Malibu. Sein Gesicht kennt kaum jemand, seine Musik dagegen Millionen von Kinogängern: Hans Zimmer gehört zu den einflussreichsten Deutschen in Hollywood. Mehr als 140 Filme, wie „Fluch der Karibik“ und “Rush“, hat der 56-Jährige akustisch veredelt. Dabei hat der Frankfurter nie das Notenlesen gelernt. Ein Porträt.

Wenn Hans Zimmer an London denkt, erinnert er sich an schäbige Autobahnraststätten und drec­kige Arbeiterkneipen. „Dort bin ich als junger Typ mit einer kleinen Band aufgetreten“, erzählt er. „Erst kamen die Stripperinnen, dann spielten wir.“ Das sagt ein 56-jähriger Mann, der zuletzt in der schnieken Royal Albert Hall mit dem Classic Brit Award den wohl renommiertesten europäischen Musikpreis erhielt.

Der Frankfurter zählt längst zu den einflussreichsten Deutschen in Hollywood. Ein Weltstar, dessen Gesicht kaum einer kennt, der seine neue Trophäe aber neben den Oscar, den Golden Globe und den Grammy stellen kann. Mehr als 140 große Kinofilme hat der Komponist in 30 Jahren mit Musik veredelt, darunter Welterfolge wie „Rain Man“, „König der Löwen“ und „Inception“. Auch „Rush“, der Rennfahrerfilm, der am Donnerstag in Deutschland anlief, baut auf Zimmer-Fanfaren.

Keine Lust auf Klavierunterricht

Wenn man ihn trifft, ob in seinem mit Technik überfrachteten Studio in Los Angeles oder im kleinen Keller eines Festivalhotels, wirkt es so, als befände sich Zimmer in einer Parallelwelt. „Ich arbeite immer an zwei, drei Sachen gleichzeitig“, sagt er. Ist er unterwegs, spielt er selbst im Hotelzimmer auf kleinen Reise-Keyboards.

Mit elf Jahren schmuggelte er sich in eine Kinovorstellung von „Spiel mir das Lied vom Tod“. „Ich habe die Musik gehört und gesagt: Das möchte ich machen!“ Vor einiger Zeit traf Zimmer den dafür verantwortlichen Kollegen Ennio Morricone in einer Hotellobby. Er bat ihn, etwas auf dem Klavier zu spielen. Morricone wünschte sich im Gegenzug Zimmers „Gladiator“-Musik. Weltstars unter sich.

An Inspiration mangelte es nicht. Wagner und Kraftwerk nennt Zimmer in einem Atemzug. Im Elternhaus knarzte Klassik vom Plattenspieler. Zum Klavierunterricht entwickelte er dagegen keine Liebesbeziehung. „Ich kann mich erinnern, dass mein Lehrer einen Stuhl nach mir werfen wollte.“ Mit 13 Jahren begann die musikalische Rebellion. Zimmer hörte Black Sabbath, Led Zeppelin. Sein erstes Konzert? „T-Rex im Zirkus Krone in München!“ Erinnerungen.

Früh zog es ihn nach England, um letztlich Geschichte zu schreiben. „Ich wusste am Anfang nicht, wie ich meine Miete zahlen sollte.“ Ende der 70er experimentierte der Musiker als einer der ersten mit damals klobigen Synthesizern. Er schloss sich der New-Wave-Band Buggles an. Der Clip zu „Video killed the Radio Star“ war der erste überhaupt, den MTV sendete.

Noch heute wechselt er im Gespräch häufig vom Deutschen ins Englische. „Ich fühle mich da einfach sicherer!“ Der Musiker lebt in Malibu, unweit der Traumfabrik. Für einen Blockbuster soll Zimmer siebenstellige Summen kassieren. Für einen kleinen Film von Werner Herzog arbeitete er für einen Dollar Gage. Er liebt die Gegensätze.

1,3 Millionen Fans auf Facebook

Hans Zimmer hat 1,3 Millionen Fans auf Facebook. Der Mann, der niemals das Notenlesen lernte, ist Teil der heutigen Popkultur. Seine Filmmusik zu „Fluch der Karibik“ ist die meist zitierte der letzten Jahre, noch vor „Star Wars“. Ganz gleich, ob im Schulorchester, in Werbespots oder auch beim Finale der Fußball-WM.

Sein Europa hat Hans Zimmer sich in Amerika nachbauen lassen. „Ich habe meinen französischen Schreinern gesagt, baut mir ein Bordell in Wien aus dem 19. Jahrhundert“, sagt er. „Weil ich weiß, da wird jeder glücklich.“ Er lacht. Der knallrote, mit kitschigen Verzierungen versehene Arbeitsraum ist Zimmers Keimzelle für Millionen-Melodien. „Das Rot ist wichtig. Es muss gefährlich wirken, einen aufwecken.“