Mülheim. Wie wird man Kommunalpolitiker? Nach der Wahl am 25. Mai gab es für die neuen Ratsvertreter schon mehrere Treffen. Die NRZ hat mit dem Piraten Carsten Trojahn darüber gesprochen, wie er sich vorbereitet. Der 34-Jährige ist Einzelkämpfer im Rat, weiß die anderen Freibeuter aber hinter sich.
Stadtverordneter. Das kann man nicht lernen. Das kann man nur werden. Aber wie wird man es? Carsten Trojahn, der bei der Kommunalwahl für die Piratenpartei ins Stadtparlament eingezogen ist, durchlebt gerade diese Wandlung vom einfachen Bürger zum Kommunalpolitiker.
„Da wusste ich, dass sich die Arbeit des Wahlkampfes gelohnt hat und jetzt noch mehr Arbeit auf mich zukommt“, erinnert sich Trojahn an den Moment, als Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld am Wahlabend im Rathausfoyer das Wahlergebnis und auch seinen Namen verlas.
„Ich habe keine Angst vor dem Ratsmandat"
Sein Ratsmandat, das er bei der Kommunalwahl am 25. Mai gewonnen hat und das der Wahlausschuss durch die Feststellung des amtlichen Endergebnisses am 2. Juni bestätigt hat, hat Trojahn übrigens erst am vergangenen Dienstag offiziell angenommen. Denn erst an diesem Tag bekam er den entsprechenden Brief aus dem Rathaus, der ihn über seine Wahl informierte und ihn fragte, ob er sein Mandat annehmen oder ablehnen wolle. Dass er sein Mandat annahm, war für Trojahn keine Frage. „Ich habe keine Angst vor dem Ratsmandat, sondern freue mich darauf, weil ich nur auf dem Papier als alleiniger Ratsvertreter der Piraten ein Einzelkämpfer bin, in der Praxis aber von einem harten Kern von zehn aktiven Piraten unterstützt werde“, sagt Trojahn.
Vor der heutigen Konstituierung des neuen Stadtparlaments hat er das Allgemeine Rats- und Informationssystem der Stadt (Allris)durchgearbeitet, das man unter www.muelheim-ruhr.de auf der Internetseite der Stadt abrufen kann, um sich auf den politisch aktuellen Stand zu bringen und nicht bei null anfangen zu müssen. „Man muss sehr viel lesen und verstehen“, sagt Trojahn. Er ist froh, dass ihm die Zehnergruppe der Piraten inhaltlich zuarbeitet.
Zwei bis drei Stunden pro Tag für Kommunalpolitik
„Ich investiere zurzeit zwei bis drei Stunden pro Tag in Kommunalpolitik. Das ist im Vergleich zum Wahlkampf sehr angenehm“, beschreibt der 34-Jährige seinen Zeit- und Arbeitsaufwand. Er hat sich vorgenommen, „in meiner Ratsarbeit nicht zu verbrennen.“
Probe gesessen hat er im Ratssaal bereits. Hinten links ist sein Platz. Das weiß er schon. Den entsprechenden Vorschlag, den die Stadtverwaltung am 3. Juni bei einem ersten Treffen im Ratssaal gemacht hat, hat Trojahn akzeptiert. „Ich hätte mich auch weiter nach vorne setzten können, aber ich messe meinem Platz hinten links keine Bedeutung zu. Hauptsache, ich habe meinen Platz im Rat“, unterstreicht der designierte Stadtverordnete.
Vom Wohlwollen der Ratsmehrheiten abhängig
An jenem ersten Dienstag im Juni war Trojahn nicht allein im Ratssaal. Die Verwaltung hatte nicht nur ihn wenige Tage nach der Wahl per E-Mail zum Vorbereitungstreffen in den Ratssaal eingeladen. Vertreter der Fraktionen und Gruppen wurden von der Verwaltung über die Einzelheiten der konstituierenden Ratssitzung informiert. „Bei dieser Sitzung werden auch die Aufsichtsratsmitglieder der städtischen Beteiligungsgesellschaften gewählt. Aber dabei werde ich keine Chance haben. Das machen die Fraktionen unter sich aus“, gibt sich Trojahn bescheiden und realistisch.
Konkrete Aussichten haben die Piraten und ihr Ratsvertreter aber auf monatlich 850 Euro, die sie als Zuwendung aus der Stadtkasse bekommen sollen, wenn der Rat die entsprechende Verwaltungsvorlage bei seiner Konstituierung am 16. und 17. Juni beschließen sollte. Spätestens dann wird Trojahn erfahren, ob er nur in einem oder in drei Ratsausschüssen mitarbeiten kann. Erst dann kann er seine entsprechende Option angeben, die auch seiner persönlichen Neigung folgen wird.
Ein Ausschussmandat, das hat er am 3. Juni erfahren, steht ihm rechtlich zu. Alles weitere ist vom Wohlwollen der Ratsmehrheiten abhängig. „Als Einzelvertreter kann ich ohnehin nur beratend an Ausschusssitzungen teilnehmen, aber auf jeden Fall mitdiskutieren und in allen Ausschüssen Anträge stellen“, weiß der kommende Kommunalpolitiker.
Rechte und Pflichten
Eine Option, nämlich die für das „papierlose Mandat“ hat Trojahn bereits am vergangenen Dienstag wahrgenommen. „Das spart auf jeden Fall Geld“, begründet er seinen damit verbundenen Anspruch auf ein I-Pad, über das er alle Ratsvorlagen elektronisch empfangen und bearbeiten kann. Als Mitglied einer basisdemokratisch und internetorientierten Partei ist Trojahn die virtuelle Datenwolke ohnehin vertrauter als der prall gefüllte Aktenordner.
Am vergangenen Dienstag hatte Trojahn einen weiteren Termin im Ratssaal, zu dem ihn die Verwaltung bereits wenige Tage nach der Wahl per Post eingeladen hatte. Dabei erklärte die Verwaltung den neuen Ratsmitgliedern, welche Rechte und Pflichten sie haben, wie man Anträge in das Allgemeine Rats- und Informationssystem einstellen kann und beantwortete darüber hinaus alle Fragen rund um die konkrete Ratsarbeit.
„Auch jenseits solcher Informationsveranstaltungen kann man seine Anfragen direkt an die Verwaltung stellen und bekommt oft schon innerhalb weniger Stunden oder spätestens am Tag darauf eine Antwort“, schildert der neue Ratsherr seine positive Erfahrung mit der amtlichen Unterstützung aus dem Rathaus. In dieser Woche will Trojahn mit seinen Piraten-Parteifreunden auch darüber beraten, wie die monatlichen Zuwendungen von 850 Euro verwendet werden sollen. Dabei ist die Anmietung von Büroräumen für ihn eine, aber keine zwingende Option.