Oberhausen. Wilde Gerüchte waberten durch das Ruhrgebiet, was Stage mit seinen zwei Musical-Standorten vorhat. Nun ist klar: Es kommt schlimmer als gedacht.
Der Oberhausener Oberbürgermeister Daniel Schranz ist enttäuscht, die großen Fraktionen im Rat sehen einen Tiefschlag für den Tourismus-Standort Oberhausen: Die Hamburger Musical-Schmiede Stage Entertainment hat entschieden, sich aus dem Ruhrgebiet weitgehend zurückzuziehen.
Das Essener Colosseum-Theater am Berliner Platz nahe der Innenstadt wird komplett an einen von zwei interessierten Investoren aus anderen Branchen ab Sommer 2020 verkauft, das Oberhausener Metronom-Theater, seit 1999 Stätte gepflegter Musical-Lustspiele mit aufwändigen Kulissen und Aufführungstechnik, wird für den Dauer-Spielbetrieb geschlossen. Damit bewahrheiten sich die schlimmsten Gerüchte im Vorfeld.
Nur Tarzan-Spektakel mit eindeutigem Gewinn
„Wir haben es über 15 Jahre lang nicht geschafft, die Produktionen in die Gewinnzone zu bringen“, gibt Uschi Neuss, langjährige Geschäftsführerin der in Hamburg sitzenden Stage Entertainment GmbH, im Gespräch mit Journalisten in Oberhausen bekannt. Nach ihren Angaben hat nur das Tarzan-Lianen-Spektakel im ersten Aufführungsjahr und die erste Aufführung von „Tanz der Vampire“ in Oberhausen Gewinn eingefahren.
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„Alle anderen haben ihre Kosten nicht hereingebracht. Wir haben alles versucht, aber müssen uns jetzt eingestehen, dass es strukturell nicht möglich ist, das Ruhrgebiet dauerhaft mit Musicals zu bespielen.“ Das im Gegensatz dazu seit 1988 ständig in Bochum erfolgreich aufgeführte Webber-Musical „Starlight Express“ sei ein beinahe unerklärliches Phänomen der gesamten Branche.
In einer eilig einberufenen Mitarbeiterversammlung hat die Geschäftsführerin mittags der 88-köpfigen Stammbelegschaft am Musikweg in Oberhausen die düstere Nachricht mitgeteilt. Das gerade am 10. Oktober mit einer aufwändigen Premiere eingeführte Blutsauger-Spektakel „Tanz der Vampire“ werde noch bis 22. März 2020 aufgeführt, danach sei Schluss. „Es gibt dann keine Arbeitsplätze für euch bei Stage in Oberhausen, die fallen weg“, hat Neuss den langjährigen Mitarbeitern direkt verkündet.
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Es werde allerdings versucht, den Beschäftigten entweder Abfindungen zu geben oder ihnen einen Arbeitsplatz an einem der anderen Standorte von Stage in Stuttgart, Berlin oder Hamburg zu vermitteln.
Nach Darstellung der Stage-Geschäftsführerin ist es im Unterschied zu Hamburg und Stuttgart in Oberhausen über viele Jahre hinweg nicht gelungen, den notwendigen Durchschnittspreis für die kostenträchtigen Produktionen zu erzielen. Man habe viele Plätze nur über Rabatte verkauft. Außerdem habe man nicht genug Massen ins Theater locken können, die Auslastung habe im Schnitt bei nur 50 Prozent gelegen. „Wir haben es nicht geschafft, genügend Touristen ins Ruhrgebiet zu holen. Hamburg ist dagegen attraktiv genug, dass Touristen auch aus dem Ruhrgebiet bereit sind, die entsprechend notwendigen Ticketpreise zu bezahlen.“ Zudem stehe man hier in Konkurrenz zu sehr vielen Freizeitangeboten in 40 Großstädten, während sich in Baden-Württemberg alles in Stuttgart konzentriert.
Viel Geld für die Stadt
Das Metronom-Theater wurde in der Neuen Mitte für 30 Millionen Euro als festes Musicaltheater mit 1800 Plätzen für das Peter-Maffey-Musical „Tabaluga & Lilli“ 1998 und 1999 gebaut. Doch das Musical wurde nur zwei Jahre aufgeführt, danach floppt auch ein Falco-Musical.
Seit 2005 ist das Theater, zwischenzeitlich teuer von der Stadt Oberhausen übernommen, im Eigentum von Stage, die es damals für 20 Millionen Euro umbauten. Insgesamt hat die Stadt Oberhausen durch ihr zwischenzeitliches Theater-Immobilien-Engagement 33 Millionen Euro verloren.
Erstaunlich: Bisher hat sich Stage noch nicht überlegt, was mit dem Metronom-Theater passiert, das seit 2005 im Eigentum der Stage ist. „Die Lösung ist nicht einfach, sonst könnten wir das verkünden“, sagt die Managerin. Das Gebäude sei im Gegensatz zum Colosseum in Essen nicht anders zu nutzen als für Theater- oder Konzertaufführungen.
Politik sieht Rückschlag für Freizeitstandort Ruhrgebiet
„Das ist eine sehr bedauerliche Nachricht - mit Blick auf die Mitarbeiter und für unser Konzept des Urban-Entertainment-Centers in der Neuen Mitte, das viele Touristen anlockt“, sagt Oberbürgermeister Daniel Schranz. Angesichts solcher Rückschläge sei es sinnvoll, Oberhausen wirtschaftlich breit aufzustellen. „Wir sind ja nicht Eigentümer des Gebäudes, aber bieten an, die Suche nach einer künftigen Nutzung des Hauses zu begleiten.“
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SPD-Fraktionschefin Sonja Bongers sieht in der Entscheidung einen Rückschlag für den gesamten Freizeitstandort in der Neuen Mitte. Sie verlangt von Stage, dass die Politik schnellstens erfahren müsse, welche Pläne das Unternehmen nun am Standort verfolgt – und wie die bisherigen Beschäftigten behandelt werden. „Die Zeit zur Beantwortung dieser wichtigen Fragen drängt, bis zum verkündeten Ende der aktuell laufenden Produktion ist es schließlich nicht mal mehr ein halbes Jahr.“
Auch CDU-Fraktionsvorsitzende Simone-Tatjana Stehr befürchtet, dass die gesamte Tourismus-Wirtschaft von dem Stage-Beschluss negativ betroffen ist – vor allem die Hotelbetreiber. „Wir hoffen, dass nun sehr schnell eine Lösung gefunden wird, dass das Metronom-Theater nicht leer steht.“
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