Oberhausen. In der in neuen Serie „Spielplatz Oberhausen” stellt die WAZ die Mimen des Theater Oberhausen vor: Schauspieler und einige Mitstreiter aus dem Umfeld werden an ihrem Lieblingsort in Oberhausen von sich erzählen. Den Auftakt macht Publikumsliebling Torsten Bauer.
Schauspieler an ihrem Lieblingsort in Oberhausen
Seit einem Jahr sorgt das Theater im deutschsprachigen Raum für Furore, allüberall rühmt man die hohe Qualität, die Homogenität des Ensembles.
Zum Beginn der zweiten Spielzeit unter Peter Carp sind viele Gesichter auch der neuen Mimen dem Oberhausener Publikum bekannt, was sich hinter diesen Typen verbirgt, wird die WAZ ab heute in der Serie „Spielplatz Oberhausen” vorstellen.
Schauspieler und einige Mitstreiter aus dem Umfeld werden an ihrem Lieblingsort in Oberhausen von diesem Ort, von der Stadt und natürlich von sich selbst erzählen. Den Auftakt macht heute Torsten Bauer, als soeben ausgezeichneter Publikumsliebling auch in dieser Rolle ein Wiederholungstäter.
Das Spiel beginnt mit der Geburt, Torsten Bauer kommt tragödienreif zur Welt – am 13. August 1961. Mauerbau. Er wird in Berlin geboren, Ostseite: „Man konnte mich leider nicht mehr rüberschieben.” Mit diesem allerersten Auftritt muss so einer doch auf der Bühne landen.
Torsten Bauer ist Schauspieler im Oberhausener Ensemble, soeben zum zweiten Mal binnen dreier Jahre zum Liebling des hiesigen Publikums auserkoren.
Torsten Bauer – „Wie der Landwirt” – wächst in Hoyerswerda auf, macht in Cottbus sein Abitur. In Potsdam-Babelsberg, der ehemaligen Ufa-Stadt, studiert er an der Hochschule für Film und Fernsehen (DEFA), erhält am dortigen Schauspiel nach dem Diplom auch sein erstes Engagement. Potsdam ist eines der führenden Sprechtheater in der DDR neben Dresden, Berlin und Schwerin. Günter Rüger ist dort sein Lehrer, Theatergrößen wie Langhoff und Gosch arbeiten hier in jungen Jahren.
Schauspieler genießen eine gewisse Sicherheit damals jenseits des Eisernen Vorhanges, es gibt einen dreijährigen Absolventenschutz: „Da durfte man auch mal was in den Sand setzen, ohne dass man gleich gefeuert wurde. Es gab einen festen Theateretat, an dem nicht gerüttelt wurde, die Häuser waren voll. Jeder Malocher musste im sogenannten Okulei, dem ökonomisch-kulturellen Leistungsvergleich ins Theater gegen. Oft schliefen die Malocher ein, wenn sie von der anstrengenden Schicht kamen.” Man spielt aktuelle Autoren, natürlich Heiner Müller, den vielleicht sprachgewaltigsten deutschen Dramatiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Und dann fällt die Mauer, Torsten mit ein paar Kollegen abends hin, etwas ängstlich erst noch, ob ihnen nicht vielleicht eine Falle gestellt wurde, sie nun möglicherweise der Stasi in die Hände fallen. Alles aber Realität, für die ersten Wochen fahren sie fortan mit ein paar Kollegen aus dem Ensemble jeden Abend nach der Vorstellung in den Westen aus Angst davor, dass die Mauer wieder aufgebaut wird und sie auf der falschen Seite sind. Aber die Wiedervereinigung nimmt immer konkretere Züge an und Torsten Bauer geht schließlich nach München, dann für vier Jahre nach Augsburg. Es gefällt ihm besser dort oben in der Fuggerstadt als in der Millionen-Metropole, die Menschen in Augsburg sind offener als die in München.
Schließlich kommt er zurück nach Potsdam: „Die alten Kollegen guckten uns ganz komisch an, für die waren wir keine Ossis mehr, aber auch keine Wessis, wir waren Wossis.” Fünf Jahre bleibt der Wossi, der an der Uni auch wissenschaftlichen Kommunismus gehört hat, in Potsdam, dann hört er, dass sich um die Intendanz in Oberhausen ein verrückter Theaterleiter aus Moers beworben hat, er stellt sich vor: „Johannes Lepper hatte tolle Ideen und ich kannte das Ruhrgebiet nicht. Und ich muss ehrlich sagen, dass ich die Schnauze auch voll hatte vom Osten. Und den Rest von mir habt ihr hier ja alle mitgekriegt, mit Höhen und Tiefen, interessanten Regisseuren und Rollen.”
Torsten Bauer schätzt dieses Theater und sein Publikum: „Hier darf man viel falsch machen, auch mal grandios scheitern, ohne gleich gehasst zu werden. Aber man muss es ertragen, dass die Menschen einem es ins Gesicht sagen, wenn sie etwas Sch... finden. Doch man hört immer raus, dass sie sagen wollen, dass man es viel besser könne. Das alles hat mich seit 2003 hier bleiben lassen”, sagt der zweifache Publikumsliebling an seinem Lieblingsort im Bootshaus am Kanal, mit Blick auf das Umfeld der Wasserstraße, die auch einen anderen Torsten Bauer kennt.
Soeben hat er den Mont Blanc bestiegen
Er genießt diesen Ort und seitdem Kulturgastronom Hajo Sommers das Bootshaus des Rudervereines übernommen hat, liebt Torsten Bauer diesen Ort nur noch mehr. Jetzt kann er sich, wenn das Wetter mitspielt, abends nach den Proben in den Liegestuhl legen, ein Bier trinken und auf den Rhein-Herne-Kanal schauen, dessen Umfeld ihn nicht selten beinahe soviel Kraft kostet wie derzeit die Proben mit Herbert Fritsch für „Pferd frisst Hut”, den Saisonauftakt morgen Abend um 19.30 Uhr im Großen Haus.
Der Vollblutschauspieler, den man im besten Theatersinne auch „Rampensau” nennen darf, ist im zweiten Leben Sportler – ja schon Extremsportler. Die Pfade längs des Kanales sind seine Trainingsstrecke, dreimal wöchtenlich zum Essener Hesse-Bad und zurück, so um die 15 Kilometer per pedes apostolorum. Mehrere Marathons ist er schon gelaufen, seine Bestzeit liegt bei 3.38 Min.
Vor drei Jahren, als er zum ersten Mal vom Oberhausener Publikum zu dessen Liebling auserkoren wurde, konnte Torsten Bauer den Preis nicht im Theater entgegennehmen. Er bekam ihn im Zieleinlauf der Münster-Marathons überreicht, auf der Siegerbühne vor 10 000 Menschen.
Vor wenigen Wochen hat er zusammen mit dem Oberhausener Disponenten Roland Spohr den Mont Blanc bestiegen, den kompletten Jakobsweg ist er allein gegangen, Triathlons macht Torsten Bauer, der Gelegenheitsraucher, mit. Ja, er ist menschennah, liebt die kleinen Eckkneipen hier in der Stadt, in der man so günstig leben könne und sofort mit den Menschen, ob Intellektuelle oder Prekariat, ins Gespräch kommt.
Die herzliche Art des Menschentypus hier, die schätzt er, und deswegen will er dabei sein, hier ein Theater so zu machen, dass es sich unentbehrlich macht für die Stadt und ihre Menschen. Aber Torsten Bauer weiß auch um die Schattenseiten, etwa die darbende Innenstadt, mehr Kneipen müsse es im Zentrum und dessen Umfeld geben, wo man noch hingehen könne abends um 23, 23.30 Uhr, nach Proben oder Vorstellungen. Immerhin hat er das Bismarckeck entdeckt: Mit seiner Lebensgefährtin, der Schauspielerin Nora Düding, wohnt er zwei Stockwerke drüber.