Oberhausen. Die Oberhausener Turbinenhalle kann sich bisher noch dem Trend entziehen, dass Groß-Discos verschwinden. Sein Erfolgsgeheimnis verrät der Betreiber.
- Für viele einst stolze Großdiskotheken im Revier ist für immer Feierabend
- Die Turbinenhalle lässt weitertanzen – Einheitsbrei funktioniert allerdings nicht mehr
- Das Ausgehverhalten der jungen Erwachsenen hat sich grundsätzlich geändert
Vor einigen Wochen haben sie bitterlich geweint. Tränen kullerten auf die Gänge der Turbinenhalle. Es wurde sich umarmt. Und doch war es kein Abschied an diesem Ort, an dem die Gutehoffnungshütte (GHH) vor mehr als 100 Jahren riesige Turbinen in Schwung setzte, um die benachbarte Eisenhütte mit Strom zu versorgen.
In dem umgebauten Koloss aus Stein und Stahlträgern, in dem sie in den 1990er-Jahren am Mythos der Großraumdisco werkelten, war es diesmal ein Wiedersehen. Dieser Hauch von damals fegte kürzlich bei einem Rave-Festival durch die Räume. „Wir hatten die Discjockeys von früher mit dabei. Leute wie Marusha. Viele kannten sich von damals“, erinnert sich Besitzer Michael Neumann an die Retro-Sause. Einige hatten sogar die für die Techno-Paradezeit typischen Neonstulpen an den Füßen. Gut, manches T-Shirts saß nun etwas enger.
Geschäft hat sich radikal verändert
Neumann muss schmunzeln. Dabei hat die Katerstimmung die Branche längst erfasst. Woche für Woche. Nacht für Nacht. Größer und immer weiter – das gibt es auf den Tanzflächen im Revier schon lange nicht mehr. Die Dinos wanken. Kürzlich baute das „Tentorium“-Musikzelt in Duisburg entnervt die Plane ab. Große Namen wie „Tarm Center“ in Bochum und „Mudia Art“ in Essen liegen auf dem Friedhof der Kuscheltänzer. Die Geschäfte laufen schlecht.
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Und die Turbinenhalle? Die 1993 zur Disco umfunktionierten Halle scheint trotzig dem negativen Trend entgehen zu können. Sie öffnet weiterhin an jedem Wochenende. Und hat mit der „Turbinenhalle 2“ vor drei Jahren sogar noch einen zusätzlich Raum für 1500 Tänzer geschaffen. Verkehrte Welt, der Trotz als Überlebenselixier?
Doch wer genau hinschaut, sieht, dass vom alten Programm nicht viel übrig ist. „Das Geschäft ist ein ganz anderes geworden“, diagnostiziert Hallen-Boss Neumann – obwohl die Leuchtreklame des „T-Clubs“ am Gemäuer immer noch die alte ist. Damals in den 90ern lockte der Club eine ganze Generation von Schülern sogar an Donnerstagen an.
Seit 2007 führt Neumann die Geschäfte. Er leitete hier den Strukturwandel ein. Schloss in der großen Haupthalle das Discogeschäft, in der früher Tausende überwiegend zur Elektro-Musik abtanzten. Und setzte dies in der kleineren Teilhalle „Steffy“ fort — bis heute.
Die Besucherzahlen im „Steffy“ schwankten anfangs stark – von 250 bis 1500. Mittlerweile habe sich das Geschäft zwar auf gutem Niveau stabilisiert. Doch es ist ein Kampf. Jedes Wochenende aufs Neue. „Heute reicht es eben nicht mehr aufzuschließen und zu sagen: Schaut, jetzt öffnen wir den Club!“, sagt Sam Yankson aus dem Turbinenhallen-Team.
Flirts gibt es heute per Mausklick
Dass jüngere Tanzflächenbesucher im Gegensatz zu früher einfach immer später ausgehen und so weniger verzehren würden, sei aber nur ein Grund für die massiven Probleme der Branche.
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„Das Kennenlernen ist über Social Media im Internet doch viel einfacher geworden“, meint Yankson. „Früher musstest du noch rausgehen, um mit all deinen Kumpels quatschen zu können. Heute geht das per Mausklick.“ Statt schüchtern an der Tanzfläche herumzulungern, genüge für einen Flirt heute eine Nachricht bei „Whats App“ oder Tinder. Ohne Stammeln und Angstschweiß.
Der Markt sei zugleich deutlich kritischer geworden — und schnelllebiger. Ohne Partymotto und Extras laufe kaum noch was. „Wenn eine Party nicht ankommt, geht das in Minuten über Facebook rund“, berichtet Michael Neumann. Die Folge: Ein ständiges Auf und Ab an der Discokasse. Für die Kalkulation bei Geschäftsleuten ein Alptraum. Für Großraumdiskotheken mit hohen Fixkosten und viel Personal an einem Abend ist so etwas eben oft der Todesstoß.
Neumann geht einen anderen Weg. Den Großteil der für bis zu 5000 Besuchern ausgelegten Turbinenhalle nutzt er für Festivals und Konzerte. Das laufe gut. Zehn Prozent Steigerung gab es 2016. Es sind hundert Veranstaltungen pro Jahr, wohlbemerkt ohne die Discoabende am Wochenende. Die Asse im Ärmel der Turbinenhalle heißen „Punk im Pott“ oder „Ruhrpott Metal Meeting“. Kalkulierbare Einnahmen. Ein lohnendes Lebenselixier mitten im Discosterben.