Mülheim-Holthausen. Vier 40 Jahre alte und viele Meter hohe Tannen krachten aus dem Garten des Nachbarn auf das Grundstück eines fast 90 Jahre alten Ehepaares in Holthausen. Ein Gartenhaus mit Dachgiebel und Dachpfannen wurde dabei massiv beschädigt. Das verzweifelte Ehepaar fragt: Wer ersetzt uns den Schaden?

„Man fühlt sich so allein gelassen“, klagt die alte Dame. Sie geht auf die 90 zu und lebt gemeinsam mit ihrem Mann seit 1956 in ihrem Eigenheim in Holthausen. Doch Sturm „Ela“ hat zu Pfingsten große Schäden in ihrem Garten hinterlassen. Während ihre eigenen Bäume den Sturm schadlos überstanden haben, sind vom Nachbargrundstück vier 40 Jahre alte und viele Meter hohe Tannen auf ihr Grundstück gekracht. Sie begruben dabei auch das Gartenhaus unter sich. „Wer kommt für den Schaden auf?“, fragt sich das Paar.

Der Baum hat das Dach des Gartenhauses verschoben, jetzt regnet es rein. Rund 20.000 Euro würde es kosten, Haus und Dach wieder zu reparieren, hat ein Dachdecker geschätzt. Das Gartenhaus wurde ebenso wie das Wohnhaus im Krieg gebaut. Es ist aus Stein, hat ein mit Pfannen gedecktes Giebeldach und diente im Krieg als Behelfsheim. Früher liebten es die fünf Kinder des Paares das Haus als Ort zum Spielen zu nutzen, heute stehen hier die Gartengeräte. Muss nun der Nachbar für die Schäden aufkommen, die seine Bäume an dem Haus hinterlassen haben?

Infos zu Haftungsfragen im Internet

Das besondere Problem des Paares: Der Nachbar, auf dessen Grundstück die Tannen direkt an der Grundstücksgrenze standen, ist im Mai verstorben und die Erbfrage ist wohl noch nicht ganz geklärt. Kontakt zu den potenziellen Erben, die nicht in Mülheim wohnen, gibt es aber ohnehin nicht. Bisher hat das alte Ehepaar nichts über die Schadensregelung in Erfahrung bringen können: „Keiner fühlt sich zuständig“, ist das Resümee nach Telefonaten mit verschiedenen Stellen. Das Paar hat die WAZ um Hilfe gebeten.

Wir haben im Internet recherchiert und keine guten Nachrichten für die Holthausener. Der Sturm fällt unter „höhere Gewalt“, niemand trägt Schuld daran – also muss auch niemand für Schäden aufkommen. Die Stadt Mülheim hat als Bürgerservice auf ihrer Seite im Internet Informationen zu Haftungsfragen aufgelistet. Möglich wäre es, den Schaden der eigenen Gebäudeversicherung zu melden. Die kommt dafür aber nur dann auf, wenn Schäden durch Sturm und Hagel mit versichert sind und in der Police ausdrücklich Nebengebäude, wie Gartenhaus oder Garage, mit aufgenommen sind. Das allerdings ist nicht der Fall, die Versicherung wurde vor Jahrzehnten abgeschlossen. „Das hat man damals noch nicht gemacht.“

Fast 100 Stunden Garten aufgeräumt

Fast 100 Stunden haben die auswärts wohnenden Kinder des Paares inzwischen im Garten gearbeitet, um wenigstens einen Teil der Verwüstung zu beseitigen. Der Schwiegersohn hat sich dafür extra zwei Tage Urlaub genommen. Vier Fuhren Gehölz haben die Kinder schon mit einem Anhänger weggebracht. Doch ein Ende ist noch nicht in Sicht. Denn die großen Baumstämme sind so schwer, dass die gar nicht von Hand angehoben werden können.

Höhere Gewalt

„Sturmschäden entstehen durch höhere Gewalt; sie beruhen auf Gegebenheiten und Gewalten der Natur und werden nicht durch menschliches Handeln verursacht“, schreibt die Stadt auf ihrer Homepage. Die Stadt hafte somit nicht für Schäden durch von städtischen Bäumen fallende Äste oder Bäume, die wegen eines Sturmes abgebrochen sind.

Diese Rechtslage gilt auch für Schäden auf Friedhöfen z.B. für umgestürzte Grabmäler, erklärt die Stadt. Sie rät Geschädigten, ihre Gebäude- und/oder Autokaskoversicherung einzuschalten, die den Schaden gegebenenfalls ersetzt. Weitere Info der Stadt: www.muelheim-ruhr.de/cms/haftung_bei_sturmschaeden.html

Für das Aufräumen des Gartens wäre eigentlich der Nachbar zuständig, auf dessen Grundstück die Bäume standen... Notfalls kann das auch vom Nachbarn gerichtlich eingefordert werden.