahre aufgeführt, danach floppt auch ein Falco-Musical.
Seit 2005 ist das Theater, zwischenzeitlich teuer von der Stadt Oberhausen übernommen, im Eigentum von Stage, die es damals für 20 Millionen Euro umbauten. Insgesamt hat die Stadt Oberhausen durch ihr zwischenzeitliches Theater-Immobilien-Engagement 33 Millionen Euro verloren.
Stage Entertainment steht dadurch unter ständigem Spardruck, hat keinen Gönner mehr in der Hinterhand wie Multimillionär Joop van den Ende. Jedes Musical muss sich rechnen – schwierig, selbst wenn der Aufwand für Wiederholungen wie „Tanz der Vampire“ – das Musical wurde schon einmal in Oberhausen vor elf Jahren gezeigt – deutlich geringer ist als für Neuproduktionen. Stimmt der Eindruck von Kennern, ist vor allem auch das Vorgänger-Stück „Bat out of Hell“ ziemlich schlecht gelaufen.
Wie wird Stage also handeln? Glaubt man den Auguren, dann hat sich wohl die Geschäftsführung entschlossen, das Ruhrgebiet künftig nicht mehr allzu sehr in Augenschein zu nehmen. Am heutigen Tag ist auch die über 80-köpfige Belegschaft in Oberhausen zur Versammlung geladen, Geschäftsführerin Uschi Neuss will Nachrichten verkünden, die alles andere als positiv sein sollen.
Ständige Bespielung auf der Kippe
Die ständige Bespielung mit einem fast täglich aufgeführten Dauerstück des Oberhausener Metronom-Theaters steht anscheinend auf der Kippe, die Arbeitsplätze am Musikweg sind damit stark bedroht. Auf jeden Fall soll „Tanz der Vampire“ wie geplant noch bis Ende März 2020 weitergespielt werden.
Ob Stage dann das so zentral am Centro gelegene Musiktheater noch mit Tournee-Produktionen beglückt, ist bisher noch unklar. Das macht Stage seit 2010 bereits mit dem Standort Colosseum in Essen. Zwei feste Theater-Standorte in der Nähe, die nur phasenweise bespielt werden, dürften aber für Stage alles andere als wirtschaftlich sein. So könnte ein kompletter Verkauf der Essener Industriekathedrale gegenüber den Einkaufszentrum Limbecker Platz und Ikea auf der Agenda von Stage stehen.
Musical-Aus von Stage: So haben wir berichtet
Update: Der Musical-Betreiber Stage Entertainment will sich komplett aus dem Ruhrgebiet zurückziehen. Hier finden Sie weitere Artikel zum Thema:
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.