Das Depot in Oberhausens neuer Mitte wird zum Museum
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Oberhausen. Im Peter-Behrens-Bau gilt für anderthalb Jahre: Aufräumen unter 163.000 Objekten. Im April 2018 gilt es Peter Behrens’ 150. Geburtstag zu feiern.
Nur die Dampflok wird während des Umbaus der Zinkfabrik Altenberg am alten Ort bleiben
Der gewaltige „Rest“ des Industriemuseums zieht 2018 um ins LVR-Depot an der Essener Straße
Der Peter-Behrens-Bau wird dann selbst zum Ausstellungsort, zu einem Museum auf Zeit
Nein, die Dampflok – dieser schwarz-rote Blickfang aus der Zinkfabrik Altenberg – wird hier nicht einrollen können. „Die Lok wird während der Umbauten eingehaust“, erklärt Michael Gaigalat. Für den großen Rest der Dauerausstellung muss der Hausherr im Peter-Behrens-Bau das Erdgeschoss freiräumen.
Platz schaffen für neue Sammlungsbestände und für neue Ausstellungen: Es ist das große Thema im Berufsleben des Leiters der Sammlungsdienste. Der 59-Jährige nennt sich selbst „eines der Urgesteine“ im LVR-Industriemuseum, seit 25 Jahren dabei. Seit 2010 hütet Gaigalat verantwortlich die Schätze: von den historischen Hutnadeln im Souterrain bis zur schwarzglänzenden Maschine für die Fabrikation von Schirmgestängen – seinem persönlichen „Highlight“.
Vom Webstuhl bis zum Jugendstil-Abendkleid
163.000 Objekte sind an der Essener Straße 80 katalogisiert. Aber weil Etliches – etwa die Hutnadeln – summarisch erfasst ist, könnten es auch 350.000 Gegenstände sein – vom fast unverwüstlichen Webstuhl bis zum höchst empfindlichen Jugendstil-Abendkleid.
Hier aufräumen und Platz schaffen, nennt der Herr der Sammlung ganz gelassen „ein Projekt für die nächsten anderthalb Jahre“. Denn der bisher nur nach Anmeldung zugängliche Behrens-Bau macht sich hübsch für ein mehrjähriges Zwischenspiel als LVR-Industriemuseum. „Der erste Tusch“, wie Gaigalat sagt, erklingt im April 2018: Dann gilt es den großen Architekten und Gestalter Peter Behrens zu seinem 150. Geburtstag zu würdigen.
In der fünften Etage gibt’s bereits eine kleine Dauerausstellung zu Leben und Werk. Doch die will das LVR-Team gründlich überarbeiten – unter anderem mit zwölf Holzmodellen der berühmtesten Behrens-Bauten. Michael Gaigalat hatte sie im Vorjahr im Düsseldorfer Ehrenhof entdeckt, gestaltet von Studenten der Fachhochschule.
Ebenfalls aus Düsseldorf wird bereits in einem halben Jahr ein komplettes „Museum“ im Behrens-Bau eintreffen: Aus der 15 000 Objekte zählenden Sammlung des Deutschen Kunststoff-Museums (das über kein eigenes Ausstellungshaus verfügt) waren bisher nur kleinere Themen-Schauen zu sehen. Der Behrens-Bau wird zum Depot für die Düsseldorfer.
Der wahre Schatz des Industriemuseums
Noch mehr Chemie: Als Partner von Oxea plant das LVR-Industriemuseum für September 2018 die Ausstellung „Ein Chemiewerk in der Fotografie“ – übrigens in Kooperation mit der Ludwiggalerie. Die eigenen fotografischen Bestände des Industriemuseums sind allerdings aus dem Behrens-Bau komplett ausgelagert gen Altenberg. „Die Glasnegative sind unser Schatz“, sagt Michael Gaigalat.
LVR Depot wird zum Museum
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Das große Aufräumen und Platz schaffen gilt noch einem weiteren Ausstellungsprojekt – zum Ende des Steinkohlebergbaus 2018. Der Chef der Ausstellungsdienste weiß: Die Ausstellungsmacher des Industriemuseums haben aufhorchen lassen, weil sie das demnächst historische Thema Bergbau mit dem neuen Label „Energiewenden“ zum Blick nach vorne erweitern wollen.
Ausstellung zu den Materialien der Weimarer Republik
Und bevor an der Hansastraße 20 die 20 Millionen teure „Vision 2020“ Wirklichkeit wird, darf das einstige Hauptlagerhaus der Gutehoffnungshütte hinter seiner 86-Meter-Front einen weiteren Aufbruch thematisieren: den der Weimarer Republik 1919. Während andere das Bauhaus würdigen werden, erläutert Michael Gaigalat den Arbeitstitel „Stoff und Form“: Neue Materialien gehörten während der „Goldenen Zwanziger“ zum Alltag. Im Depot der 163 000 Objekte dürfte an Anschauungsmaterial kein Mangel sein.
Peter Behrens - Lehrmeister für Le Corbusier
Der neue Historiker-Kollege ist im Peter-Behrens-Bau hochwillkommen, denn Dr. Holger Klein-Wiele kommt von der Darmstädter Mathildenhöhe. Und im dortigen Jugendstil-Juwel bewohnte einst Peter Behrens (1868 bis 1940) eines der schönsten Künstlerhäuser.
Der Architekt des später nach ihm benannten Hauptlagerhauses der Gutehoffnungshütte war nämlich viel mehr als „nur“ Baumeister – noch dazu von einer Vielseitigkeit, die Michael Gaigalat, den Leiter der Sammlung an der Essener Straße 80, an ein „Chamäleon“ denken lässt.
Behrens war Designer, als es dieses Wort noch nicht gab, ein Gestalter seiner gesamten Umwelt. Der Mitbegründer des gute Gestaltung für alle Dinge fordernden Deutschen Werkbundes wirkte als Maler und Typograph – und machte den aufstrebenden Weltkonzern AEG zur einprägsamen Marke. Er schuf Arbeiten aus Glas und Porzellan – und machte sich einen Namen als Haus- und Interieur-Gestalter auf der Mathildenhöhe.
Darmstadt war der Anfang seiner Karriere als Architekt. Das Behrens-Büro sollte Berühmtheiten des modernen Bauens hervorbringen: Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und Le Corbusier fingen als junge Architekten bei ihm an. Den Auftrag der Gutehoffnungshütte vollendete Behrens als Leiter der Meisterschule für Architektur an der Wiener Akademie. Er starb 1940 in Berlin, wo er in den 1930ern stadtplanerisch gewirkt hatte.
Online gibt’s tiefe Einblicke in die Depot-Bestände
Zu besichtigen ist der Peter-Behrens-Bau (bis er 2018 als „Industriemuseum auf Zeit“ öffnet) nur auf Anfrage mit einer Gruppenführung.
Zumindest virtuell ist der Depot-Bestand allerdings eindrucksvoll erschlossen – man muss sich nur vom Portal http://www.industriemuseum.lvr.de/de/startseite.html durchklicken und auf der Seite des Peter-Behrens-Baus dem dezenten Pfeil „Sammlung“ folgen.
In 13 Kapiteln von „Beschäftigt“ bis „Erfindungsreich“ können sich User von der um 1900 modischen Hutnadel bis zur Feldhaubitze „en detail“ informieren. Wer sich hier in Bilder und Text vertieft, dürfte Stunden im virtuellen Peter-Behrens-Bau verbringen.
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