Mülheim. . Sie haben Inklusion gelebt, als es den Begriff noch gar nicht gab: Der Verein für Bewegungsförderung und Gesundheitssport (VBGS) wurde von Alfred Beyer vor 25 Jahren gegründet. Seitdem, findet der Vorsitzende, wurde in Mülheim viel erreicht. Es ist aber auch noch viel zu tun.

Der Verein für Bewegungsförderung und Gesundheitssport (VBGS) feiert Samstag, 20. September, ab 19 Uhr in der Harbecke-Sporthalle sein 25-jähriges Bestehen mit einer inklusiven Veranstaltung samt Gebärdendolmetscher. Die kostenlosen Eintrittskarten sind bereits so gut wie verteilt. Doch das Jubiläum ist ein guter Anlass, um mit Vereinsvorsitzendem Alfred Beyer auf das Erreichte zurückzublicken.

Zur Person: Alfred Beyer

Alfred Beyer ist Vater des Vereins für Bewegungsförderung und Gesundheitssport (VBGS), streitbarer Streiter für Behindertenbelange auf lokaler und überregionaler Ebene sowie Träger des Bundesverdienstkreuzes.

Der 72-Jährige, der durch eine Knochenkrebserkrankung sein linkes Bein verlor, ist u.a. Vorsitzender der Mülheimer AGB, Lotse für Menschen mit Behinderung, lokaler Vertreter in der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe NRW.

Derzeit sprechen alle von Inklusion – und meinen damit die Schulen. Der VBGS bietet u.a. inklusive Sportkurse. Ist Inklusion für Sportvereine noch immer kein Thema?

Alfred Beyer: Eigentlich kann ich’s gar nicht mehr hören: Bevor es wirkliche Inklusion gibt, muss ein Umdenken stattfinden. Ich sage immer: Man ist nicht behindert, man wird behindert. Diese Behinderung im Alltag muss abgebaut werden. Inklusion steht und fällt immer mit den Menschen. Das ist in Schulen so und in Sportvereinen auch. Herkömmliche Sportvereine tun sich da noch schwer. Wobei man sagen muss, dass es Kinder auch kaputt machen kann, wenn sie immer die Letzten in allem sind. Es gibt Menschen, deren Handicap ist zu groß. Man kann nicht jeden einbeziehen und darf niemanden überfordern.

Macht das Leistungsprinzip in Vereinen Inklusion also unmöglich?

Beyer: Das kommt darauf an, wie ich Leistung definiere. Bei einem Kind, das stark ADHS hat, ist es eine Leistung, sich in eine Gruppe einzubringen. Der muss die 100 Meter nicht in einer bestimmten Zeit laufen. Das galt im VBGS von Anfang an. Wir waren immer inklusiv und integrativ. Und wir haben immer alle Menschen mit Handicap angesprochen: Rollstuhlfahrer, geistig und körperlich Behinderte. Das war am Anfang auch ein Problem. Die großen Verbände wollten immer separieren.

Was hat sich in den vergangenen 25 Jahren verändert?

Beyer: Vieles ist barrierefrei geworden, auch im städtischen Bereich. Auch durch die AGB (Arbeitsgemeinschaft der in der Behindertenarbeit tätigen Vereinigungen), deren Mitglied wir sind. Wenn ich sehe, wie es in Nachbarstädten aussieht, sind wir schon weit. Aber es muss noch viel getan werden. Der ÖPNV, zum Beispiel, soll bis 2020 barrierefrei ausgebaut werden – ich habe keine Ahnung, wie sie das machen wollen. Und ich weiß, wie die Realität aussieht, wenn ein E-Rolli-Fahrer Bus fahren will oder nach 22 Uhr ein Taxi braucht. . . Das ist das Umdenken, von dem ich sprach: Man darf Behinderte nicht vergessen. Wie kann es sein, dass eine Veranstaltung oder eine Kneipe ohne Behindertentoilette genehmigt wird? Das ist für mich heutzutage nicht mehr nachvollziehbar.

Wie hat sich der VBGS verändert?

Beyer: Einiges machen wir von Anfang an, wie unsere Skifreizeit für gehandicapte und nicht gehandicapte Menschen. Wir waren auch die ersten mit einer Sportgruppe für Diabetiker. Wir sind in Speldorf verwurzelt und machen viel Beratung, zum Beispiel zu Hilfsmitteln. Seit zwölf Jahren haben wir eine voll barrierefreie Begegnungsstätte an der Frühlingstraße 37 mit einem barrierefreien Internetcafé.

Ihr Name ist eng mit dem VBGS verbunden. Kann es den Verein ohne Alfred Beyer überhaupt geben?

Beyer: Nein zu sagen, wäre zu vermessen. Aber ich kenne einfach viele Leute. Es ist schwer, Menschen zu finden, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Ich versuche, Dinge auf mehr Schultern zu verteilen, aber das klappt nicht gut. Das liegt auch an unserer Vereinsstruktur: Über 50 Prozent unserer 150 Mitglieder haben ein Handicap.