Mülheim. Shinoba Katsuragi lehrt an der VHS Mülheim und möchte eine Öffentlichkeit für die Folgen der AKW-Katastrophe in ihrem Heimatland Japan herstellen. Besonders liegen ihr dabei die Konsequenzen für die Familien am Herzen

Draußen toben? Erst die Radioaktivität messen! Verseuchte Bäche und Wiesen lassen Kinder die Natur als Gefahrenzone erleben. Schüler bekommen in den Kantinen Essen aus kontaminierten Anbaugebieten. Junge Frauen streichen ihre Familienpläne, weil sie Angst haben ein Kind mit Down-Syndrom zu bekommen. Und die Regierung verharmlost all das und propagiert Fukushima als Urlaubs- und Ausflugsort Nummer Eins.

Dieses Bild malt die Aktivistin Shinoba Katsuragi von Fukushima, wo im März 2011 AKW-Reaktoren ausfielen. Katsuragi selbst war im westjapanischen Osaka und half Menschen, die aus Fukushima geflüchtet sind. Jetzt gibt die Japanerin Integrations- und Sprachkurse an der VHS Mülheim und möchte, dass die Folgen der Nuklearkatastrophe nicht aus der Weltöffentlichkeit verschwinden. „Wenn ich nicht in Kontakt mit Bekannten aus Japan stehen würde“, so Katsuragi, „würde ich hierzulande fast nichts aus Fukushima mitbekommen“. Dabei sei das Thema topaktuell, wie die Mülheimerin betont, nicht nur für Japan. „Jedes Mal, wenn Radioaktivität in den Pazifik gelangt, kann auch der Fisch aus dem Mülheimer Supermarkt betroffen sein.“

Regierung fördert allein die Rücksiedlung nach Fukushima

Wenn Katsuragi über Fukushima aufklärt, dann tut sie das mit besonderem Blick auf die Frauen und Kinder. Unterstützt wird sie dabei von Ulrike Wester vom Frauenverband „Courage“ und Sabine Schweizerhof von der Partei MLPD.

Vortrag und Spendenaktion

Über Fukushima und die Folgen aufklären wird Shinobu Katsuragi auch vom 3. bis 5. Oktober in der TU Chemnitz. Dort findet zum elften Mal der „Frauenpolitische Ratschlag“ statt.

Die Deutsch-JapanischeGe sellschaft bietet an, für betroffene Kinder aus Fukushima zu spenden, um ihnen einen Ausflug außerhalb des kontaminierten Gebietes zu ermöglichen. Mehr Informationen gibt es unter http://hilfefuerjapan2011.wordpress.com/

„Die Familien werden in Fukushima auseinandergerissen“, erklärt Katsuragi. Viele Familien seien weggezogen, allerdings ohne den Mann, da der seinen Job nicht aufgeben konnte. „Andere Familien bleiben in Fukushima oder kehren zurück, weil sie es nicht leisten können“, so Katsuragi. Denn für einen Umzug gäbe es keine finanzielle Unterstützung. „Die Regierung fördert allein die Rücksiedlung nach Fukushima. Wer dort ohne zu zögern zurückzieht, bekommt einen Zuschuss.“

Folgen werden nicht untersucht

Dabei seien die gesundheitlichen Folgen vom Leben in Fukushima – sei es häufiges Mattigkeitsgefühl oder ein erhöhtes Leukämie-Risiko – laut Katsuragi unverkennbar. „Aber die Folgen der Radioaktivität werden von keinem Arzt untersucht“, erklärt sie. Außer man lege eine Menge Geld auf den Tisch.

Dass das Bewusstsein für Risiken der Atomkraft in Deutschland seit der Katastrophe schlagartig gewachsen ist, begrüßt Katsuragi daher sehr. „Ich fühle mich wohl in Mülheim“, betont sie. Dennoch sei es wichtig, dass man die Langzeitfolgen von Nuklearkatastrophen am Beispiel Fukushima nicht vergesse. „Denn die gehen die ganze Welt etwas an“ – erst recht da Japan 2020 zu den Olympischen Spielen laden wird.