Mülheim. . Elisabeth Tittgen, geborene Remberg, wuchs im Schatten der Rumbachbrücke auf und erlebte dort die Angriffe des Zweiten Weltkrieges mit. Ihr Elternhaus blieb während des Krieges nahezu unbeschadet. Ein Nachbar, dessen Haus zerstört worden war, half der Familie mir seinen Dachziegeln.

Als die Amerikaner mit ihren Panzern die Essener Straße hinunter kamen, über die Rumbachbrücke fuhren und dann in den Oppspring hinein, da fiel Elisabeth Tittgen ein Stein vom Herzen. „Dass die Amerikaner kamen, war eine Erlösung“, sagt die 89-Jährige heute. In den Kriegsjahren zuvor aber, da hat die Holthausenerin, die im Schatten der Rumbachbrücke aufwuchs, viel miterlebt. Ihr Elternhaus – Elisabeth Tittgen ist eine geborene Remberg – stand direkt neben der Rumbachbrücke, ein Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert.

Hier erlebte sie auch die schweren Bombardements des Sommers 1943. „Eine Luftmine war ganz in unserer Nähe abgeworfen worden, die Druckwelle hatte die eine Seite unseres Daches angehoben und die Dachpfannen durcheinander gewirbelt“, erinnert sich Elisabeth Tittgen, die damals 18 Jahre alt war. Mehr an Beschädigungen hatte ihre Familie damals nicht zu beklagen. Mit Hilfe des Nachbarn, dessen Haus nach den Angriffen nicht mehr bewohnbar war und der ihnen seine restlichen Dachziegel schenkte, konnten die Rembergs ihr Dach wieder flicken.

In diesen Tagen muss es auch gewesen sein, als ein Flugzeug unmittelbar über Holthausen explodierte, blickt die Seniorin zurück: „Wir entdeckten einen Teil der Tragfläche am Oppspring, die Ölpumpe des Flugzeugs hatte ein Loch in die Wiese gerissen.“ Insgesamt fand man drei tote Soldaten in der direkten Umgebung. „Einer von ihnen hatte noch das Steuer der Maschine in der Hand“, erzählt Elisabeth Tittgen und hält kurz inne. Nach einer kurzen Pause sagt sie: „Ich hab’ niemals Tagebuch geschrieben, sowas aber vergisst man nicht.“

In Eppinghofen führten sie einen Lebensmittelladen

Elisabeth Tittgen und ihre Mann Arnold führten bis 1972 einen Lebensmittelladen an der Eppinghofer Straße 124. Nach der Aufgabe ihres Geschäfts waren die Tittgens in die Eifel gezogen, hatten dort rund 40 Jahre lang gelebt. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 2008 zog Elisabeth Tittgen 2009 zurück nach Mülheim.

Ihr Schwiegervater Hugo hatte das Lebensmittelgeschäft 1956 eröffnet, nachdem „Butter-Eier-Käse Tittgen“, das in den 30er-Jahren am Löhberg saß, beim Bombenangriff 1943 völlig zerstört wurde. Nach dem Tod des Seniors übernahmen Elisabeth und Arnold das Geschäft 1960.

Um sich vor den Angriffen zu schützen, brachten sich Elisabeth Tittgen und ihre Mutter in einem Stollen, der in Richtung Wetzmühle in den Berg getrieben worden war, in Sicherheit. „Einmal wollte ich von dort aus noch schnell zurück nach Hause laufen, um etwas zum Essen zu holen“, erzählt Elisabeth Tittgen und fährt fort: „Da flog eine Schrapnell vorbei, eine Granate, die mit Metallkugeln gefüllt ist – da bin ich schleunigst zurück in den Bunker.“

Am Morgen nach den schweren Bombenangriffen, so erinnert sich die Dame mit den weißen Haaren, sei sie wie gewöhnlich zum Dienst gegangen. Damals, als junge Frau, war sie bei der AOK am Hingberg beschäftigt. „Als wir dort ankamen, hörten wir, dass an der Ufa, dem Kino an der Schloßstraße, auch Bomben gefallen waren.“ Aus Neugierde lief sie mit ihren Kolleginnen dort hin. Und auch dort: nur Tote. „Wir sahen noch, wie sie die Leichen auf den Lkw geladen haben.“

"Wir gingen nur noch im Trainingsanzug schlafen"

Der Krieg bestimmte das Leben damals. Vorbereitet zu sein, um sich in Sicherheit bringen zu können, wenn der nächste Angriff heran donnerte, das hatten sie sich angewöhnt: „Wir gingen nur noch im Trainingsanzug schlafen, damit wir bereit waren, wenn die nächsten Bomben fielen.“ Elisabeth Tittgen berichtet: „Natürlich war man trotz allem morgens um acht beim Dienst.“ Auf der Arbeit war es auch, als sie davon hörte, dass die Amerikaner da seien, in der Nähe der Fünte seien sie bereits gesehen worden.

Da sagte Elisabeth Tittgen zu ihren Kolleginnen: „Wir gehen jetzt nach Hause.“ Im Dauerlauf sind sie dann zu dritt losgelaufen, immer entlang des schützenden Grabens. „Denn es waren ja immer noch Jagdbomber unterwegs, die schossen auf alles, was sich bewegte.“ Ihre Mutter wollte wieder in den Bunker. Sie aber, die junge Elisabeth, wollte das nicht mehr, sie wollte die Amerikaner sehen. Und als sie die ersten US-Soldanten entdeckte, wie sie die Essener Straße hinunter kamen, da dachte Elisabeth Tittgen erleichtert: „Heute Abend kann ich endlich wieder im Nachthemd zu Bett gehen.“