Mülheim. . Eltern zu Experten machen: Das wollen die Familienhebammen leisten. Derzeit betreuen sie rund 100 Familien und ihre Kinder von der Schwangerschaft bis zum ersten Lebensjahr. Nun luden sie Experten aus NRW zur Fachtagung ein. Eine Studie begleitet die Arbeit.
Jennifer Jaque-Rodney und ihre Kolleginnen haben Melanie Brose gezeigt, dass sie trotz ihrer schwierigen Vorgeschichte eine gute Mutter für ein gesundes Kind sein kann. „Sie sind mir als Mensch auf Augenhöhe begegnet und haben mir Mut gemacht, nach Gefühl zu handeln.“
Zu dritt betreuen die Mitarbeiterinnen des Projekts „Familienhebammen und Frühe Hilfen“ zurzeit etwa 100 Familien mit ihren Kindern – von der Schwangerschaft an, bis zum ersten Lebensjahr. Nun luden sie zu einer Fachtagung in die Stadthalle ein, bei der sich die rund 120 Teilnehmer über das Thema „Frühes Fördern von Anfang an“ informierten.
„Wie werden sie mit mir umgehen?“
Melanie Brose hat sich ein Herz gefasst und berichtet den Besuchern im Konferenzraum von ihrer Geschichte. Sie erzählt von einer Kindheit, in der es nie Zuverlässigkeit gab, von ihrer Drogenabhängigkeit und dem anschließenden Methadon-Programm. „Als ich an meinem 39. Geburtstag erfahren habe, dass ich schwanger bin, wusste ich erst nicht weiter.“ Über ihre Therapeutin bekam sie schließlich Kontakt zu den Familienhebammen.
Finanziert von Bund und Leonhard-Stinnes-Stiftung
Das Projekt „Familienhebammen und Netzwerk Frühe Hilfen“ ist angesiedelt bei der Mülheimer Gesellschaft für soziale Stadtentwicklung und hat seinen Sitz an der Wallstraße 5. Dort finden auch Beratungen oder Gruppenangebote statt.
Finanziert wird das Projekt von der Bundesinitiative „Frühe Hilfen“ und der Leonhard-Stinnes-Stiftung – zunächst bis Ende 2015. „Wir bauen auf die Weiterfinanzierung ab 2016 und hoffen, dass die Fördersumme von 51 Mio. Euro pro Jahr auch für die Folgejahre zur Verfügung stehen wird“, so Dezernent Ulrich Ernst.
Öffnungszeiten: Mittwoch 14 bis 16 Uhr, Freitag 10 bis 12 Uhr, Info: 455 15 00, jennifer.jaque-rodney@muelheim-ruhr.de.
„Die Unsicherheit war groß: Wie werden sie mit mir umgehen?“ In den Gesprächen sei man ihr jedoch auf Augenhöhe begegnet, berichtet Melanie Brose. „Es war schön, nicht nur gesagt zu bekommen, was man falsch macht, sondern auch, was man gut macht.“ Heute sind ihr Sohn Florian (14 Monate) und sie ein eingespieltes Team und bekommen weitere Hilfe von anderen Stellen, die sie gerne annehmen.
Bereitschaft, Hilfe anzunehmen
Darum geht es in der Arbeit von Jennifer Jaque-Rodney und ihren Kolleginnen. „Zu stärken und zu unterstützen – Eltern als Experten für ihr Kinder fit zu machen“, erklärt die Leiterin der Familienhebammen. „Dazu gehört, sie zu begleiten und ihnen beizubringen, ein Gefühl für ihr Kind zu entwickeln.“ Voraussetzung für diese intensive Zusammenarbeit sei natürlich die Bereitschaft, Hilfe anzunehmen.
Ob diese an der richtigen Stelle ankommt, hat eine Evaluation herausgefunden, durchgeführt vom Zentrum für interdisziplinäre Regionalforschung (Zefir). „Es sind viele junge Mütter und Migrantinnen darunter“, berichtet Thomas Groos von Zefir. Auch zwischen Wohnorten, Aus- und Schulbildung wird in der Studie unterschieden. Die Hilfe soll eben bei denen ankommen, die sie brauchen. „Wir wollen diese Mütter stärken, damit sie sicherer werden“, sagt Jennifer Jaque-Rodney.
Ihr Plan für das nächste Jahr sei, den Weg weiterzugehen, noch mehr Frauen schon in der Schwangerschaft zu erreichen und das Team weiter auszubauen.
Unterstützt werden die Familienhebammen dabei von Sozialdezernent Ulrich Ernst, der dieses Projekt als „Baustein einer langen Kette“ sieht. „Diese fängt bei den Familienhebammen an und endet beim U25-Haus.“ Dazwischen gebe es viele Beteiligte, die ein Netzwerk bereitstellen, das Kinder und Familien mit schwierigem sozialen Hintergrund unterstützt, „um einen guten Weg für die Zukunft einzuschlagen“.