Duisburg/Oberhausen/Mülheim. Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat im Jahr 2016 rund 85.000 Fälle bearbeitet. Anfang 2017 stiegen die Zahlen bei Mord und Totschlag stark an.

  • Im ersten Halbjahr 2017 gab es in etwa so viele Kapitaldelikte wie im kompletten Vorjahr
  • Sorgen machen die zunehmende Rücksichtslosigkeit und der Egoismus von Straftätern
  • Als Reaktion auf die Kölner Silvesternacht ist auch die Staatsanwaltschaft Duisburg verstärkt worden

Die Duisburger Staatsanwaltschaft bekommt immer mehr Fälle auf den Tisch. Bei der auch für Oberhausen, Mülheim und Teile des Kreises Wesel zuständigen Ermittlungsbehörde liefen im Jahr 2016 rund 85.000 Verfahren gegen namentlich bekannte Verdächtige. Hinzu kamen rund 58.000 Fälle, in denen gegen Unbekannt ermittelt wird. Zum Vergleich: Fünf Jahre zuvor waren es noch 5000 beziehungsweise 1000 Verfahren weniger. „Im Vergleich zu den Vorjahren zeigt sich ein stetiger Zuwachs“, bilanziert Anna Christiana Weiler, die Sprecherin der Duisburger Staatsanwaltschaft.


Auf dem Lidl-Parkplatz an der Dorstener Straße soll ein 40-Jähriger einen zehn Jahre älteren Mann mit einem Messer attackiert haben.    
Auf dem Lidl-Parkplatz an der Dorstener Straße soll ein 40-Jähriger einen zehn Jahre älteren Mann mit einem Messer attackiert haben.     © Rene Anhuth/ANC-News

„Besonders schwierig und zeitintensiv“ gestalteten sich die Ermittlungen bei Wirtschaftsstrafsachen, Organisierter Kriminalität und Kapitaldelikten wie Mord und Totschlag. Gerade bei den Tötungsdelikten sei es seit Beginn dieses Jahres zu einem „erheblichen Anstieg“ gekommen. 59 Fälle (!) vollendeten oder versuchten Mordes oder Totschlags zählten die Duisburger Ermittler in ihrem Zuständigkeitsbereich zwischen Januar und Juni. In etwa waren das so viele Taten wie im gesamten Jahr 2016. „Diesen Zuwachs betrachten wir mit Sorge“, sagt Weiler: „Einleuchtende Erklärungsansätze hierfür gibt es bisher nicht.“ Auffällig sei aber, dass bei namentlich bekannten mutmaßlichen Tätern häufig eine psychische Erkrankung im Spiel sei.

Rücksichtslosigkeit und Egoismus nehmen zu

Die Vorfälle schlugen bisweilen hohe Wellen: Wie der gewaltsame Tod eines 14-Jährigen in Duisburg-Marxloh, der durch einen Stich in den Rücken tödliche Verletzungen erlitten hatte, die Messer-Attacke auf einen Fußball-Trainer auf einem Lidl-Parkplatz in Oberhausen-Sterkrade oder der brutale Einbruch mehrerer Männer in ein Haus in Mülheim-Styrum, bei dem ein Familienvater lebensgefährlich verletzt worden war.


In diesem Haus in Walsum wurde eine Frau getötet. Das Gebäude wurde anschließend in Brand gesteckt.    
In diesem Haus in Walsum wurde eine Frau getötet. Das Gebäude wurde anschließend in Brand gesteckt.     © Stephan Eickershoff

Als „ebenso besorgniserregend“ wie den Anstieg der Zahlen bei den Kapitaldelikten bezeichnet die Sprecherin inzwischen auch „die zunehmende Rücksichtslosigkeit und den hervorstechenden Egoismus der Täter“. Das zeige sich etwa in Fällen, in denen Rettungskräfte oder Polizisten bei Einsätzen angegriffen und behindert werden oder wenn Rettungsgassen bei Unfällen von Autofahrern genutzt werden, um selbst schnell durchzufahren.

Kriminalitätsschwerpunkte besonders im Blick

Zwar sagt Weiler, dass der NRW-weit zu verzeichnende Anstieg bei den Ermittlungsverfahren in Duisburg „noch im Rahmen der üblichen Schwankungen einzustufen sein dürfte“. Reagiert hat das Land dennoch - mit mehr Stellen: „Die Staatsanwaltschaft Duisburg ist im vergangenen Jahr - wie andere Staatsanwaltschaften auch - als politische Reaktion auf die Ereignisse in der Silvesternacht 2015/16 personell verstärkt worden.“ Im Vergleich zu 2015 arbeiten dort nun sieben Staatsanwälte mehr. Insgesamt waren bei der Behörde 2016 65 Staatsanwälte und 22 Amtsanwälte im Einsatz. Das zusätzliche Personal setzte die Staatsanwaltschaft unter anderem dafür ein, um Kriminalitätsschwerpunkte in ihrem Einzugsbereich besonders in den Blick zu nehmen. Laut Weiler wurden unter anderem neue Dezernate geschaffen, die sich auf Straftaten von Rockern, Wohnungseinbrecher-Banden oder Intensivtäter aus sozialen Brennpunkten zum Beispiel im Duisburger Norden spezialisiert haben.


Bei einem Einbruch in Styrum ist ein Familienvater Ende Februar lebensgefährlich verletzt worden.    
Bei einem Einbruch in Styrum ist ein Familienvater Ende Februar lebensgefährlich verletzt worden.     © Rene Anhuth/ANC-News

Ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft bedeutet noch lange nicht, dass die Angelegenheit auch vor Gericht landet. Von den 85.000 Fällen im vergangenen Jahr mündeten rund 17.000 in einer Anklage oder in einem Antrag auf einen Strafbefehl. Weil Tatverantwortliche nicht eindeutig zu ermitteln waren, wurden gut 24.000 Verfahren eingestellt. Weitere knapp rund 15.000 Verfahren stellte die Ermittlungsbehörde nach anderen Vorgaben aus der Strafprozessordnung ein, etwa weil die Tat geringfügig war oder weil Tatverdächtige eine Geldauflage gezahlt hatten.