Mülheim. Die Ruhrgebiets-Szene traf sich beim Vintage- und Rockabilly-Trödelmarkt am Hapa Haole an der Sandstraße in Mülheim. Ein lockeres Treffen zum Stöbern und Tanzen. Alte Schlitten fuhren vor und wurden bestaunt, beim Friseur gab’s Pomade ins Haar.
Friseurmeisterin Jessica Pohlmann hat gerade keine Victory-Rolls zu legen und Zeit für ein Fachgespräch in Sachen Rockabilly-Stil. Dutzende Döschen mit Pomade sind auf ihrem Tisch versammelt: Die sind nicht für Frauen, sondern für echte Kerle. „Rockabillys sind schon etwas eitel. Die meisten, die ich kenne, haben gern 20“, sagt sie? „20 was? Frauen?“ „Nein“, entgegnet sie: „Pomaden!“
Pomade statt Promiskuität – bei aller Eitelkeit zählt offenbar Treue in der Szene. Das gilt auch für Treffs. Am Sonntagmittag hatte sich am Hapa Haole, dem American Diner an der Sandstraße, ein guter Teil der Fans der 40er und 50er Jahre versammelt: die Hillbillies mit Holzfällerhemden, die Wilden mit Lederjacke, die eleganten Greaser mit Stoffhosen und Creepers – das sind flache Schuhe mit dicken Kreppsohlen. Die Frauen hingegen zelebrieren den Look von Betty Grable oder Betty Page.
Große Szene im Ruhrgebiet
Es gibt einen kleinen Flohmarkt, auf dem Klamotten und Accessoires aus der Zeit oder zumindest in dem Stil gehandelt werden. Doch der ist ohnehin Nebensache, obwohl der aktuelle Vintage- und „Burlesque“-Trend à la Dita von Teese die Retro-Welle ordentlich in Gang gebracht haben. „Die Szene im Ruhrgebiet ist relativ groß“, erzählt Friseurin Jessica, die seit etwa einem Jahr selbst auf den Geschmack kam. „Mir gefällt die Kleidung, die Frisuren. Die Leute sind offen und tolerant, und die Typen können sogar tanzen“, schwärmt sie. Recht regelmäßig trifft man sich im Hapa Haole und angeblich am Centro, aber ansonsten ist man eben unterwegs zu den Treffs im ganzen Land oder auch in Belgien.
Für Achim Lichtenscheidt ist ,unterwegs’ übrigens das Stichwort: Er ist mit seinem petrolfarbenen Pontiac Strato Chief Pane Lane vorgefahren. Das Modell stammt von 1962 und Lichtenscheidt hat es aus Südafrika importiert. Eine kleine „Winke-Queen“-Puppe wackelt vom Kühlergrill grüßend mit der Hand. „Ich mag einfach das Verspielte an den Autos aus dieser Zeit“, gesteht er. Die auf Windschnittigkeit getrimmten Kutschen von heute sind nicht sein Ding. „Mich interessieren die USA, speziell die 40er- bis 60er-Jahre, das waren Zeiten der Umbrüche.“
Apropos: Im Hapa Haole geht’s derweil hoch her. Während die einen Burger und Fritten futtern, trainieren sich die anderen den Bacon wieder ab. Es gibt professionelle Nachhilfe in Rock’n’Roll, und so dauert’s nicht lang, bis eine ganze Menge Gäste sich in der Mitte versammelt hat und die Pettycoats fliegen. Und tatsächlich: Sogar die Kerle können tanzen.