Mülheim. Die Verkehrswacht fährt eine Werbetour fürs Kopfschutztragen. Der ADFC macht dagegen lieber für sichere Radwege mobil. Zwei Stimmen aus Mülheim.
„Ich trag Helm“ - unter diesem Motto radelten in der vergangenen Woche rund hundert Frauen und Männer entlang der Lahn von Marburg nach Koblenz, um Werbung für freiwilligen Kopfschutz beim Radfahren zu machen. Zu den überzeugten Teilnehmern der viertägigen Aktionstour gehörte auch Helmut Borgards, Geschäftsführer der Verkehrswacht Mülheim.
Wenn Sie nach Mülheim schauen, das alltägliche Straßenbild betrachten: Wie viele Radfahrer sind denn schon behelmt?
Helmut Borgards: Mittlerweile fifty-fifty, würde ich schätzen. Man sieht vor allem immer mehr Kinder, die Helm tragen, und oft schließen sich die zugehörigen Eltern an, weil sie von ihrem Nachwuchs Druck bekommen.
Bei welchen Personengruppen fehlt’s noch?
Borgards: Insbesondere bei jüngeren Leuten im Alter zwischen 20 und 40. Das ist die Klientel, die wir ansprechen müssen.
Es gibt aber auch viele Jugendliche, die ohne Helm unterwegs sind, weil sie einfach finden, handelsübliche Modelle sehen ungünstig aus...
Borgards: Das kann man ja auch nicht bestreiten. Fahrradhelme sind inzwischen zwar leichter geworden, bequemer zu tragen und in allen möglichen Varianten erhältlich, aber sie sehen beknackt aus, und die Frisur ist zerstört.
Vorteile mit Helm zu fahren überwiegen
Angenommen, Sie wären Vater von Teenagern, die sich vehement weigern, mit Kopfschutz in Richtung Schule zu starten. Was würden Sie tun?
Borgards: Ich bin so radsportbegeistert, dass ich sie wahrscheinlich trotzdem fahren lassen würde. Aber Eltern sollten als Vorbild dienen, indem sie konsequent selber Helm tragen. Und man sollte immer wieder auf die Kinder einreden, argumentieren. Außerdem: Die Sportler tragen so gut wie alle Helm.
Sie sind also hundertprozentig überzeugt, dass man stets mit Helm radeln sollte? Es gibt ja auch Gegenstimmen...
Borgards: Die Vorteile überwiegen eindeutig, Die schwersten Schäden und gefährlichsten Verletzungen lassen sich so verhindern. Für mich gibt es zum Helmtragen im Grunde gar keine Alternative.
Radsport mit Helm, Brötchenholen ohne
Borgards: Er beschäftige sich seit nunmehr 30 Jahren mit dem Thema Helm, erklärt Burkhard Schmidt, der beim ADFC Oberhausen/Mülheim e.V. unter anderem als Referent für Rad-Sicherheit fungiert. Für obligatorischen Kopfschutz auf Werbetour gehen würde er aber mit Sicherheit nicht.
Die Quote in Mülheim
Wie sieht es mit der Helm-Moral der Mülheimer Radfahrer aus?
Burkhard Schmidt: Wir haben im Straßenbild eine Quote von etwa 15 Prozent. Man sollte aber erst einmal fragen, ob Helmtragen wirklich zu weniger Verletzungen führt. Die Wirksamkeit bei größeren Fallhöhen wird nämlich überschätzt und ist umstritten. Außerdem: Auf die Ursachen der Radunfälle und Stürze geht die Aktion der Verkehrswacht offenbar nicht ein. Gefahrensituationen und Verhaltensänderung auch der Autofahrer (z.B. fehlender Schulterblick, enges Überholen) werden unseres Wissens nicht thematisiert. Für uns ist das eine Alibi-Diskussion.
Wie handhaben Sie es selber?
Schmidt: Ich trage einen Helm, wenn ich zur Arbeit fahre oder sportliche Touren mache. Aber nicht zum Brötchenholen.
Ich kenne Eltern, die ihren Teenager-Töchtern das Radfahren verbieten, weil die Mädchen sich weigern, Helme zu tragen. Was halten Sie davon?
Schmidt: Als praktizierender Vater halte ich das wirklich für Blödsinn. Ab 13, 14 Jahren ist Helmtragen uncool, die Jugendlichen werden gemobbt. Meine Söhne haben aber im Kindesalter immer freiwillig Helm getragen, und das finde ich sehr sinnvoll. Falls der Helm passt
Die Sicherheit
Welchen Kurs fährt der ADFC in puncto Rad-Sicherheit?
Schmidt: Wir möchten sichere Radwege und haben in Mülheim mit „Knackpunkt-Touren“ gefährliche Stellen und suboptimale Radverkehrsanlagen thematisiert. Zielgruppenorientierte Information wäre wirkungsvoller, als sich auf die sehr umstrittene Schutzwirkung von zwei Zentimetern Styropor zu verlassen.
Helm-Gegner sind Sie aber offenbar nicht?
Schmidt: Selbstverständlich wendet sich der ADFC nicht dagegen. Aber eine Helm-Pflicht würde insgesamt mehr schaden als nutzen. Denn die Zahl der Radfahrer würde schlagartig abnehmen.