Oberhausen. Um Opfer vor häuslicher Gewalt zu schützen, müssen Anlaufstellen und Einrichtungen besser zusammenarbeiten. In Oberhausen will man dafür sorgen.

Ein Schlag ins Gesicht, wenn die Frau nicht tut, was der Mann sagt. Ein Tritt, ein Fausthieb, wenn ein kleiner Streit eskaliert. Auch in Oberhausen steigt die der Polizei gemeldeten Zahl an Fällen häuslicher Gewalt deutlich. In solch schlimmen Fällen ist schnelle und unbürokratische Hilfe gefragt. Doch genau daran hapert es oft. Das wurde bei der ersten Oberhausener Fachtagung zum Thema deutlich.

Die Dokumentation der Tagung im April liegt nun vor. Das Fazit: Um die Opfer von häuslicher Gewalt besser zu schützen, müssen sich Anlauf- und Beratungsstellen effektiver vernetzen und sich untereinander austauschen. Derzeit fehlen strukturelle Automatismen, die etwa bewirken, dass der Kinder- und Jugendschutz aktiv wird, sobald eine Frau mit ihren Kindern Hilfe in einem Frauenhaus sucht.

Am mangelnden Engagement liegt es nicht

Doch genau dies sei zwingend nötig, sagt Nagihan Erdas vom Oberhausener Integrationsrat. „Es gibt keinen Frauenschutz ohne Kinderschutz.“ Am mangelnden Engagement der Mitarbeiter von Jugendamt oder Frauenhaus liege es keineswegs. „Der Fehler liegt im System, uns fehlt es an geeigneten Instrumenten, damit alle Helfer an einem Strang ziehen können.“

Der Integrationsrat hat die Fachtagung organisiert, gemeinsam mit der Gleichstellungsstelle, dem Kommunalen Integrationszentrum, dem Präventiven Rat und den gemeinnützigen ViFA-Erziehungshilfen mit Sitz an der Henselstraße in Osterfeld.

Warum gerade der Integrationsrat? Schürt das nicht das Vorurteil, häusliche Gewalt sei in Familien mit Migrationshintergrund ein besonders großes Problem? Ganz im Gegenteil, meint Nagihan Erdas. „Häusliche Gewalt ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und betrifft ur-deutsche und Migrationsfamilien gleichermaßen. Und wir, als integrierter Teil dieser Gesamtgesellschaft, möchten Lösungen für dieses Problem suchen.“

80 Fachleute diskutierten

80 Fachleute analysierten daher bei der Fachtagung im April den Ist-Zustand in Oberhausen, identifizierten Probleme und entwickelten Lösungen. Dass man handeln müsse, steht außer Frage. Laut Polizeistatistik kam es 2018 zu 270 Fällen häuslicher Gewalt. 171 Täter wurden der Wohnung verwiesen. Die Zahlen sind leicht rückläufig. Doch Experten wie etwa Polizeibeamter Werner Nakot warnen immer wieder vor der nach wie vor hohen Dunkelziffer. Nur langsam erlebt das Thema häusliche Gewalt eine gesellschaftliche Enttabuisierung, trauen sich mehr Opfer, die Taten anzuzeigen.

Verfassungsauftrag

Der Integrationsrat hat die Ergebnisse der Fachtagung in einem Heft dokumentiert und stellt die Informationen nun allen Teilnehmern, aber auch Wohlfahrtsverbänden und Jugendeinrichtungen zur Verfügung.

Als Anhang hat der Integrationsrat die ersten 20 Artikel des Deutschen Grundgesetzes angehängt. Darin heißt es: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ Und das, sagt Ercan Telli vom Integrationsrat, „verstehen wir als Verfassungsauftrag, nicht als nette Bitte.“

Um so wichtiger sei es auch in Oberhausen, Hilfsangebote und Anlaufstellen bekannter zu machen. „Häusliche Gewalt wurde lange als familiäres Problem betrachtet“, sagt Habibe Demirci, stellv. Vorsitzende des Integrationsrates. Auch wenn Täter und Opfer in einer engen Beziehung zueinander stehen: „Häusliche Gewalt ist keine Privatangelegenheit!“

Ergebnisse im nächsten Jahr

Doch wie kann Oberhausen Anlaufstellen bekannter machen und Hilfsstrukturen verbessern? Indem Mitarbeiter, etwa in Kitas oder bei Ämtern, sensibilisiert werden. Oder indem Einrichtungen Fälle an eine zentrale Stelle melden, die dann alle Fäden zusammen hält. In einem Jahr treffen sich die Beteiligten wieder und diskutieren bei der nächsten Fachtagung über das bis dahin Erreichte.