Mülheim. . Das Geschäft mit den Glasgewebeformmatten läuft so gut, dass die in Mülheim ansässige Heinrich Tapp GmbH & Co. KG sich vergrößern möchte. Ausgeklügelte Technik und jede Menge Handarbeit steckt in den Produkten des Familienunternehmens. In über 150 Länder haben Monteure der Firma schon gearbeitet.

In Mülheim daheim – in der Welt zuhause: So könnte die Heinrich Tapp GmbH & Co. KG für sich werben. Seit 1909 residiert der Spezialist für technische Dämmungen in Styrum; und die Tapps bekennen sich auch in Zukunft zu Mülheim, wollen ihr Werk erweitern. Die Monteure des Hauses aber sind auf dem ganzen Erdball im Einsatz, aktuell zum Beispiel in Uruguay, Trinidad, China.

Siemens Energy, MAN Diesel & Turbo, RWE Power, BASF, Bayer, Eon, Vattenfall oder auch die Mülheimer DHC Solvent Chemie: Die Liste der Kunden, für die Tapp tätig wird, ist lang. Ihr Auftrag aber ist im Wesentlichen der immer gleiche: Kleine, große und auch riesengroße Turbinen sowie komplette Industrieanlagen wie Kernkraftwerke, Raffinerien oder Zementfabriken sind so zu verpacken, dass sie reibungslos funktionieren. Heißt: dass die für die Produktion erforderlichen Temperaturen im Inneren der Maschine gehalten werden. Und: dass die Menschen, die an der Anlage zugange sind, ausreichend geschützt sind.

Es handelt sich keinesfalls um Ware von der Stange

Ausgeklügelte Technik und jede Menge Handarbeit steckt in den Produkten aus Styrum. Und es handelt sich keinesfalls um Ware von der Stange. „Jede Turbine ist anders“, erklärt Geschäftsführer Marcus Tapp (35), ebenso jede Industrieanlage. Ganz am Anfang also studieren Konstrukteure die Maschinen bis ins Kleinste. Auf ihrem Computer haben sie 3-D-Modelle der Apparaturen. Peu à peu gehen sie die Teile der Maschine durch und entscheiden, an welcher Stelle welches Dämmmaterial in welcher Stärke angebracht werden muss.

Der Kunde muss vorab entscheiden, ob er eine „nicht-revisionsresistente oder eine revisionsresistente Dämmung“ haben möchte. Die erste – eine spezielle Spritzdämmung – ist kostengünstiger, muss aber erneuert werden, sobald die Maschine zur vorgeschriebenen Kontrolle oder Wartung muss. Die zweite überlebt auch den Maschinen-TÜV. Das ist ein klarer Vorteil „und so ist die wiederverwendbare Dämmung auf dem Vormarsch“, berichtet Tapp. Sie mache einen Anteil von 70 Prozent des Geschäftes aus.

Kissen mit Spezialwolle und Haken

In manchen Fällen sieht die wiederverwendbare Dämmung nicht viel anders aus als ein Sitzkissen für einen Stuhl. Im Fachjargon spricht man von „Glasgewebeformmatten“. Gefertigt werden die hellgrauen Isolier-Kissen von Tapps Näherinnen, und zwar nach den Schnittmustern, die zuvor die Konstrukteure am PC errechnet haben. Gefüllt werden sie mit Spezialwolle und später per Haken und Spezialdraht an der Maschine angebracht. „Bis zu 700 Matten sind für eine Turbine nötig“, berichtet Tapp – damit auch tatsächlich alle Rohrleitungen, Schrauben, Ventile, Trichter. . . gedämmt sind.

Das Geschäft der Styrumer Firma läuft gut. Tapp möchte deshalb ausbauen und modernisieren, eine Fläche von 3000 qm² hinterm Werk erschließen. Eine Produktionshalle von 1000 qm² ist bereits entstanden; weitere Gebäude sind geplant.

Anfang der 70er dann gelang der Durchbruch

105 Jahre alt wird das Familienunternehmen Tapp in diesem Jahr. Von Anfang an hatte es seinen Sitz an der Hohe Straße. Heinrich Tapp – der Namensgeber – war Gründer, Sohn Hans und Enkel Burkhard traten in seine Fußstapfen. Der Enkel führt die Firma bis heute, zusammen mit seinem Sohn Marcus.

Umsatz liegt „im achtstelligen Bereich“

Marcus Tapp, Dipl.-Ökonom, bezeichnet seinen Vater und sich als „konservative Unternehmer mit hohem Verantwortungsbewusstsein“; die Mitarbeiter dankten es mit Treue. „Wir haben kaum Fluktuation und manche Familien arbeiten hier über Generationen.“

Jüngst hat der 100. Mitarbeiter
begonnen; „wir wachsen langsam, aber stetig“. Der Umsatz liege „im achtstelligen Bereich“. Sieben Azubis erlernen in der Firma den Beruf des Wärme-/Kälte- und Schall-Isolierers; außerdem wird eine Bürokauffrau ausgebildet.

Anfangs wurden vor allem Kessel gedämmt, und zwar die von Dampflokomotiven. In unmittelbarer Nähe des Unternehmens lag ein Reparaturwerk der Reichsbahn, von dort kamen Aufträge. Später hatten die Mülheimer sogar eigene Kieselgur-Gruben nahe Vechta; so konnten sie den Rohstoff für ihre Dämmmaterialien selbst gewinnen. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs hatte die Firma eine beachtliche Größe erreicht; selbst in Prag und Breslau gab’s Vertriebsbüros. „Nach dem Krieg aber war fast alles weg“, so Marcus Tapp.

Opa Hans musste „bei Null anfangen“. Man stieg ein in die industrielle Dämmung. Anfang der 70er dann gelang der Durchbruch: Erstmals dämmte Tapp eine Kraftwerksturbine, und zwar für die Kraft­werks­union in Schweden. Es war die Basis für den Erfolg heute.