Mülheim. Schon in der Grundschule schien Napoleon Egbules Weg vorgezeichnet: „Sonderpädagogischen Förderbedarf“ attestierte man ihm. Heute steht der 16-Jährige kurz vor dem Schritt in die Oberstufe. Er möchte sein Abitur machen und studieren.
Dass Napoleon Egbule mal ein Störenfried war, der Klassenclown, der nie still sitzen konnte, alles kommentieren musste und manche Lehrer damit fast wahnsinnig machte – das scheint heute unvorstellbar.
Der hoch gewachsene 16-Jährige wirkt zurückhaltend, fast schüchtern, wie er so dasitzt, sich mit den Händen durch die kurzen Haare fährt, und vorsichtig seine Worte wählt. „Es ging mir früher vor allem darum, cool zu sein“, sagt er. Und zum Coolsein gehörte eben auch: ständig im Mittelpunkt stehen, aufbrausend sein, sich provozieren lassen, sich prügeln. Sein Verhalten und seine Lernschwierigkeiten waren schon in der Grundschule aufgefallen: „Sonderpädagogischen Förderbedarf“ attestierte man ihm – sein Weg schien vorgezeichnet.
Auf der Hauptschule am Hexbachtal besuchte Napoleon eine integrative Lerngruppe, die von Sonderpädagogin Maren Hoffmann begleitet wurde, doch mit seinem Verhalten machte er den Lehrern und sich selbst immer mehr Probleme.
Inspirierende Nachbarsjungen
Nach dem ersten Elternsprechtag sank die Stimmung auch zu Hause auf den Nullpunkt: PC-Verbot, Fußballverbot. „Meine Eltern wollten schon immer, dass ich was werde, Abitur mache – aber am Anfang hab ich mir nichts dabei gedacht“, sagt Napoleon. Er hatte Schwierigkeiten in Deutsch, „eigentlich in allen Hauptfächern“ und beanspruchte jegliche Aufmerksamkeit für sich. „Ich wollte Ansehen bekommen, doch da habe ich den falschen Weg gewählt“. Dabei machte es ihm eigentlich Spaß, zur Schule zu gehen, das zumindest war nie ein Problem. „Er hat so gut wie nie gefehlt“, sagt seine Klassenlehrerin Ursula Grün.
Napoleon war 14, als „es plötzlich Klick machte“, wie er heute sagt. Durch Zufall erfuhr er von den guten Schulnoten eines Nachbarsjungen, mit dem er oft unterwegs war, den er aber nie für besonders klug gehalten hatte. Und nun würde dieser Junge Abitur machen. „Wie kann das sein? Wie schafft der das?“ fragte Napoleon sich. Auch ein anderer Nachbar steuerte auf Abitur und Studium zu. Die beiden von ihren Erfolgserlebnissen und Plänen sprechen zu hören, habe ihn „inspiriert“, sagt Napoleon. Er begann in der Schule aufzupassen, sein Verhalten zu hinterfragen. Seine störenden Kommentare wurden weniger oder trugen auf einmal zum Thema des Unterrichts bei, so Ursula Grün. Dass er mit seinen ursprünglich aus Kamerun stammenden Eltern viel Englisch sprach, erwies sich nun als großer Vorteil.
Die Eltern "noch stolzer machen"
Für einen zweiten E-Kurs neben Englisch, den er für einen qualifizierten Hauptschulabschluss benötigte, paukte er Mathe, lernte mit einem Freund und ging zur Nachhilfe. Als er es tatsächlich in den E-Kurs schaffte, „war das ein gutes Gefühl“. Allerdings musste er nun noch härter arbeiten. Und er tat es, denn er hatte schon ein neues, großes Ziel vor Augen: die Qualifikation für die Oberstufe, das Abitur, und schließlich ein Studium. Das Halbjahreszeugnis immerhin sah gut aus.
Die Eltern sähen ihren Sohn gern als Maschinenbauingenieur, eigentlich möchte er ihnen diesen Wunsch erfüllen. „Sie sind stolz auf mich, aber ich möchte sie noch stolzer machen.“ Einen eigenen Traum für seine Zukunft hat er noch nicht, „vielleicht kommt das ja noch.“ Wenn alles klappt, geht Napo, wie seine Klassenlehrerin ihn nennt, nach den Sommerferien auf die Gesamtschule in Saarn, um sein Abitur zu machen. Die Nervosität ist ihm deutlich anzusehen – und man kann einfach nicht anders, als ihm zu wünschen, dass seine Erfolgsgeschichte weitergeht.