Mülheim. . Neuer Rekord bei der „Stunde der Wintervögel“. 149 Teilnehmer zählen in 111 Gärten fast 3000 Tiere und 48 Arten. Am häufigsten piept hier die Kohlmeise. Der wissenschaftliche Wert dieser Momentaufnahme ist umstritten, die Werbekraft für die heimische Vogelwelt nicht.
Die Stunde der Wintervögel ist alljährlich eine muntere Piep-Schau. Ehrenamtliche zählen in Gärten, was da pickt und flattert. Für Mülheim kann der Naturschutzbund (Nabu) Ruhr bei der vierten Auflage der bundesweiten Aktion nun einen neuen Rekord melden: 149 Vogelfreunde haben im Januar in 111 Gärten fast 3000 Vögel und 48 verschiedene Arten registriert, so die nun vorliegende Auswertung. Noch im letzten Jahr wurden nur 60 Gärten inspiziert, 1900 Vögel und 44 Arten gezählt.
Einige Ergebnisse in diesem Jahr: Am häufigsten sichteten die Vogelfreunde Kohl- (560) und Blaumeise (328), gefolgt von Amsel (292), Elster (272) und Haussperling (170). Der Star ist in Mülheim kein Star: 54 Tiere sahen die Beobachter, der Vogel rutschte auf der Mülheimer Hitliste ab von Platz 10 auf 15. Kohlmeise und Amsel waren in 90 % aller Gärten zu finden.
Der wissenschaftliche Wert der Zählung ist umstritten
Der wissenschaftliche Wert dieser Zählung ist durchaus umstritten, berichtet Elke Brandt, stellvertretende Vorsitzende des Nabu Ruhr und seit Schülertagen begeisterte Vogelkundlerin. Ob die Zähler wirklich Kohl-, Blau-, Grau-, Sumpf- und Schwanzmeise auseinander halten können? Auch alte Raben und junge Saatkrähen sind kaum zu unterscheiden, sagt sie. Und hat wirklich jemand eine Nebelkrähe (in Mülheim sogar acht) gesehen? „In Gärten“, sagt Elke Brandt, „sieht man die nie.“ Trotzdem: Die Aktion findet sie gut, lenkt sie doch den Blick regelmäßig auf die heimische Vogelwelt.
Wie sich die in einer Stadt wirklich entwickelt, lässt sich aber nur nach Jahrzehnten sicher bewerten, nicht nach solchen Momentaufnahmen. Einige Mülheimer Trends, die sie über lange Zeit registriert hat: Die Ringeltaube – früher selten – gehört heute zum Stadtbild. Die Elster, ein anpassungsfähiger Allesfresser, macht’s Füchsen und Wildschweinen nach, wandert aus der freien Natur in Siedlungen ein. Die Reiherente, früher ein Wintervogel, brütet heute in Mülheim. Die Eisvogel-Bestände entwickeln sich gut.
Die Dorngrasmücke ist nur noch in Biotopen anzutreffen
Auf der anderen Seite schwinden oder verschwinden auch Arten. „In unserer Stadt leiden die Spezialisten und alle Vögel, die offene Landschaft brauchen“, erklärt Brandt. Die Dorngrasmücke – früher hier stark verbreitet – ist nur noch in Biotopen anzutreffen. Die Nachtigall brütet nicht mehr in Mülheim, allenfalls am Auberg oder im Voßbachtal ist sie als Durchreisende zu hören. Der Kolkrabe ist hier praktisch ausgestorben, alle paar Jahre dreht mal einer vom Niederrhein eine Runde über der Stadt.
Wer die heimische Vogelwelt unterstützen möchte, kann viel dazu beitragen durch die Gestaltung seines Gartens, erklärt Brandt: „Eine differenzierte Bepflanzung, einheimische Pflanzen, Blumen, Sträucher.“ Was Vögel gar nicht mögen? „Den neudeutschen Standardgarten: Außen Nadelholz, innen die grüne Großstadtglatze“, lacht die Ornithologin.