Oberhausen. Das gab es in Oberhausen noch nie: Elke Münich, Chefin des größten städtischen Bereichs Schule und Soziales, wird von ihrer Partei abgewählt.

Das ist für Oberhausen ein historisch einmaliger Schritt: Die SPD-Ratsfraktion hat sich mit der CDU-Fraktion verständigt, die eigene sozialdemokratische Dezernentin für den Fachbereich Soziales, Familie, Jugend und Schule mitten in ihrer Amtszeit abzuwählen: Elke Münich soll mit sofortiger Wirkung nach nur fünfeinhalbjähriger Amtszeit gehen, wenn der Rat in seiner nächsten Sitzung am 20. Mai dies so entscheidet.

Die SPD-Ratsfraktionsspitze mit Wolfgang Große Brömer und Sonja Bongers.
Die SPD-Ratsfraktionsspitze mit Wolfgang Große Brömer und Sonja Bongers. © Patrick Friedland

„Das notwendige Vertrauen ist nicht mehr vorhanden“, begründet SPD-Ratsfraktionschef Wolfgang Große Brömer den für die Öffentlichkeit durchaus überraschenden endgültigen Schritt, sich von der 57-jährigen Sozialwissenschaftlerin zu trennen.

Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig

Die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit für den Abwahlantrag, den alle 23 SPD-Ratsmitglieder und 20 CDU-Ratsmitglieder namentlich unterschrieben haben, gilt im 60-köpfigen Rat derzeit nur noch als Formsache.

Der Abwahlantrag ist bei Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) am Mittwoch eingetrudelt, am heutigen Donnerstag wurden die Fraktionsspitzen informiert – sowie die betroffene Dezernentin. Sie soll darauf äußerlich recht gelassen reagiert haben, allerdings nahm sie bereits nach Aussagen von Kennern an der heutigen internen Tagung aller Bereichsleiter zusammen mit der Rathaus-Spitze in Wesel nur kurz teil.

Die SPD-Fraktion im Oberhausener Rat will nicht mehr mit Sozialdezernentin Elke Münich (SPD) zusammenarbeiten.
Die SPD-Fraktion im Oberhausener Rat will nicht mehr mit Sozialdezernentin Elke Münich (SPD) zusammenarbeiten. © Patrick Friedland

In einer Pressemitteilung macht die SPD-Ratsfraktion ihrer Beigeordneten keine direkten inhaltlichen oder persönlichen Vorwürfe. Nüchtern heißt es nur: „Die Mitglieder der SPD-Ratsfraktion sehen die Abberufung als notwendig an, um das bei etlichen Akteuren der Bereiche Schule, Jugend und Soziales verlorene Vertrauen wiederherzustellen. Die Sozialdemokraten bedauern diesen Schritt, sehen ihn aber für eine Neuausrichtung dieser wichtigen Verwaltungsbereiche als notwendig an.“

CDU: Dieser Schritt ist niemandem leicht gefallen

CDU-Ratsfraktionschefin Simone-Tatjana Stehr hat im Rat die Arbeit von Elke Münich durchaus häufiger kritisiert, will sich nun aber nicht mehr zu den persönlichen oder inhaltlichen Qualitäten von Elke Münich äußern. Sie sagt zum Abwahlantrag: „Dies ist kein Schritt, der irgendjemandem leicht fällt, aber es war ein notwendiger Schritt. Das Vertrauensverhältnis zu ihr ist gestört – und das dauert von unserer Seite her schon sehr lange an.“

Tatsächlich hat sich schon seit geraumer Zeit die Stimmung gegen die zuvor in Aachen und Herten im Schul- und Jugendbereich arbeitende Dezernentin zunehmend verschlechtert.

Erhebliche Vorwürfe gegen Dezernentin

Münich wurden immer wieder nicht nur von der CDU-Ratsfraktion fachliche Fehler vorgeworfen: Sie habe erhebliche Finanzlöcher bei der Betreuung schwieriger Familien in zweistelliger Millionenhöhe zu verantworten, die Ruhrgebiets-weit schlechtesten Rückhol-Quoten von Unterhaltsvorschüssen für säumige Väter sowie den schleppenden Fortgang bei einer möglichen Errichtung einer neuen Schule für die zunehmende Zahl an Schülern, die von weiterführenden Schulen abgeschult werden müssen. Auch bei der Organisation der Unterkünfte für Flüchtlinge habe sie mehrfach den Überblick verloren. Bei der Reform der Förderschulen habe sie Eltern und Politik zu wenig eingebunden.

Viel zu stur und unflexibel?

Auch im persönlichen Umgang wird Elke Münich als schwierig eingeschätzt: Sie sei oft viel zu stur und unflexibel in ihren Auffassungen, sei Argumenten nicht zugänglich gewesen und habe es sich durch ihr insgesamt undiplomatisches Verhalten mit zu vielen wichtigen Akteuren im Stadtgeschehen verscherzt. Insgesamt wird sie von Mitarbeitern im Rathaus als überfordert mit ihrer schwergewichtigen Aufgabe beurteilt. Aus den Fraktionen wurde immer wieder geklagt, dass Münich diese zu wenig informiert und eingebunden habe.

Mit großen Vorschusslorbeeren ins Amt gewählt

Allerdings war Elke Münich mit großen Vorschusslorbeeren in ihr Oberhausener Amt gewählt worden: Die höchsten Spitzen des NRW-Familienministeriums hatten sie empfohlen; nach ihrer ersten SPD-Fraktionssitzung im Herbst 2013 lobte Wolfgang Große Brömer überschwänglich: „Sie ist sehr kompetent und blieb uns keine Antwort schuldig.“

Die vielleicht schwierigste Leitungsaufgabe

Tatsächlich hat Elke Münich die vielleicht schwierigste Leitungsaufgabe im Rathaus bei ihrem Dienstantritt am 1. Januar 2014 übernommen: Mit den Riesenaufgabenfeldern Soziales, Jugend, Familie und Schule hat sie fast die Hälfte der Ausgaben des gesamten städtischen Etats zu verantworten. Zumindest zu Beginn hat sie ein Team übernommen, bei dem etliche wichtige Stellen nicht besetzt waren oder Inhaber langzeiterkrankt waren.

Angebote ausgeschlagen?

Doch diese Entschuldigungen für Mängel in der Amtsführung wollen weder SPD noch CDU weiter gelten lassen. Angebotene Geschäftsführer-Posten im Bereich des Konzerns Stadt soll Münich als Alternative ausgeschlossen haben. So wird die auch in Oberhausen wohnende Dezernentin nun wohl abgewählt – und darf bis zu ihrem Vertragsende am 31. Dezember 2021 mit rund 70 Prozent ihrer bisherigen Bezüge an der Ruhr oder an der Emscher spazieren gehen.

Elke Münich (zweite von links) am Dezernenten-Pult im Oberhausener Ratssaal. Ganz links sitzt die Gleichstellungsbeauftragte Britta Costecki, rechts von Frau Münich die Planungsdezernentin Sabine Lauxen.
Elke Münich (zweite von links) am Dezernenten-Pult im Oberhausener Ratssaal. Ganz links sitzt die Gleichstellungsbeauftragte Britta Costecki, rechts von Frau Münich die Planungsdezernentin Sabine Lauxen. © Christoph Wojtyczka

Elke Münich will sich am Donnerstagnachmittag zu den schweren Vorwürfen nicht äußern. „In den Ausschüssen des Rates ist zu den inhaltlichen Themen alles beantwortet worden. Ich würde gerne meine Arbeit bis zum Ende meiner Amtszeit weiterführen und warte nun erst einmal die Entscheidung des Rates am 20. Mai ab.“