Mülheim. . Weil das Saarner Kloster, das in diesem Jahr sein 800-jähriges Bestehen feiert, schräg gegenüber liegt, ordnete der LVR als Teil des Bebauungsplansverfahrens archäologische Grabungen an. Dazu rückte nun ein Bagger an, der tatsächlich fündig wurde.

Hört der Laie von „archäologischen Grabungen“, denkt er an Schüppchen und Pinsel, an Kleinstarbeit und Feingefühl. Woran er nicht denkt, ist ein großer roter Bagger, der mit Wucht eine Schneise durch den Boden pflügt. Doch eben so sehen sie aus, die archäologischen Grabungen in Saarn, die der Landschaftsverband Rheinland (LVR) zur Auflage gemacht hat.

Denn in direkter Klosternähe, wo gerade der Bagger seine Schaufel senkt, will der Mülheimer Wohnungsbau (MWB) für die Mitglieder des Vereins Lina ein Mehrgenerationenhaus bauen. Ausgegraben wurde an der Klosterstraße auch tatsächlich was: Mauerreste und Bauschutt (noch) unbestimmten Alters.

Archäologie läuft maschinell

Um noch mal auf das Klischee vom Archäologen mit dem Pinsel zurückzukommen: Zur Schaufel wird nur gegriffen, wenn es nicht anders geht. „Wir machen alles maschinell. Mit dem Bagger kann man zwei Zentimeter abtragen. Damit ist man feinfühliger als so mancher mit dem Spaten“, sagt Ute Becker. Sie muss es wissen, ist sie doch Archäologin und in Saarn verantwortlich. Das Bild vom per Hand buddelnden Grabungsteam stamme meist aus Ländern, die präzise maschinellen Möglichkeiten nicht hätten und in denen andere Verhältnisse herrschten. „Ich kann mir schlecht 15 Saarner holen und denen eine Schaufel in die Hand drücken.“ Nun, wenn sie es so formuliert . . .

Zurück zur Klosterstraße. Dort will MWB den Lina-Mitgliedern alternatives Wohnen ermöglichen. Sehr alte Karten und Pläne zeigen auf dem dafür ausgewählten Gelände jedoch Gebäude an. Es könnten Wirtschaftsgebäude des Klosters gewesen sein. Sie könnten gar aus dem Mittelalter stammen – man weiß es nicht. Alles, was man weiß ist, dass sie vor 1850 abgebrochen wurden. Deshalb entschied der LVR: Das muss untersucht werden.

Planungen laufen seit 2009

Die Idee, gemeinsam ein Projekt für alternatives Wohnen zu entwickeln, entstand 2007 aus dem Netzwerk Saarn. Im Jahr 2009 machten diejenigen, die „schnell bauen“ wollten, ernst und schlossen sich zu dem Verein Lina zusammen, was für „Leben in Nachbarschaft – alternativ“ steht. Mit dem Mülheimer Wohnungsbau fand man einen Partner.

Nach jahrelangen Vorbereitungen entscheidet nun der Planungsausausschuss im November über den Bebauungsplan. Die Grabungen sind Teil des dazugehörenden Verfahrens.

Das geschieht seit Donnerstag. Auf 500 m² werden „Suchschnitte“ gesetzt, also der Mutterboden abgetragen. Das geschieht da, wo laut den MWB-Plänen das Haupt- und das Nebengebäude sowie die Regenwasserversickerung entstehen sollen. Mit dem größten Areal war man am Donnerstag schnell durch. Am künftigen Standort des Hauptgebäudes war – zur Erleichterung der Bauherren – nichts zu finden.

Aufwendigere Untersuchungen nötig

Anders sah es bei der Regenwasserversickerung aus, wo der Bagger etwas freilegte, das laut Ute Becker „auf Gebäude hinweist und Mauerreste sein könnten“. Sie wird beide untersuchen, hat vom LVR aber bereits die Erlaubnis, sie „wegzuforschen“. Denn: „Der Archäologe untersucht immer zerstörend, um zu sehen, wie es aufgebaut ist, was darunter ist.“ Anhand der Steine und eventueller Beifunde wie Scherben bestimmt sie das Alter.

Beim Wort „zerstörend“ spürt man bei den Vertretern von MWB und Lina Erleichterung. Die Sorge, dass ein archäologischer Fund die Baupläne über den Haufen werfen würde, war da. „Das ist eine Beruhigung“, sagt Carsten Czaika, bei MWB Abteilungsleiter Planung und Bauen. „Falls es nötig ist, können wir die Außenplanung noch umstellen.“ Hauptsache, die Gebäude können so bleiben. Und während er dies sagt, stößt die Baggerfahrerin auf dem Areal des Nebengebäudes auf Schuttreste. Nach dem ersten, kleinen Fund ist das nun doch „was Größeres“. Auch das wird die Planungen wohl nicht über den Haufen werfen. Aber es macht weitere, aufwendigere Untersuchungen nötig.

Denn wenn Ute Becker ihren Blick über die Grube schweifen lässt, ist für sie klar: „Hier muss es ein großes Loch gegeben haben.“ Eine Kiesgrube hält sie für möglich, die mit allem, was damals da war, verfüllt wurde. Nun wird sie „die Grenze nach unten“ ermitteln. Dabei hofft sie, nicht tiefer als die von MWB geplante Baugrube von 2,50 Metern gehen zu müssen. Und sie wird das Alter anhand des Füllmaterials bestimmen. Schiefer und Ziegel sieht sie auf den ersten Blick. „Ziegel gibt es im Rheinland seit dem zwölften Jahrhundert“, weiß Ute Becker, räumt aber ein: „Es wird näher am 20. Jahrhundert sein als am zwölften.“