Mülheim-Holthausen. . Das verheerende Unwetter von Pfingstmontag hat auch das Damwild-Gehege im Witthausbusch beschädigt. Einige Kühe und Hirsche entkamen. Sechs von ihnen sind am Wochenende erschossen worden - zum Entsetzen der Anwohner. Jetzt hat sich auch die Stadt zu den Vorfällen geäußert.
Für Generationen von Mülheimer Kindern war das Tiergehege im Witthausbusch ein beliebtes Ausflugsziel. Seit dem Unwetter an Pfingsten aber ist der Wald und damit der Weg zu Damwild, Mufflons und all den anderen tierischen Bewohnern versperrt. Selbst wenn das Idyll eines Tages wieder freigegeben wird, könnte es sich deutlich unterscheiden von seinem einstigen Zustand. Hunderte Bäume sind beschädigt, viele ganz zerstört – und womöglich wird auch das Damwild-Gehege aufgegeben, deutete jetzt Frank Lenz an, Schatzmeister des verantwortlichen Vereins „Tierfreunde Witthausbusch“.
Auslöser für das Gespräch mit Lenz waren Anrufe und Redaktionsbesuche von aufgebrachten Anwohnern: Das wunderbare Damwild, welches beim Sturm ausgebüxt sei, werde „einfach erschossen“, beklagte etwa Jutta Zimmermann (74). Unter Tränen berichtete sie von einem Zettel am – weiterhin verschlossenen – Zugang am Von-Behring-Platz. Eine Art Todesanzeige hänge da am Zaun: „R.I.P. Damwild“ steht dort, zu Deutsch „Ruhe in Frieden Damwild“.
„Ich konnte die Schießerei am Freitagabend gut hören“
Und weiter: „Es tut mir unendlich leid, dass Du/Ihr gestern Abend (Nacht & Nebel) auf der Wiese abgeknallt wurdet! An diejenigen, die es angeordnet haben: Lasst Euch den Braten schmecken.“ Dass die handzahmen Hirsche und Kühe getötet worden seien, könne sie keinesfalls hinnehmen, sagte Zimmermann – „die Tiere sind doch wichtig für uns; sie sind etwas für die Seele“.
Auch Nachbar Michael Adam (49) ist entsetzt vom Geschehen: „Ich konnte die Schießerei am Freitagabend gut hören und habe am Samstag frisches Blut auf den Waldwegen gefunden.“ Er verstehe nicht, warum das passiert sei, „zumal in der Schonzeit“. Er habe aber gehört, dass sich die Jäger mit Gefahr im Verzug herausgeredet hätten. „Das tun sie immer, wenn sie mal wieder etwas auf die Gabel brauchen.“ Anstelle der tödlichen Schüsse, so findet Adam, hätte man die Tiere betäuben und ins Gehege zurückbringen sollen. „Vor welchem Hintergrund hat man in unserem Freizeit- und Erholungspark herumgeschossen?“, fragt er.
Tiere zum Abschuss freigegeben
Lucia Lenkeit (45) möchte ebenfalls wissen, auf welche Gesetze sich die Verantwortlichen beziehen. Sie hatte am Freitag auf der Wiese am Spielplatz beobachtet, wie „zwei Männer mit Flinten“ hinter den Tieren hergelaufen seien. „Ich habe extra noch mit dem Schlüsselbund gerappelt, damit sie aufgeschreckt werden und fliehen können.“ Genützt habe es nichts; „die Schüsse waren klar zu hören“.
Dass die Tiere zum Abschuss freigegeben worden sind, bestätigte Stadtsprecher Volker Wiebels. Der Verein habe „das Eigentum daran aufgegeben“, nachdem zunächst erfolglos versucht worden sei, Hirsche und Kühe mit Futter zurück ins Gehege zu locken. Durch diese Eigentums-Aufgabe seien die Gehegetiere zu Wildtieren geworden, und man habe sie waidgerecht erlegen dürfen.
Schilder warnen vor Wildwechsel
Das sei im Übrigen schon deshalb gerechtfertigt, „weil sie spätestens, wenn der Wald wieder auf ist, zu einem Problem geworden wären“. Es bestehe die Gefahr, dass sie von Hunden Richtung Straße gehetzt und in den Verkehr geraten könnten. „Deshalb haben wir bereits Schilder aufgestellt, die vor Wildwechsel warnen.“ Zudem könnten sich die Tiere im Wald schlecht allein ernähren – „sie sind dran gewöhnt, mit Raufutter versorgt zu werden, also mit Gras oder Heu“.
Vereinsvorstand Frank Lenz bedauert die Entwicklung, „wir sind alle bedröppelt – doch wir haben getan, was wir tun mussten“. Die Idee, die Tiere per Betäubung einzufangen und ins Gehege zurückzubringen, sei gescheitert an gesetzlichen Vorgaben: „Dafür braucht man eine unmittelbare Gefahr, die vom Tier ausgeht – die hatten wir hier natürlich nicht.“
Und auch ohne Sturm hätte man Teile des Damwildes irgendwann erschießen müssen: aus Platzgründen und wegen Inzuchtgefahr. Wie’s weitergeht? Lenz ist sich unsicher; man überlege in viele Richtungen. Womöglich wird das Damwild ganz abgeschafft oder das Gehege nur noch mit weiblichen Tieren betrieben. „Jetzt wird erst mal aufgeräumt – dann sehen wir weiter“, sagt er.