Mülheim. Rajesh Luthra und sein Café „Leonardo“ in Mülheim wurden im Sommer 2021 bundesweit bekannt. Zum Jogginghosen-Verbot gab es geteilte Meinungen.
Die Geschichte verbreitete sich im September wie ein Lauffeuer: Rajesh Luthra, Inhaber des Café-Restaurants „Leonardo“ an der Schloßstraße, hatte ein Jogginghosen-Verbot für sein Lokal ausgesprochen. Zunächst setzte ein Shitstorm in den Sozialen Medien ein, dann riefen immer mehr Journalisten bei ihm an, die in Zeitungen, im Radio oder im Fernsehen über die kuriose Vorschrift berichten wollten.
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„Damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet“, sagt der Gastronom, noch heute überrascht. Das Verbot gab es nämlich schon länger, bis zum Spätsommer 2021 hatte es aber keine Beachtung gefunden. Im September dann postete das „Leonardo“-Team die Regel erneut – und die Meldung ging viral. Woran das lag? Rajesh Luthra weiß es nicht. Vielleicht, weil die Menschen es durch den Lockdown gewöhnt waren, legere Kleidung zu tragen. Oder, weil Jogginghosen aktuell auch bei den bekannten Modemarken en vogue sind. „Es war aber auch kurz vor der Bundestagswahl. Vielleicht hatten die Leute einfach die Nase voll von Politik und Prognosen – und wollten mal andere Nachrichten hören“, mutmaßt der Mülheimer.
Manche Sender luden zum Mülheimer Jogginghosen-Fall einen Juristen ein
ARD, ZDF, RTL, SAT1, VOX – es gab kaum einen Fernsehsender, der nicht über den Mülheimer Jogginghosen-Streit berichten wollte. Auch viele Zeitungen aus dem gesamten Bundesgebiet sowie aus der Schweiz und Österreich stiegen bei dem Aufreger-Thema ein. „Manche Sender hatten sogar einen Juristen eingeladen und erörterten, ob es einem Gastronomen erlaubt sei, solche Regeln zu erlassen“, berichtet Rajesh Luthra.
Eine große Boulevardzeitung widmete der Story sogar ihre erste Seite. In den Sozialen Medien gab es Zuspruch, aber auch Kritik – und Kommentare unter der Gürtellinie. „Im Endeffekt stimmten uns 70 Prozent der Leute zu, ungefähr 30 Prozent waren dagegen. Die waren zwar lauter und oft auch beleidigend, aber in der Minderheit.“ Zu den Befürwortern zählten besonders viele Lehrer, was nicht verwunderlich ist: In so mancher Schule gibt es mittlerweile auch einen Dresscode.
Team will seinen Konzepten treu bleiben
Bei den Unterstützern habe man sich bedankt, die Argumente der Kritiker überdacht - sofern sie „in angemessenem Ton formuliert waren“, so der Gastronom. „Manche Leute waren der Meinung, wir hätten einen großen Fehler gemacht. Wir haben ihnen geantwortet, dass wir ihre Meinung respektieren, aber unseren Konzepten und unseren Geschäftsbedingungen treu sein wollen.“
Rajesh Luthra selbst ist der Auffassung, dass man vernünftig gekleidet zur Arbeit und ins Restaurant gehen sollte. „Ich bin in Belgien aufgewachsen und habe dort viel Zeit in der katholischen Familie eines Freundes verbracht. Am Sonntag hatten alle am Esstisch etwas Schönes an. Der Sonntag war ein besonderer Tag“, erinnert er sich. So streng sieht er die Sache bei seinen Gästen aber nicht. Aufbrezeln muss sich niemand. Aber: „Zu unserem Sonntagsbrunch kommen meist Familien. Es passt einfach nicht ins Bild, wenn dann jemand mit schmuddeliger, ausgebeulter Jogginghose am Frühstücksbuffet steht.“
Inhabergeführtes Stadtcafé
Das inhabergeführte Café „Leonardo“ an der Schloßstraße gibt es seit 2013. Schon drei Jahre zuvor hatte Rajesh Luthra das dort ansässige Lokal übernommen, damals noch als Systemgastronomie.2019 bekam das „Leonardo“ ein „Upgrade“, wurde renoviert und ganz neu und sehr individuell eingerichtet.Zum Thema „Jogginghose“ und der missverständlichen Diskussion heißt es auf der Homepage: „Wir weisen darauf hin, dass wir uns von jeglicher Art einer Diskriminierung oder gar fremdenfeindlicher Beweggründe distanzieren.“ Man rufe weder zu einem Dresscode auf, noch weise man leger und locker gekleidete Gäste ab. Man bittet um einen anständigen sprachlichen Umgang in der Pro & Contra-Diskussion.
Mit viel Liebe eingerichtetes Lokal
Das Verbot richtet sich ausdrücklich an Menschen mit zu lässigem und ungepflegtem Aussehen. Nichts auszusetzen hat der Café-Betreiber beispielsweise daran, wenn während internationaler Sport-Turniere Badmintonspieler aus aller Welt im Trainingsanzug bei ihm vorbeischauen. „Das ist ja so etwas wie eine Arbeitsuniform“, sagt er. Oft kommt es mittlerweile übrigens nicht mehr vor, dass ein Gast mit Jogginghose abgewiesen werden muss. „Mülheim ist ja eine Kleinstadt, da spricht sich so etwas schnell rum“, sagt Rajesh Luthra, der sein Lokal zusammen mit seiner Frau mit viel Liebe wunderschön eingerichtet hat.
Einige Mitbewerber oder Unternehmen haben das Jogginghosen-Thema für eigene Werbekampagnen genutzt. Die Ruhrbahn etwa tat kund: „Bei uns könnt ihr mit Jogginghose mitfahren!“. Ein Restaurant im Dichterviertel warb damit, Jogginghosen-Trägern eine Cola auszugeben. „Für die PR-Leute war das ein großes Thema. Es war ja legitim, dass andere Unternehmer zeigten, wie es bei ihnen zugeht. Ich fand das sogar lustig!“, sagt der Leonardo-Chef. Zum Interview mit unserer Zeitung erschien er mit Jeans und Sacco.