Mülheim. Verspätungen und Ausfälle von Bahnen, weil Defekte an Fahrzeugen und Strecken überhandnehmen, kennen Nahverkehrskunden längst, und das nicht nur in Mülheim. Es könnte noch schlimmer kommen. Weitere Stilllegungen von Stecken drohen.

Sollten nicht bald erhebliche Summen in die Infrastruktur investiert werden, drohen aus Sicht von Dirk Biesenbach, Vorsitzender des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen NRW, Stilllegungen von zahlreichen Strecken. „Es muss bald etwas passieren“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung.

Nicht nur die MVG in Mülheim schlägt sich mit einem großen Investitionsstau herum, der in den kommenden Jahren eine dreistellige Millionen-Summe erfordert. Bundesweit gehen die Schätzungen auf drei Milliarden. Die Gründe: „Meist stammen die Fahrzeuge und Anlagen aus den 70er Jahren, wurden bis zu 90 Prozent gefördert. Keiner hat sich Gedanken darüber gemacht, wie die Unterhaltung erfolgen kann“, beklagt Biesenbach. Für die Pflege des Bestandes gibt es keine Fördermittel.

Wirtschaft und Klimaschutz gefährdet

Biesenbach sieht den Bund in der Pflicht und hat wenig Hoffnung, dass von Berlin aus der Nahverkehr in nächster Zeit mit spürbarer Hilfe rechnen kann. „Ich habe die Sorge, dass dies wieder auf die lange Bank geschoben wird.“ Mit der Folge: Die Schäden nehmen zu, die Verkehrsgesellschaften vor Ort können dies nicht stemmen. „Denen brennt der Kittel.“

Wie bei Straßen, Brücken, Immobilien – die öffentliche Hand kümmerte sich bislang wenig um den Bestand. „Ein Nahverkehrsangebot ist jedoch elementar für die Wirtschaft. Wie sollen die Leute zur Arbeit kommen?“, fragt Biesenbach. Wer die Zustände laufen lasse, gefährde aus seiner Sicht die wirtschaftliche Entwicklung – und die Klimaschutzziele.

Richtung mehr Qualität

Dass preiswerte Busse teure Bahnen ersetzen können, wie es in Mülheim derzeit diskutiert wird, bezweifelt Biesenbach: „Sie müssen in allen Städten zu bestimmten Zeiten und auf vielen Strecken eine Fahrgastzahl bewältigen, die ein Bus nicht schafft.“

Die Rechnung, dass mit kürzeren Taktzeiten und einem dichteren Streckennetz die Fahrgastzahlen so gesteigert werden könnten, dass die Defizite sich abbauen ließen, kann der Verbandsvorsitzende nicht nachvollziehen. Der Mülheimer Bundestagsabgeordnete Arno Klare (SPD) hatte dies mit Verweis auf die Berliner Verkehrsgesellschaft gemacht und ein Umdenken in Mülheim gefordert, Richtung mehr Qualität für Fahrgäste. „Kürzere Takte, mehr Strecken – das, so Biesenbach, erfordere auch mehr Wagen, mehr Personal. „Es könnte unterm Strich sogar teurer werden.“

Umdenken im Bund

Für Arno Klare führt kein Weg daran vorbei, den Nahverkehr erheblich attraktiver zu machen. Der Weg der Kürzungen und Stilllegungen sei der falsche. Er verweist auf Städte mit gutem Nahverkehrsangebot wie Berlin, wie Hamburg wie Zürich, wo bis zu 70 Prozent der Bürger den ÖPNV nutzten, in Mülheim liegt die Quote zwischen 15 und 18 Prozent. „Wenn wir weiter das Angebot verschlechtern, rutschen wir noch tiefer.“

Im Bund, so der Abgeordnete, würde derzeit über den Bundesverkehrswegeplan und über die Mittelverteilung diskutiert. „Es werden künftig Maßnahmen und Projekte priorisiert, die in erster Linie der Erhaltung und der Bestandspflege dienen.“ Hier erfolge ein Umdenken, davon würden auch die Städte künftig profitieren.