Mülheim. Der Abschuss der drei ausgebüxten Tiere aus der Damwild-Herde in Mülheim ruft viele wütende Bürgerreaktionen hervor. Viele zweifeln an der Notwendigkeit der Maßnahme. Auch der Tierschutzverein distanziert sich von den Ereignissen. Unter den erschossenen Tieren befand sich auch ein Kalb.

Die Stimmung ist, gelinde gesagt, aufgeladen. Nachdem am vergangenen Wochenende sechs Tiere aus der Damwild-Herde, die während des Pfingst-Unwetters aus dem Gehege im Witthausbusch entkommen war, von Jägern erschossen worden sind, reißen die Reaktionen von aufgebrachten Bürgern nicht ab. Viele fragen sich, ob es keine anderen Möglichkeiten gegeben hätte, als die Tiere „einfach abzuknallen“, wie es die meisten ausdrücken.

Noch sind drei der ausgebüxten Tiere im Witthausbusch unterwegs, darunter ein Kalb, das erst nach dem Sturm, also außerhalb des Geheges, geboren worden ist. Der fürs Wildgehege verantwortliche Verein „Tierfreunde Witthausbusch“ will weiterhin versuchen, diese drei Tiere – neben dem Kalb eine Kuh und ein Hirsch – zurück ins Gehege zu locken. Das sei auch bei den anderen „Ausbrechern“ versucht worden, dann aber wegen mangelnden Erfolgs abgebrochen worden. Die Folge war die Freigabe zum Abschuss. Die Polizei, die nach den Schüssen am Freitagabend zum Witthausbusch gerufen worden war, hat an dem Vorgehen nichts zu beanstanden und verweist auf das Recht des Jagdpächters.

„R.I.P. Damwild – Ruhe in Frieden"

„Ich würde mich mit diesen Leute nie an einen Tisch setzen“, sagt Claudia Keller aufgebracht. Sie war es, die am vergangenen Wochenende den Zettel am Witthausbusch-Zugang am Von-Behring-Platz angebracht hat, auf dem zu lesen ist: „R.I.P. Damwild – Ruhe in Frieden. (...) An diejenigen, die es angeordnet haben: Lasst Euch den Braten schmecken.“

Die Holthausenerin ist empört über das, was sich quasi vor ihrer Haustür abgespielt hat. Ihr Mann war an dem Abend mit dem Hund unterwegs, als die Schüsse fielen, er sah, wie ein Auto in den Wald fuhr und dort die erlegten Tiere eingeladen wurden. Auf seine Nachfrage, was denn da vor sich gehe, habe er nur eine nichtssagende Antwort erhalten, berichtet Claudia Keller, die der Sache gemeinsam mit weiteren Anwohnern auf den Grund gehen will. Und verhindern will, dass auch die Mufflon-Gruppe dezimiert wird.

„Die Mufflons müssen weniger werden“

Denn, so bestätigt Frank Lenz vom Verein „Tierfreunde Witthausbusch“: „Die Mufflons müssen weniger werden.“ Wenn sich kein anderes Zuhause für die Tiere finde, würden auch von ihnen welche erschossen. 15 Mufflons seien überzählig. Dass sowohl bei den Wildschafen als auch beim Damwild der Bestand „bereinigt werde“, so Lenz, sei normales Vorgehen. Auch in den Vorjahren seien regelmäßig Tiere geschossen worden, um den Vorgaben des Tierschutzes, etwa was die Dichte des Gehebesatzes betreffe, zu entsprechen. Lenz: „Wenn ich solche Gatter haben will und nicht nur Kühe, sondern auch Hirsche und Kälber sehen will, muss ich mir darüber klar sein, dass der Zuwachs abgeschöpft und gegessen wird.“

Tierliebhaber sehen das offenbar anders: Auch bei Heidrun Schultchen, erste Vorsitzende des Tierschutzvereins Mülheim, stand in den vergangenen Tagen das Telefon nicht still. „Wir stehen da außen vor, das ist nicht unser Gehege, deshalb können wir nichts machen“, sagt Schultchen. Der Tierschutzverein aber distanziere sich ausdrücklich von den Ereignissen im Witthausbusch und bedauere, dass keine alternative Lösung gefunden werden konnte. „Das hätte nicht so sein müssen“, sagt die Vereinsvorsitzende und meint den finalen Abschuss der Tiere. Schließlich gebe es in vielen Waldgebieten Mülheims Wild, und die allermeisten Waldgebiete grenzten, wie auch der Witthausbusch, an Straßen. Dass die Tiere auf die Straße laufen und somit eine Gefahr darstellen könnten, war als Grund für den Abschuss angeführt worden. „Dann“, sagt Heidrun Schultchen, „müsste man alle Rehe abknallen, die es in Mülheim gibt.“

Wild wurde vergeblich angelockt

Bestürzt hat auch Manfred Stachelhaus auf den Abschuss des Damwilds reagiert. „Ich füttere das Wild schon viele Jahre, mehrmals in der Woche gehe ich hin, auch im Winter“, erzählt der Mülheimer. Er habe sich einen Lokruf zugelegt, auf den die Tiere mittlerweile gehorchten. „Die kommen sogar, wenn die unten in der Hütte sind“, sagt Manfred Stachelhaus.“ Als er dann von den Schüssen und den toten Tieren hörte, sei das „ein Schlag“ für ihn gewesen. „Man baut ja doch eine Beziehung zu denen auf.“

Beim Anlocken der restlichen drei ausgebüxten Tiere hilft Stachelhaus nun gemeinsam mit anderen Ehrenamtlichen nun mit. „Der Hirsch war schon bis zum Eingang des Geheges, dann hat er aber wieder abgedreht.“ Noch aber haben sie Geduld, sagt Stachelhaus: „Wir bleiben am Ball.“

Auch der Verein „Tierfreunde Witthausbusch“ hatte vor der Freigabe zum Abschuss versucht, die Tiere zurück ins Gehege zu locken. „Wir haben das zwei Wochen lang früh morgens bei Sonnenaufgang und spät abends versucht“, sagt Frank Lenz, dann aber – wegen der potenziellen Gefährdung des Straßenverkehrs durch die Tiere – die Abschussfreigabe verfügt.