Oberhausen. Beim umjubelten Konzert von Filmmusik-Legende Ennio Morricone (86) in der Oberhausener Arena sorgen Popcorn-Nascher für Störgeräusche. Zum Finale rufen viele der 8000 Fans: “Grazie!“

Es gibt sinnvoll ausgesuchte Konzert-Snacks und welche, die einfach nur nerven: Warum eifrige Verkäufer am Donnerstagabend ausgerechnet raschelndes Popcorn durch die Oberhausener Arena trugen, wird trotz aller Nähe zum Kinostoff wohl ein Rätsel bleiben. Knabbernde Nascher sorgten in einigen Teilen der Halle während feiner und stiller Orchesterpassagen folglich für Verstimmung beim Sitznachbarn. Böse Blicke inklusive.

Bei einem spektakulären Konzert der 86 Jahre alten Filmmusik-Legende Ennio Morricone waren diese Störgeräusche zum Glück nicht überall die Regel: 8000 Fans lauschten dem 150-Minuten-Konzert, das nur eine kurze Verschnaufpause unterbrach.

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Mehr als 100 Geiger, Bläser oder Vokalisten spielten im üppigen Orchester: So beeindruckend das auch klingt, an die Zahl der Werke des Star-Komponisten kommt die Musiker-Mannschaft nicht annähernd heran. Rund 500 Filme hat der Italiener in 50 Jahren mit einem Klangteppich ausgestattet. Er sorgte dafür, dass finstere Schurken auf der Leinwand noch bedrohlicher wirken oder ein romantischer Kuss auch beim Kinobeobachter aufregend kribbelt. Alles durch die Kraft der Musik.

Schweigeminute für Opfer des Flugzeugabsturzes

Doch zunächst ist es in Oberhausen still: Der Maestro bittet um eine Gedenkminute für die Opfer der Germanwings-Katastrophe. 8000 Konzertbesucher halten inne.

Morricone, im schwarzen Sakko, spricht während des gesamten Konzerts kein einziges Wort. Und doch erzählt er viel. Er versetzt die Besucher mit dem Taktstock binnen Sekunden in die Zeit von Al Capone. Die dramatische Titelmusik zu Brian de Palmas Gangster-Krimi „Die Unbestechlichen“ aus dem Jahr 1987 erklingt zuerst.

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Die musikalische Reise räumt mit einer Legende auf. Denn: Fußball ist nicht nur Bundesliga. Oberhausen nicht nur das Centro. Und Ennio Morricone steht eben für mehr als nur die Italo-Western der 60er Jahre. Im Vergleich zu anderen Genre ist die Zahl, der durch ihn vertonten Spaghetti-Western schwindend gering.

So bleibt die keifende Mundharmonika aus „Spiel mir das Lied vom Tod“ im Instrumentenschrank, ohne den Meilenstein ganz auszublenden: Die durch warme Frauenstimmen getragene Finalmelodie aus dem Klassiker von Sergio Leone ersetzt das musizierte Morricone-Synonym.

Italo-Western nur ein kleiner Teil der Karriere

Die stärksten Momente im Konzert sind eh andere: Die ironische Funk-Harmonie zum 70er Jahre Drama „Maddalena“ zum Beispiel.

Oder das furiose „The Ecstasy of Gold“ aus dem Film „Zwei glorreiche Halunken“, der auch hierzulande besser mit dem englischen Titel „The Good, The Bad and the Ugly“ verstanden wird.

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Die schwedische Sopranistin Susanna Rigacci peitscht ihre Stimme durch die Stille, erklärt damit die treibende Hysterie jeder Filmszene. Die Bilder liefert der Kopf.

In der Arena braucht es dafür keine Filmschnipsel von Leinwänden, die spartanisch gestaltete Bühne gehört ganz den Musikern.

In der Halle lauschen auch einige jüngere Cineasten. Kult-Regisseur Quentin Tarantino schmückt seine Filme gern mit alten Morricone-Melodien - von „Kill Bill“ bis „Django Unchained“. Viele seiner Zitate funktionieren erst durch die Klangkraft des Maestros.

Auch Quentin Tarantino vertraute auf Morricone-Zitate

8000 Zuschauer lassen den 86-Jährigen in der Arena nach mehreren Zugaben dann doch von der Bühne. Einige pfeifen noch beim Weg ins Parkhaus die markanten Melodien. Beim finalen Applaus erklingen "Grazie"-Rufe – und dazu mischt sich die Gewissheit, dass die Gelegenheiten rar werden, den Italiener noch einmal auf einer Konzertbühne zu sehen.